Erlebnisbericht zu Rock am Ring und der Terrorwarnung

von Tom Lewis

Das Thema wurde im Netz ja von vorne bis hinten ordentlich diskutiert und alles und jede/r sah sich gezwungen seinen/ihren Senf dazu zu geben. Was dabei zu wenig gehört wurde: Die Leute, die dabei waren Dabei sollte man gerade denen zuhören, um ein gutes Bild zu bekommen.

Nun trifft es sich, dass ich selbst dabei war. Schön weit vorne bei den Broilers an der Hauptstage, als die Veranstaltung unterbrochen werden musste.

Zum Ablauf

Auch wenn sich der Veranstalter Lieberberg offenbar sehr darüber aufgeregt hat, dass die Polizei das Gelände räumen lassen wollte, fand ich persönlich dass das richtig war. Wie ich heute (nach Tagen ohne Internet) gelesen habe, gab es eine reelle Bedrohung und Festnahmen.

Auch die Security auf dem Gelände hat sich gut verhalten und alle ganz ruhig nach draußen geleitet. Die Securities waren aber eh verdammt cool drauf. An der Stelle also mal ein Lob an diese Leute!

Die Räumung selbst war dann absolut ruhig. Nach dem ersten Schock wandten sich alle langsam Richtung Ausgänge (bzw. zum nächsten Bierzelt; könnte ja das letzte Bier sein) und verließen das Gelände. Die meisten Leute waren enttäuscht. Wirklich jemanden mit Angst im Gesicht habe ich kaum gesehen. Viele sangen dabei und es sah nicht aus, als hätten wir gerade eine Terrorwarnung bekommen. Eher als sei gerade ein Konzert zu Ende gegangen.

An dieser Stelle muss ich jetzt auch die Band Broilers loben, denn die haben das Ganze einfach nur souverän gemeistert. Der Sänger Sammy wurde zweimal Backstage gerufen und die Band spielte instrumental weiter. Ich gehe also davon aus, dass die Veranstalter ihm bereits vorher Bescheid gegeben haben. Das letzte Lied, das vor dem Abbruch gespielt wurde, war dann ein langsames Lied, in dem es darum geht, wie wir derer gedenken, die von uns gegangen sind (Broilers – „Ihr da oben)“. Das war kein Zufall und es war gut ausgesucht.

Wir waren also schon, was die Stimmung angeht ruhiger, als wenn man vorher einen Song gespielt hätte, zu dem man nen ordentlichen Moshpit eröffnet hätte. Diese Gelassenheit verflog auch nicht, als wieder alle auf den Zeltplätzen ankamen. Dort wurde weitergefeiert und Lauter Grüppchen zogen mit eilig gebastelten „Saufen gegen Terror“ Schildern umher.

Die Berichterstattung

Als ich mir dann am nächsten Morgen mühsam einen Platz mit Internetverbindung gesucht hatte, las ich dann u.a. die Artikel von der Welt und vom Focus. Schlechte Quellenwahl für solche Themen. In den Kommentaren wütete „das Folk“™ und ich habe nach kurzem counter-pöbeln mein Handy wieder ausgemacht. Konnte mir den rechten Auflauf nicht geben und habe mich meinem Frühstücksbier gewidmet.

Die mediale Berichterstattung insgesamt, auch jetzt noch einmal nachträglich betrachtet, fand ich persönlich viel zu reißerisch. Wenn man sich den Welt Artikel und die Schlagzeile dazu durchliest, vermutet man eine Massenpanik. Das Ganze wurde dann schön hochgeschaukelt und scheinbar haben sich wieder alle den Mund fusselig geredet, während wir am Ring einfach gechillt weiter gefeiert haben.

Natürlich muss darüber berichtet werden. Aber man hätte das ganze auch ohne reißerische Titel machen können. Hier appelliere ich an journalistische Sorgfaltspflicht. Wir auf den Zeltplätzen waren einfach mal weitaus ruhiger und gelassener, als alle, die an ihren Computern saßen und da irgendeinen Müll in die Tastatur gekloppt haben.

Wie gesagt, die meisten waren einfach enttäuscht. Vor allem weil Rammstein nicht spielen konnte, viele jedoch genau für diese Band überhaupt gekommen sind.

Die Zeit danach

Was macht man nach einem Terroralarm?
Es muss weitergehen. Immer. Und genau das ist passiert. Wir saßen morgens auf dem Zeltplatz und haben auf die Nachricht gewartet, dass es weitergeht. Die Broilers wurden dann Samstag Abend nochmal für eine Stunde ins Programm eingeschoben und am Sonntag spielte auch Marteria, dessen Show ebenfalls ausfiel, für eine Stunde. Und das obwohl er Abends dann, vier Stunden später, bei Rock im Park aufgetreten ist. Respekt also an alle, die das möglich gemacht haben, dass wenigstens diese beiden noch auftreten konnten.

Auch hier wieder spezielles Lob an die Broilers. Am Tag nach dem Abbruch haben zwar viele Künstler etwas dazu gesagt (Ingo von den Donots und Campino von den Toten Hosen z.B.) und dabei fand ich das, was Sammy von den Broilers zu sagen hatte verdammt gut formuliert und sehr wichtig:(https://www.youtube.com/watch?v=yQJIsoCXANw ab 03:38)

Heute habe ich mich dann mit allen möglichen Leuten auseinandergesetzt, die nicht dabei waren, aber meinten das ganze für ihren rassistischen Dreck instrumentalisieren zu müssen. Schlauer bin ich nun, nach Diskussionen mit AfDlern nun nicht. Nur Kopfschmerzen habe ich. Ich kann es einfach nicht lassen denen zu widersprechen. Auch wenn es mühsam ist, muss es doch sein…