Welcome to the Thunderdome

Die Zahlen für das erste vollständig in der Coronapandemie liegend inzwischen vor. In Deutschland brach die Wirtschaftsleistung um 10,1 Prozent ein, in den USA um 32,9. In Deutschland wurde jedoch die Insolvenzantragspflicht bis Ende September ausgesetzt, im Herbst wird dann mit Verzögerung die große Konkurswelle hierzulande losgehen – und den Wegbruch ganzer Wertschöpfungsketten weiter verschärfen, die Abwärtsspirale weltweiter Rezessionen im Kapitalismus wird ihren Lauf nehmen. Die Einschätzung bezüglich der weltweiten Lage hat sich in den letzten Monaten nicht geändert: Erneut stehen wir am Beginn einer weltweiten Rezession, welche den Einbruch seit der letzten globalen Krise 2008/9 bei weitem überschreiten wird. Und diese wurde damals als einmalig bezeichnet – dabei erzeugt die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus regelmäßig etwa alle zehn Jahre größere weltweite Wirtschaftskrisen.
 
Die in der kapitalistischen Verwertungslogik angelegten Dominoeffekte werden sich im Laufe dieses Jahres verschärfen und die Entscheidung zwischen Maßnahmen, welche Menschenleben retten, und solchen für die heilige Kuh der Wirtschaftsleistung immer stärker erzwingen. Warum wieso weshalb der Kapitalismus nicht gut mit Problemstellungen wie einer weltweiten Pandemie umgehen kann, wurde in den vergangenen Monaten in unzähligen Texten aufgeschlüsselt, weshalb dies mit einem Hinweis auf unsere Mad Marx-Reihe (insbesondere Teil 2) nicht noch einmal wiederholt werden muss:
 
Teil 1 – Nicht dumm machen lassen und Einführung in den Kapitalismus: https://rambazamba.blackblogs.org/2020/03/27/mad-marx-corona-und-der-vorschein-der-donnerkuppel-teil-1-nicht-dumm-machen-lassen-und-einfuehrung-in-den-kapitalismus/
 
Teil 2 – Der Vorschein der Donnerkuppel – Zu den ökonomischen Zusammenhängen der Corona-Krise und der Notwendigkeit, den Kapitalismus zu überwinden: https://rambazamba.blackblogs.org/2020/03/29/mad-marx-teil-2-der-vorschein-der-donnerkuppel-zu-den-oekonomischen-zusammenhaengen-der-corona-krise-und-der-notwendigkeit-den-kapitalismus-zu-ueberwinden/
 
Teil 3 – Befreite Gesellschaft oder Donnerkuppel – Handlungsperspektiven der Linken: https://rambazamba.blackblogs.org/2020/04/09/mad-marx-teil-3-befreite-gesellschaft-oder-donnerkuppel-handlungsperspektiven-der-linken/
 
Wer ein halbwegs gutes Verständnis vom Kapitalismus und dessen Wirkungsweise hat, wird von der Entwicklung der letzten Monate nicht überrascht sein. Und auch die kommenden Ereignisse sind ohne großes Hexenwerk in ihren Grundzügen vorrauszusagen. Je mehr die Wirtschaft in den Keller rauscht, je mehr die eklatanten Systemfehler des Kapitalismus zutage treten, desto mehr werden die Lasten der Krise auf die sozioökonomisch eh schon Benachteiligten abgeladen. Man kann in den USA sehen, wozu eine völlig unzureichende Strategie führt: über 150.000 Tote und ein noch nie dagewesener Zusamenbruch der Wirtschaft.
 
Doch man muss ja gar nicht erst in die USA schauen, um die Probleme im Umgang mit der Pandemie deutlich zu sehen. Bereits jetzt gab es diverse Vorfälle in Deutschland, welche zumindest indirekt der Krise der Verwertungslogik zuzurechnen sind. In den Zeiten der Pandemie zeigen sich zwei Dinge ganz deutlich: Welches gesellschaftliche Ziel hat man auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene und wie flexibel kann man auf systembedrohende Krisen reagieren.
 
Welches das gesamtgesellschaftliche Ziel ist, dürfte klar sein und spätestens im Laufe der kommenden Monate allen klar gemacht werden. Die geheiligte Wirtschaft stellt das absolute Primat dar, letztendlich werden alle anderen Aspekte des gesellschaftlichen Leben immer gegen die Ermöglichung der Wertschöpfung abgewogen. Und mit „Wertschöpfung“ erfasst man den Kern exakt: Es geht um das Schaffen von Werten, also von Geld. Darauf ist der gesamte gesellschaftliche Überbau ausgelegt, der private Mensch mit seinen Wünschen und Neigungen ist zweitrangig. Entsprechend fallen auch die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung aus. Sie sollen vor allem das weitere Funktionieren der Verwertungslogik ermöglichen.
 
In einer systematisch ungleichen Gesellschaft treffen die Maßnahmen und Auswirkungen dann in der Summe wieder die am meisten, die eh schon am stärksten benachteiligt und diskrminiert sind. Anstatt als Gesellschaft darauf hinzuarbeiten, dass man möglichst allen eine möglichst angenehme Pandemiezeit (und generell ein möglichst angenehmes Leben mit möglichst viel Müßiggang) zu ermöglichen, erlässt der Staat Maßnahmen, die dann die zusätzlich zu den Ausbeutungsverhältnissen im Kapitalismus das Leben erschweren. Das Versprechen ist: Wenn du dich brav an alle Vorschriften hältst und dein Privatleben weitestgehend runterfährst, kannst du auf Arbeit weiter die Kohle für die Aktionäre oder den Vorstand reinholen, während der Großteil deiner Kohle für Miete draufgeht.
 
Aber so sollte es nicht sein. Eigentlich müsste der Deal lauten: Wir halten uns alle an die erforderlichen Maßnahmen und schauen, wie wir gemeinsam möglichst viel soziales und kulturelles Leben unter dem Primat der Pandemiebekämpfung ermöglichen. Denn hier kommen wir auf die Frage der Flexibilität zu sprechen. Wie schaffen es Gesellschaften sich auf eine Situation wie Corona einzustellen und worauf fokussieren sie sich dabei? Die Antwort ist keine Überraschung und sie stellte sich in der Realität auch gar nicht. Es geht um das Erhalten des Status Quo und den wirtschaftlichen Konkurrenzkampf der einzelnen Länder, wirtschaftlich möglichst gut dazustehen – also um eine möglichst gute kapitalistische Warenproduktion.
 
Um das gute Leben für alle ging es vorher nicht und darum geht es folgerichtig auch nicht in der Coronakrise. Wer nur wirtschaftliches Wachstum als oberste Maxime kennt, hat keinerlei Verständnis für das, was eine Gesellschaft an sozialem und kulturellem Reichtum im Stande ist zu ermöglichen, würde man die Ressourcen einmal von der Gewinnmaximierung auf eine möglichst paritätische Wohlstands- und Lebensqualitätssteigerung umleiten – weltweit versteht sich. Stattdessen werden soziale und kulturelle Optionen zur Zeit ersatzlos gestrichen und ganzen Bevölkerungsschichten die Gestaltungsmöglichkeiten der wenigen Zeit neben der Lohnknechtung zum Teil bis fast ganz genommen. Wenn man dann eh zu den Abgehängten gehört, wird das die eigene Zufriedenheit kaum steigern.
 
„A riot is the language of the unheard“ sagte Martin Luther King und Ähnliches lässt sich auch hier beobachten. Ob es nun ausufernde Coronapartys sind, weil man den Leuten nur Gestaltungsoptionen streicht und ansonsten weiter der Kapitalverwertung zum Fraß vorwirft, oder ob es Jugendliche sind, welche mit in der Summe rassistischen und sozialchauvinistischen Motiven von der Polizei gegängelt werden und dann auch mal zurückschlagen – all dies ließe sich in im größeren Stil vermeiden. Man müsste eben die Mehrung des sozialen und kulturellen Reichtums als oberstes gesellschaftliches Ziel ausrufen und sich um die Menschen kümmern, nicht um die Unternehmen und das Wirtschaftswachstum, welches so ganz nebenbei das Klima killt. Aber das wäre dann ja kein Kapitalismus mehr und eine Sache bleibt gewiss: Egal wie stark Krise des Systems, das System wird nicht in Frage gestellt. Und wenn dafür Menschen draufgehen.