All posts by erichschwarz

„Nazis raus aus den Stadien!“ – Wie aus dem Skandalspiel eine Kampagne entstand

Der Stein des Anstoßes
Beinahe ein ganzes Jahr ist das Spiel nun schon her. 28. April 2017, Potsdam, das Spiel der Regionalliga Nord-Ost zwischen dem SV Babelsberg und dem FC Energie Cottbus ist keine normale Partie. Denn die beiden Viertligisten sind nicht nur Lokalrivalen, sondern könnten unterschiedlicher nicht sein. Der SV Babelsberg ist ein kleines St. Pauli. Ein alternativer Verein, der sich klar links positioniert, im Karl-Liebknecht-Stadion spielt und eine antifaschistische Fanszene hat. Sportlich reichte es nie zum großen Wurf bei den Potsdamern. Dafür ist der Verein für sein soziales Engagement bekannt. Auf der anderen Seite Energie. Einer der größten Vereine der alten DDR-Liga, nach der Wiedervereinigung versank er langsam aber sicher in der sportlichen Bedeutungslosigkeit. Trotz einigen Saisons in der Bundesliga spielte man zuletzt lange drittklassig und nun sogar in der viertklassigen Regionalliga. Statt sich wie noch vor einigen Jahren mit Kaiserslautern, Bochum, Nürnberg oder dem FC St. Pauli in der Zweiten Bundesliga zu messen, heißen die Gegner jetzt Meuselwitz, Luckenwalde, Nordhausen oder eben auch Babelsberg. Berühmt ist Energie eigentlich nur für seine Fans. Denn ein nicht unbedeutender Teil der Cottbusser Fanszene ist klar rechtsextrem. Ob Hooligans oder Ultras, ob alt oder jung, bei Energie stehen schon lange viele Neonazis im Block.
So wurde dieses Spiel schon vorher von der Polizei als Hochrisikospiel klassifiziert und die erwarteten Probleme traten auch ein. Während das „Filmstadt Inferno“, die Babelsberger Ultras Pyrotechnik zündeten, schallten aus dem Cottbusser Gästeblock antisemitische Schlachtrufe der übelsten Sorte. „Arbeit macht frei – Babelsberg 03“ war da zu hören, oder „Zecken, Zigeuner und Juden!“. Dazu reihenweise Hitlergrüße. Die Babelsberger Fans antworteten mit „Nazischweine raus!“ Rufen. Die Cottbusser zündeten selber auch Pyrotechnik und stürmten schließlich den Platz und prügelten sich mit den Ordnern. Am Ende gewannen die Gastgeber das Spiel mit 2-1 gegen Cottbus. Der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) verhängte Geldstrafen an beide Vereine. 16.000 € sollte Energie Cottbus wegen der Pyrotechnik zahlen und bekam ein Geisterspiel. Nachdem Cottbus in Berufung ging, wurde die Strafe auf 6.000 € reduziert. 7.000 € der SV Babelsberg. Der Stein des Anstoßes sollte die Urteilsbegründung werden. Im Urteil gegen Babelsberg kamen die „Nazischweine raus!“ Rufe vor, im Urteil gegen Energie wurden die rechtsextremen Gesänge nicht mit einem Wort erwähnt. Cottbus akzeptierte das Urteil, doch Babelsberg beschwerte sich. Warum bestraft der Verband antifaschistische Rufe und ignoriert antisemitische Hetze?
Der Streit zog sich über Monate hinweg und auch der Deutsche Fußballbund sah sich gezwungen aktiv zu werden. Babelsbergs Präsident, Archibald Horlitz, hatte dem DFB-Präsidenten, Reinhard Grindel, geschrieben und ihn an die Werte für die sein Verband stehe erinnert. Grindel reagierte, auch angesichts der rechtsextremen Ausfälle einiger Fans der Nationalmannschaft, die beim Länderspiel gegen Tschechien in Prag durch rechte Gesänge aufgefallen waren. Nach dem Spiel hatte er gesagt, dass man niemals faschistische, rassistische, beleidigende oder homophobe Schlachtrufe dulden werde. Daher forderte der DFB den NOFV dazu auf, auch die Schmähgesänge der Cottbusser zu bestrafen. Man verurteilte die Lausitzer schließlich zu einer weiteren Geldstrafe, die explizit für die antisemitischen Rufe verhängt wurde. Doch damit war der Streit noch nicht beigelegt, dann Babelsberg weigerte sich die Strafe zu zahlen, wenn im Urteil antifaschistische Rufe erwähnt werden. Ende Januar dieses Jahres dann die Eskalation. Der NOFV drohte den Potsdamern mit einem Rauswurf auf der Liga, sollten sie nicht zahlen. Wieder musste der der DFB intervenieren und zwischen den beiden Parteien schlichten. Ende Februar einigte man sich dann darauf, dass die Urteilsbegründung abgeändert wird und Babelsberg bezahlte die 7.000 € Strafe für die Pyrotechnik. Darüber hinaus vereinbarten Verein und Verband, dass das Geld – auch die Strafe der Cottbusser – in Aktionen gegen Rechtsextremismus fließen soll.
 
„Nazis raus aus den Stadien!“
Bereits im September 2017 hatte der SV Babelsberg als Reaktion auf den Rechtsstreit deckenmit dem NOFV und um dessen Kosten zu decken, eine Kampagne gestartet. „Nazis raus aus den Stadien!“ hieß diese und der Verein verkaufte T-Shirts und Jutebeutel mit dem Slogan. Nach der Drohung des Verbandes die erste Mannschaft vom Wettbewerb auszuschließen, zeigten sich diverse Soli-Aktionen für die Babelsberger. So forderte ein großer Teil der Fanszene des SV Werder Bremen ihren Verein dazu auf, ein Testspiel gegen den SVB zu organisieren. Dieser lehnte zwar aus sportlichen Gründen ab, jedoch folgten solidarische Aktionen von Fans vom FC St. Pauli, KFC Uerdingen (Krefeld), MSV Duisburg, SC Göttingen, Carl-Zeiss Jena, Greuther Fürth, Celtic Glasgow, aus Manchester sowie Tel Aviv, aber auch vielen weiteren Vereinen. Als Spieler des linken Amateurvereines Roter Stern Leipzig die Soli-Shirts vor einem Spiel trugen, ordnete die sächsische Polizei an, diese wieder auszuziehen, da sie eine Provokation seien. In den vergangenen Wochen schlossen sich dann auch die Vereine der Aktion an. Der FC St. Pauli spendete 3.000 € an Babelsberg und Werder Bremen startete eine Spendenaktion. Dann folgten Borussia Dortmund, der VfB Stuttgart, der FSV Mainz, SC Freiburg, Fortuna Düsseldorf, der 1. FC Köln und weitere Clubs. Die Vereine zeigten ihren Support medienwirksam und drückten ihre Solidarität aus. In vielen Fan-Shops der Clubs gibt es nun auch T-Shirts mit der Aufschrift „Nazis raus aus den Stadien!“ zu kaufen. Die Erlöse gehen an den SV Babelsberg. 
Auch Eintracht Frankfurt gehört zu den Vereinen, die sich mit den Brandenburgern solidarisierten, doch die SGE hat auch mit einer anderen Aktion auf sich aufmerksam gemacht. Vereinspräsident Peter Fischer, stellte sich auf der jährlichen Mitgliederversammlung klar gegen rechts und teilte gegen die AfD aus. Deren Mitglieder seien nicht bei der Eintracht erwünscht, da die Inhalte ihrer Partei und die Werte des Vereins nicht miteinander vereinbar seien. Die AfD-Landessprecher Klaus Herrmann und Robert Lambrou reagierten beleidigt und erstatteten daraufhin Anzeige wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung. Fischer jedoch steht zu seinen Aussagen und zu der eingeschlagenen Richtung des Vereins. Auch die Ultras der Frankfurter Eintracht solidarisierten sich und kündigten auch für den kommenden Spieltag eine antirassistische Aktion unter dem Motto „United Colours of Frankfurt – Eintracht lebt von Vielfalt“ an.
Ein weiterer Verein, der dem SV Babelsberg helfen möchte, ist RB Leipzig, das den Potsdamern Geld spenden will. Nun mag man von einem Red Bull Verein halten was man will. Die Werbung, Vereinsführung und vieles andere an diesem Club, hebt die ohnehin schon weit vorangeschrittene Kommerzialisierung des Fußballs in Höhen, die man sonst nur aus der US-amerikanischen Sportwelt kennt. Dennoch muss man, bei aller Kritik an RB Leipzig, das antirassistische Engagement des Vereins und insbesondere Seiner Fans loben. Denn sich gegen Nazis, Rassisten und Fremdenfeinde zu stellen, ist gesellschaftlicher Grundkonsens und jeder, der diesen unterstützt, verdient seinerseits Unterstützung und Anerkennung. Auch Red Bull.

Die Vergesslichkeit der Deutschen

Letztens schrieb uns ein Leser anlässlich eines Posts über die AfD, ob man denn noch überhaupt die AfD auseinandernehmen müsste. Tatsächlich muss man das auch eigentlich nicht mehr. Es ist schon längst bekannt, wofür diese Partei steht und was ihre einzelnen Mitglieder so von sich geben. Vom Nachwuchs-Fascho Höcke über Beatrix „ich schieße auch auf Kinder“ von Storch bis hin zum Rassisten-Opa Gauland. Sie alle haben schon lange gezeigt, wofür sie stehen. Dies wurde bereits vielfach analysiert und sollte weder die Gegner*innen noch die Befürworter*innen der AfD überraschen.
So ist es mit den meisten dieser Themengebiete. Es ist bekannt, warum die IB nur eine „Blut und Boden“ Gemeinschaft mit schlechten Haarschnitten ist, PEGIDA keine „Islamkritiker*innen“ sind und Kubitschek kein neurechter Intellektueller ist. Warum machen wir das also weiterhin? Warum schreiben wir weiter Analysen und bekämpfen sie, wo es nur geht? Es liegt schlicht daran, dass es nach wie vor notwendig ist. 
Im besten Fall zieht mediale Aufmerksamkeit irgendwelche Konsequenzen nach sich. Jemand wird aus einer Partei geworfen bzw. tritt zurück, z.B. bei der causa Poggenburg. In den meisten Fällen passiert aber nichts. Ein Selbstreinigungsprozess innerhalb der AfD oder anderen Organisationen fand nicht statt. Dafür werden sie aber nicht etwa verurteilt, sondern werden gar in den Bundestag gewählt und laufen mit hunderten anderer Idiot*innen im Kreis und brüllen gegen eine angebliche  „Islamisierung“ an. 
Vergessen um des Vergessens willen
Wie aber ist zu erklären, dass sie das immer noch tun? Sind sie alle begeistert vom Gedanken eines neuen Faschismus? Kann man da alles immer noch auf Angst und Protest gegen „die da oben“ schieben? Nicht jede*r Anhänger*in dieser Organisationen ist ein Fascho. Aber sie machen sich mit Faschos gemein. Die Rezeption des medialen Echos wird dabei entweder komplett negiert („Lügenpresse“) oder es kommt eine besonders deutsche Eigenschaft zum Vorschein – die Vergesslichkeit.
Wie ist es anders zu erklären, dass das Medienspiel, das sich seit Jahren auf unterschiedlichen Kanälen hinwegzieht, keine Wirkung auf diese Klientel zeigt? In der Echokammer der Rechten werden gerne Meldungen gebracht, die schon Jahre oder Jahrzehnte alt sind. Da haben sie ein gutes Erinnerungsvermögen. Da werden schließlich all ihre Vorurteile bestätigt. Da kann der Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, etc. sich Bahn brechen. 
Mein Weltbild gehört mir
Wenn aber Nachrichten aufkommen, die nicht in die eigene Filterblase passen, werden sie entweder negiert oder sie werden nach kürzester Zeit wieder aus dem Gedächtnis gedrängt. Für einfache Weltbilder gibt es nun mal nur einfache Erklärungen. Da ist halt der Ausländer an den Zuständen in dieser Welt schuld. Da taucht kein Jeff Bezos oder die Steuerhinterziehung, die durch die Panama Papers  aufgedeckt wurden, auf. Kritik an den Zuständen endet beim „die Islamisten vergewaltigen unsere Frauen“. Die Kapitalismuskritik endet zumeist in antisemitischen Verschwörungstheorien. 
Dabei spielt das Ausblenden der negativen Meldungen für die eigene Meinung eine große Rolle. Nur so kann das eigene Weltbild aufrecht erhalten werden. Das Weltbild beruht eben nicht auf einer kritischen Analyse, sondern einem Haufen Rassismus gepaart mit einem Hass „auf die da oben“. Das eigene Medienverständnis ist darauf fixiert, die eigene Meinung bestätigt zu bekommen. Abweichungen davon werden als lästige Störungen wahrgenommen und so ganz schnell wieder verdrängt.
Die Echokammer funktioniert. Und damit sie auch weiter funktioniert, wird sie von den Medienschaffenden der Rechten auch weiter befeuert. Dabei ist es völlig egal, ob diese Storys erlogen oder uralt sind. Hauptsache das Weltbild stimmt. Dabei ist das schlechte Gedächtnis ihrer Fanbasis ihr bester Freund. Um das zu verdrängen, was nicht in das eigene Weltbild passt, wird das gierig aufgesogen, was ihr eigenes Weltbild bestätigt. Denn wie damals kann man dann dank des schlechten deutschen Gedächtnis wieder sagen: wir haben von nix gewusst. Wir haben nix davon gewusst, als wieder Mollis auf Unterkünfte für Flüchtlinge flogen. Wir haben nix davon gewusst, dass schwangere schwarze Frauen zusammengeschlagen werden. Wir haben nix davon gewusst, dass Faschos wieder durch die Straßen marschieren. Aber natürlich haben sie davon gewusst. Sie haben es ja sogar noch gefeiert. Sie haben ja noch gegröhlt. Nur nach dem kollektiven Gedächtnisverlust folgt dann ja wieder das kollektive Jammern der Deutschen.

Demobericht zur solidarischen Demo für Afrin in Köln am 27.01.18

In Köln sammelten sich heute rund 20.000 Menschen, um sich solidarisch mit Afrin/Rojava zu zeigen. Die Türkei hatte die Kurd*innen dort angegriffen und die Zivilbevölkerung direkt. Die NAV-DEM hatte zu einer bundesweiten Demo aufgerufen. Am Ebertplatz versammelten sich die verschiedenen Gruppen. Den Großteil stellten kurdische Demonstrant*innen, inkl. Familien mit Kindern und Älteren. Daneben hatten sich viele solidarische Gruppen, auch aus dem linksradikalen Spektrum versammelt. Und leider auch die MLPD.

 Am Tag zuvor hatte die Polizei in einer Pressekonferenz bekannt gegeben, dass YPG/YPJ-Flaggen zugelassen sind, Öcalan-Flaggen aber verboten bleiben. Die Polizei stellte zunächst ein kleineres Kontigent. Viele Teilnehmer*innen wurden auf verbotene Fahnen kontrolliert. Dies zog sich über eine ganze Weile, weshalb die Demo erst mit 2,5 Stunden Verspätung losziehen konnte.

Die Cops waren von Anfang an aus Eskalation aus. Die Demo wurde dauernd wegen Öcalan-Flaggen angehalten. Teilweise kassierten sie auch Plakate ein, die keine strafrechtlich relevanten Bilder enthielten. Anscheinend wussten sie selbst nicht genau was verboten und erlaubt war. Sie ging teilweise behelmt in Blocks mit Familien rein. Viele stellten sich schützend vor Kinder und Ältere.

Die Eskalation ging dann erst richtig los, als die Polizei den vorderen Teil der Demo einkesselte und mit Schlagstöcken versuchte durchzukommen. Dabei gab es wohl Verletzte und auch Festnahmen. An dieser Stelle Solidarität mit den Festgenommen und Verletzten! Zuvor waren bereits Wasserwerfer und Räumpanzer aufgefahren worden. Im eingekesselten Block waren auch Kinder. Darauf wurde aber keine Rücksicht genommen.

Die Demo war kraftvoll und friedlich. Auch als die Polizei reinging und kesselte, gab es keine Gewalt seitens der Demonstrant*innen. Wegen ein paar Plakaten wurde es in Kauf genommen, dass Unbeteiligte verletzt werden. Bei 20.000 Demonstranten wurden vielleicht 60 verbotene Plakate gezeigt. Die Demo wurde dann offiziell wegen Verstoßes gegen Auflagen aufgelöst.

Die Polizei hat mal wieder gezeigt, was sie vom Recht auf Versammlungen hält. Wenn Neonazis in Themar abhitlern zum Klang von rassistischen Bands geht das klar, aber wenn Kurd*innen gegen einen kriegerischen Angriff demonstrieren, kann man auch schon mal Wasserwerfer auf Kinder richten. An dieser Stelle bekunden wir nochmals unsere Solidarität mit den Kurd*innen und deren Verteidigung gegen türkische Kriegstreiber.

We are fucking angry

In ganz Deutschland wird der Rechtsstaat groß geschrieben. In ganz Deutschland? Nein, denn eine Szene bleibt unbehelligt. Während Flüchtlingsheime brennen, Migrant*innen beschimpft und geschlagen werden, jüdische Restaurants mit Steinen beworfen werden und Linke erschossen werden sollen, werden die Verantwortlichen vom Staat verschont. Ja zum Teil sogar noch durch Staatsgelder finanziert.

In Deutschland hat es Tradition seine rechte Flanke zu schützen. Egal ob CSU oder AfD, beide dürfen ihre menschenfeindlichen Ansichten in die Öffentlichkeit posaunen ohne auch nur irgendwelche negativen Konsequenzen zu befürchten. Nach den Ausschreitungen von Bautzen und Freital kamen von der dortigen Politik nur ein paar lauwarme Worte, geendet hat der rechte Terror nicht. Nach der „Selbstoffenbarung“ des NSU wird noch immer die Gefahr von rechts unterschätzt. Noch immer schweigt der Staat zu seinen Verflechtungen. Noch immer gibt es Verletzte oder gar Tote durch rechte Gewalt zu beklagen. Was wird unternommen? Nada.

Man kann sich eigentlich nicht mehr über die hiesigen Zustände wundern. Der Staat schaut nicht nur weg wenn es um rechte Aktivitäten geht, sondern unterstützt rechte Umtriebe aktiv. Egal ob der VS beim NSU oder CDU-Politiker mit NPD-Mann oder der Umgang der bürgerlichen „Mitte“ mit der AfD: ihnen allen ist gemeinsam, dass sie die Gefahr von rechts unterschätzen und denken mit ein wenig gutem Zureden wird der arme missverstandene Neo-Nazi schon kein Flüchtlingsheim mehr anzünden.

Faschismus ist eine gewaltbereite Ideologie. Sie zielt darauf ab alles „Unreine“ im Volkskörper zu eliminieren. Die Definition für das „Unreine“ ist beliebig verschiebbar. Im Dritten Reich waren es ja auch nicht nur die Juden. So kann die AfD sich selbst als „Demokraten“ maskieren, während sie antidemokratische Scheiße von sich gibt. Aber anstatt was dagegen zu unternehmen, schauen wir mal uns lieber die Rote Flora an. Anstatt den staatlichen Auftrag des Antifaschismus konsequent durchzuziehen, laden wir lieber den Gauleiter ins TV ein, damit er weiter rassistisch, völkisch und sexistisch agitieren kann. Aber hey, wir haben später wieder garantiert von nichts gewusst.

Alle bürgerlichen Parteien zeigen sich öffentlich engagiert im Kampf gegen Rechts. Aber wenn man doch mal in die Tagespolitik reinschaut, merkt man schnell, wie wenig Unterschied zu ihnen und den rechten Feinden besteht. Sie arbeiten ja sogar ganz gerne mal zusammen. Wenn es doch mal öffentlich breit getreten wird, ist das Zähneknirschen groß. Aber die Einsicht bleibt aus. Egal ob in der Bevölkerung oder beim Staat.

Jetzt ist mal wieder ein dicker Fischzug gelungen. Die Linken (!!!) haben gegen G20 protestiert. Erstmal schön Razzien ansetzen. Und zwar großflächig. Gibt gute Publicity. Festnahmen gab es keine, obwohl natürlich immer dringender Tatverdacht bestand. Aber so dringend war er dann doch nicht, dass es für eine rechtskonforme Festnahme gereicht hätte. Diese Maßnahme ist ein Witz und wird das Gegenteil dessen bewirken, was ihr euch erhofft habt.

Wir werden entschlossener, wir werden solidarischer und ihr werdet uns nicht kleinkriegen. Eure Razzien mögen uns einen Schrecken eingejagt haben, aber unterkriegen lassen wir uns davon nicht. Denkt immer daran: Unsere Solidarität ist unsere Waffe, auch gegen die Normalisierung des Rechtsruck. Wir werden nicht still halten, wenn ihr uns als Prellböcke auserkoren habt. Wir bleiben unbequem

Sozialismus und die heutige Linke

GASTBEITRAG

Die Geschichte hat uns gelehrt, dass Klassenkämpfe der Motor des Fortschritts sind. Von den Händlern, welche die feudale Herrschaft umgeworfen haben, somit den Weg für den Kapitalismus ebneten. Sie nutzten den Staat um die bürgerliche Revolution voranzutreiben. Später, als sozialistische Ideen aufkeimten, nutzten die Faschisten, befeuert und unterstützt von der bürgerlichen Klasse, den Staat, um diese „rote Bedrohung“ auszumerzen. Diese offene Terrorherrschaft zeigt deutlich wozu eine Klasse, die einen Staat beherrscht, in der Lage ist. Sie kann ganz Bewegungen vernichten, mit einem Fingerschnippen die unpolitische Bevölkerung zu ihrer Agenda bekehren.

Die Feinde der Revolution nutzen dieses Werkzeug seit nun schon Jahrhunderten um uns kleinzuhalten. Also wann und warum kam der Wandel weg vom Staatssozialismus bis hin zum unverhohlten, fast schon pubertären Antikommunismus?
Als die „rote Bedrohung“ Ende der 80er endgültig gebannt wurde sah sich die bürgerliche Klasse als Sieger des Kampfes. Antikommunistische Propaganda konnte ohne Zwischenrufe in den Massen verbreitet werden. Die Eltern der neuen Generation lehrten vehement, dass es alternativlos sei. Wir hätten die Wahl zwischen malochen bis man mit Ende 60 in Rente geht, oder man steht jeden Morgen um 5 Uhr in der Schlange für ein Laibbrot. Diese Alternativlosigkeit ist in unserer Generation akzeptiert und nicht hinterfragt. Wenn mal jemand aus dieser Hölle ausbricht geht die Person oft den Weg des Anarchismus.

Wieso auch nicht? Ist doch ein schöner Gedanke. Individuelle Freiheit im freien Kollektiv. Gestützt vom Hass gegen jede Autorität, Jahrzehnte langem Antikommunismus und das gute Gefühl im Bauch das richtige für alle zu wollen. Jedoch, dass individuelle Freiheit mit der Freiheit des Kollektivs nicht immer einher geht wird ignoriert. Ebenso, dass kein geschichtlicher Erfolg zu verbuchen ist.

Man kann mich jetzt falsch verstehen und sagen ich würde aktiv gegen den Anarchismus kämpfen und ein Sektentum aufbauen wollen. Das ist durch und durch falsch. Genossen und Genossinnen, egal ob sozialistisch oder anarchistisch sehe ich als Teil des Gerechten Kampfes. Ohne wenn und aber. Jedoch ist Kritikfähigkeit eines der höchsten Güter des Kampfes. Egal bei wem.

Sollte man Anarchismus auf den Müll der Geschichte werfen? Nein! Sollte man den Leninismus auf den Müll der Geschichte werfen? Nein! Alte Ideen machen neue Ideen. Allerdings ist die kritische Hinterfragung von der Sowjetunion genauso wichtig wie das Hinterfragen der CNT-FAI, den so rund wie nieder geschrieben funktioniert es nie.

Also zurück zum Punkt. Wieso sollte die Linke nicht den Staat als Werkzeug des Klassenkampfes benutzen? Weil die Sowjetunion in eine bürokratische Hölle ausgeartet ist die durch die Angst vor der Konterrevolution am Ende genau das herbeirufte, was sie verschrie? Nein. Es ist nicht schwarz und weiss. Es gibt auch lilablassblau. Rosa Luxemburg zum Beispiel war definitiv eine Staatssozialistin die offen gegen den Leninismus Kritik übte. Ein Staat? Ja. Kontrollgremien? Ja. Sowjets? Auf jeden Fall. An diesen Ideen kann man Anschluss finden wenn man vorher dem Sozialismus abgeneigt war aufgrund von den Fehlern der Sowjetunion.

Uns wird ein Werkzeug geboten um die Revolution auszuführen, zu schützen und letztendlich die Konterrevolution zu schlagen um das kollektiv der Arbeiterklasse zu befreien. Das sollten wir auch nutzen. Denn die Befreiung der Arbeiterklasse ist kein Schenkelklopfer, sondern ein Faustschlag gegen die bürgerliche Klasse. Und dieser Faustschlag muss stark sein.

Warum ich Anarchokommunist bin ODER Was es heißt links(radikal) zu sein

Warum ich Anarchokommunist bin ODER Was es heißt links(radikal) zu sein

Letztens hatten wir eine kleine Umfrage zu der Frage gestartet, was links sein eigentlich für euch bedeutet (https://www.facebook.com/story.php?story_fbid=1551339901578500&id=933332503379246). Viele Leser*innen haben sich daran beteiligt. Wenn man sich die Kommentare so durchliest, ergibt sich bei allen Unterschieden und Schwerpunkten, die jede*r für sich selbst setzt, ein Gesamtbild. Für die meisten bedeutet links sein sich gegen Diskriminierung jedweder Form einzusetzen. Hört sich erstmal sehr einfach an, ist aber sehr komplex.

Denn Diskriminierung bedeutet nicht nur Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Homophobie, Speziesismus, Ableismus, Sozialchauvinismus, etc. der Faschist*innen zu begegnen. In faschistischen Systemen ist natürlich die Unterdrückung nicht genehmer Gruppen zwar am offensichtlichsten, diese sind aber nicht die einzigen. Auch wenn manche sich davon frei sprechen wollen, sind wir doch alle in einem System der Unterdrückung gefangen. Uns wird gesagt, wir hätten es gut. Vergleicht man dies mit dem 18. Jahrhundert, stimmt das sogar. Tatsächlich frei sind wir dennoch nicht. In einer Welt, in der Privilegien immer noch real sind, geht es dir auch gut, solange du nur in das System reinpasst. Zählst du aber nicht zu der privilegierten Gruppe, wird es sehr schnell sehr schwierig.

Die Gesellschaft hat zwar auch dort einige Fortschritte gemacht. Inzwischen werden Homosexuelle nicht mehr überall verfolgt und wir sind sogar so nett Einkommensschwache nicht mehr verhungern zu lassen. Auch wenn viele der Diskriminierungsformen in anderen Ländern nach wie vor bestehen, malen wir uns weiterhin aus, dass wir ja die Guten sind und unser Bestes tun, um jeder Person ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Auch wenn wir uns davon frei sprechen selbst rassistisch zu sein, gibt es dennoch so etwas wie institutionellen Rassismus. In dieser Welt haben Frauen* nach wie vor nicht die gleichen Chancen wie Männer. Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Sich gegen Diskriminierung welcher Form auch immer einzusetzen, kann daher nur der erste Schritt sein.

Was also kann diesen inneren Widerspruch auflösen? Ist dieses System der Verwertung noch zu retten? Während viele sich selbst als links sehende Personen nach wie vor an die Rettung dieses Systems glauben, können wir diese Fragen nur verneinen. Nein, denn ohne Diskriminierung kann dieses System nicht funktionieren. Die Betroffenen der Diskriminierung sind dabei beliebig austauschbar. Sind nicht-weiße Menschen oftmals die am leichtesten zu erkennenden Opfer eines solchen Systems, kann es doch jede*n treffen, der nicht in das Raster der Verwertung passt. Diskriminierungen sind letztlich nur die Symptome eines kranken Systems.

Das System krankt. Die Lösung kann nur die Verwerfung des Verwertungssystems Kapitalismus sein. Marx hatte da ja schon ein paar gute Gegenideen vor ein paar Jahren. Letztlich kann man sich nur diesem System entziehen, wenn der Wert eines Menschen nicht mehr daran bemessen wird, was er für die Wirtschaft leisten kann, sondern einfach weil er ein Mensch ist. Anstatt also Whack-A-Mole mit den Symptomen zu spielen, gilt es die Probleme an der Wurzel zu greifen. Genau da ist auch der Übergang zum Linksradikalen. Wenn man sich Nazis auf Demos entgegenstellt und sich antirassistisch engagiert, kann man sich zwar auch als links bezeichnen, es greift aber eben nicht weit genug. Natürlich ist auch solch ein Engagement aller Ehren wert und sollte zum Grundkanon eine*r jeden Linken gehören.

Durch das Auseinanderbrechen des Verwertungssystems wäre der erste Schritt zur befreiten Gesellschaft getan. Auf diesen Trümmern könnte endlich die herrschaftsfreie, solidarische und egalitäre Gesellschaft errichtet werden. Kein Bekämpfen der Symptome mehr, sondern Mensch sein. Eine Utopie zwar, aber eine erkämpfenswerte. Links sein bedeutet also für mich nicht nur die Diskriminierungen temporär zu bekämpfen, sondern dafür zu sorgen, dass es diese nicht mehr gibt. Mit einem geboxten Nazi hat man zwar kurzzeitig einen Diskriminierungsfaktor beseitigt, aber der wird wiederkommen oder der Staat übernimmt an seiner Stelle durch eine andere Form der Unterdrückung. In diesem jetzigen System werden wir nicht frei sein, aber wir können träumen und weiter daran arbeiten. Vielleicht erleben wir es nicht mehr, vielleicht kommen noch viele Stolpersteine, aber abhalten lassen wir uns ganz sicher nicht.

Volle Konfrontation – Voll gegen die Wand

 
Der spanische Regierungschef, Mariano Rajoy, hat heute in einer vierzigminütigen Rede vor dem spanischen Parlament in Madrid auf die gestrige aufgeschobene Unabhängigkeitserklärung Kataloniens vom katalanischen Regionalpräsidenten, Carles Puigdemont, reagiert.
Bereits gestern Abend direkt nach Puigdemonts mit Spannung erwarteter Rede, hatte ein Sprecher der Zentralregierung verlauten lassen, dass die Unabhängigkeitserklärung Kataloniens inakzeptabel sei. Stimmen aus dem In- und Ausland waren sich indes nicht sicher, was Puigdemont nun tatsächlich gesagt hatte. Hatte er Katalonien für unabhängig erklärt, oder nicht? Wenn ja, hat er auch die Abspaltung erklärt?
Manche hielten seine Formulierung und sein Vorgehen für die verzweifelte Aktion eines Mannes, der mit dem Rücken gegen die Wand steht. Er musste die Regierung in Madrid besänftigen, gleichzeitig aber seine separatistischen Anhänger bei Laune halten. War es ein Zeichen von Schwäche die Unabhängigkeit Kataloniens zu erklären, diese aber direkt wieder auszusetzen?
Andere vermuten eher politisches Kalkül dahinter. Puigdemont hat nicht viel Spielraum und muss sich genau überlegen, was er macht. Ihm nützt vor allem die Konfrontation mit Madrid. Wenn die spanische Regierung weiterhin so repressiv und reaktionär auftritt, wie bisher, kann er sich und seine Anhänger als die Unterdrückten darstellen. Wenn es ein taktischer Schachzug war, ist nun die Frage, wie Mariano Rajoy darauf regiert. 
Dieser trat heute vor das Parlament und schilderte in seiner Rede die Illegalität des Referendums und warum das Ergebnis seiner Ansicht nach nichtig ist. Er sei zwar bereit zum Dialog, lehne jedoch eine internationale Vermittlung, wie sie Puigdemont vorgeschlagen hatte, ab. „Warum sollten Dritte bei uns vermitteln?“ fragte der Ministerpräsident und machte somit deutlich, dass er diesen Konflikt für eine rein interne Angelegenheit Spaniens hält.
Dann fordert er Carles Puigdemont auf, zu erklären, ob er nun Katalonien als einen unabhängigen Staat definierte habe oder nicht. Solle dies der Fall sein, könnte Rajoy den Senat damit beauftragen Artikel 155 der spanischen Verfassung anzuwenden, der es der Zentralregierung gestattet den Präsidenten und die Regierung einer autonomen Gemeinschaft, die gegen Spanien und seine Verfassung handelt, abzusetzen und die Verwaltung zu übernehmen. Im Senat besitzt Rajoys konservative Partido Popular eine absolute Mehrheit. Die Abstimmung über die Anwendung des Artikels wäre nur Formsache.
Es kommt nun darauf an, was Puigdemont genau gemeint hat, als er gestern sagte, dass er als Präsident der katalanischen Regierung das Mandat vom Volk habe, „Katalonien in einen unabhängigen Staat in Form einer Republik umzuwandeln.“ Wenn er Katalonien als souverän definiert hat, so hat Rajoy die rechtliche Grundlage, um Artikel 155 anzuwenden. Da ist es unwichtig, dass Puigdemont die Unabhängigkeit ausgesetzt hat.
Abschließend bewegte sich Rajoy dann doch tatsächlich einen kleinen Schritt auf seine politischen Gegner zu, indem er sagte, er sei zu einer Verfassungsreform bereit, in der der politische Status Kataloniens geklärt werden solle. Dieser Vorschlag wurde auch von der sozialdemokratischen PSOE und ihrem Parteichef Pedro Sánchez unterstützt. Klar ist jedoch, dass ein Austritt Kataloniens aus dem spanischen Staat nicht zu Debatte stehen würde.
Hohes Risiko 
Mariano Rajoy hat das Angebot zum Dialog von Puigdemont nicht ganz ausgeschlagen, es allerdings auch nicht angenommen. Er hat die internationale Vermittlung abgelehnt und das Problem somit zur Chefsache erklärt. Mit seiner Ankündigung Artikel 155 anzuwenden, sollte Puigdemont Katalonien für unabhängig erklärt haben, hat er den reaktionärsten Weg und die härteste Antwort gewählt. Sollte Carles Puigdemont taktisch vorgehen, wie es einige vermuten, macht Rajoy erneut genau das, was dem Separatisten nützt. Wie in dem Strategiepapier für die Unabhängigkeit Kataloniens, das die Guardia Civil im September sichergestellt hat, beschrieben sucht Puigdemont den Weg der Konfrontation, da nur diese ihm nützt. Er hat keine andere Wahl. Rajoy dagegen hat freie Auswahl an Möglichkeiten. Er könnte und er sollte einen Gang runterschalten und das Angebot zum Dialog annehmen. So könnte er die Separatisten diplomatisch ausmanövrieren. Stattdessen hält er voll drauf. Volle Konfrontation und volles Risiko die Einheit Spaniens mit Anlauf gegen die Wand zu fahren.
Nicht nur die Einheit Spaniens. Auch die Einheit und die Existenz der Europäischen Union stünden auf dem Spiel, sollten es Nationalisten tatsächlich schaffen eine kleine Region abzuspalten. Die nächsten Separatisten in Flandern und Norditalien würden sich beflügelt fühlen und ihrerseits den Druck erhöhen. Rajoy und Puigdemont spielen mit dem Feuer und setzten die Zukunft einer jungen Generation aufs Spiel. Das ist das Resultat, wenn zwei Nationalisten nichts als die volle Konfrontation kennen.
 
Das Problem ist der historische Ballast
Die Reaktion Rajoys und seiner Regierung auf das Referendum vom 1. Oktober und die Forderungen der Separatisten, verdeutlichen, wo Spaniens politisches Hauptproblem liegt. Die Quelle der inneren Konflikte ist die zentralistische Regierung in Madrid. Auch wenn sich viele der Gemeinschaften mittlerweile weitläufige Autonomierechte erkämpft haben, hält die Regierung dennoch an ihrem Zentralismus fest. Dieses Relikt des Franquismus ist ein Indiz für die fehlende Aufarbeitung von fast 40 Jahren faschistischer Diktatur. Heute wird zwar in den Schulen Aufarbeitung betrieben, aber die Generationen der Eltern und Großeltern haben nach dem Tod Francisco Francos die Geschichte genauso totgeschwiegen wie die Menschen in Deutschland in der Nachkriegszeit.
Die Partido Popular von Regierungschef Rajoy ist die Partei der konservativen Eltern und Großeltern. Auch wenn sie politisch etwa wie CDU und CSU einzuordnen ist, trägt diese Partei einen gewaltigen historischen Ballast mit sich herum.
Spanien braucht mehr Aufarbeitung. Nicht nur in den Schulen, sondern vor allem auch im politischen System. Die vorgeschlagene Verfassungsreform von Rajoy wird da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Was wirklich nötig ist sind grundlegende Reformen der staatlichen Struktur des Landes. Der Zentralismus muss abgeschafft werden und die dritte Republik muss gegründet werden. Ein Bundesstaat in dem alle Regionen genügend Freiheiten haben. Nur so kann der Postfranquismus der Partido Popular überwunden werden. Nur so hat Spanien eine Zukunft in Einheit.
Denn ob es eine Lösung ist, wenn sich einzelne Regionen der Kleinstaaterei hingeben und somit wieder ein Zeitalter des Nationalismus einläuten, darüber lässt sich streiten. Mit einer grundlegenden Reform kann Spanien seine Probleme gemeinsam überwinden.

Keine Unabhängigkeitserklärung und eine Ansprache gegen Nationalismus

Ganz Spanien hat gespannt auf diesen Moment gewartet. Der Präsident der katalanischen Regionalregierung, Carles Puigdemont, kündigte eine Stellungnahme zum Unabhängigkeitsreferendum und der Situation Kataloniens an. Würde er es wagen die Unabhängigkeit auszurufen?
 
Die Zentralregierung in Madrid hatte bereits vorher mit scharfen Maßnahmen gedroht. Rechtliche Grundlage ist Artikel 155 der spanischen Verfassung, der es gestattet einer autonomen Gemeinschaft die Autonomierechte abzunehmen, sollte diese gegen den spanischen Staat und seine Verfassung agieren. Laut der Verfassung ist Spanien unteilbar. Eine Unilaterale Unabhängigkeitserklärung hätte die Absetzung des katalanischen Parlamentes und des Präsidenten Puigdemont zur Folge. Madrid könnte die Verwaltung Kataloniens übernehmen und Neuwahlen in der Region ausrufen.
 
Dem entsprechend groß war die Spannung vor Puigdemonts Ansprache. Das Parlamentsgebäude wurde aus Sicherheitsgründen weiträumig abgesperrt. Heerscharen von Reportern fanden sich im Sitz der katalanischen Regionalregierung ein. Dann begann Puigdemont seine Ansprache. Er repassierte die Vergangenheit der Beziehungen zwischen Spanien und Katalonien, sprach von Unterdrückung während der Franco-Diktatur und vom Prozess der Autonomiebestrebungen Kataloniens. In diversen Referenden und Abstimmungen hatte die Region sich weitreichende Autonomierechte erkämpft, gegen den Widerstand der konservativen Kräfte Spaniens. Dann kam er auf das Unabhängigkeits-Referendum zu sprechen. Er appellierte an die Regierung an Madrid Gespräche zuzulassen und verurteilte die Polizeigewalt am Tag des Referendums. „Das Katalanische Volk hat das Recht erkämpft sich zu entscheiden,“ erklärte er und schloss dann, dass er als Präsident der Regionalregierung das Mandat vom Volk habe „Katalonien in einen unabhängigen Staat in Form einer Republik umzuwandeln.“
 
Von den Plätzen der Separatisten brandet Applaus auf. Doch Puigdemont setzt die Unabhängigkeitserklärung zur Aufhebung durch das Parlament auf, um den Weg für einen Dialog mit der spanischen Regierung zu öffnen. Er verzichtet also auf die Ausrufung der Unabhängigkeit. Wie Madrid auf dieses Gesprächsangebot reagieren wird, zeigt sich morgen. Ministerpräsident Mariano Rajoy hat für 16 Uhr eine Stellungnahme zur Rede Puigdemonts angekündigt.
 
Ansprache gegen Nationalismus
Deutliche Worte gegen den Nationalismus der katalanischen Separatisten fand die Vorsitzende der liberalen Partei Ciudadanos, Inés Arrimadas, die nach Puigdemont im Parlament sprach. Sie warf der Independistas vor, zu spalten und zu teilen. „Dies war ein angekündigter Schlag gegen Spanien und die Europäische Union,“ sagte sie in Richtung Puigdemonts. Niemand in Europa habe dieses Referendum anerkannt. „Sie repräsentieren den Nationalismus, der Teilung sucht, während Europa Einigkeit bedeutet,“ feuerte sie weiter, „Sie haben sich im Jahrhundert vertan.“ Arrimadas verwies darauf, dass eine Unabhängigkeit Kataloniens das Startsignal für sämtliche anderen Nationalisten in Europa sei, ihrerseits Separatismus und Spaltung zu betreiben. 
Puigdemont schüttelt während Arrimadas Rede die ganze Zeit den Kopf, während immer wieder Applaus aus der Fraktion der Liberalen aufbrandet. 
„Spanien raubt uns nicht aus, unrauben die korrupten Politiker aus,“ fuhr Arrimada fort und nahm damit Bezug auf die Argumente der Katalanen, nach denen sie wirtschaftlich von Spanien ausgesaugt würden. „Die meisten Katalanen fühlen sich als Katalanen, Spanier und Europäer!“ schloss sie und wies somit darauf hin, dass eine Mehrheit der katalanischen Bevölkerung gegen eine Abspaltung sei.
 
Nationalismus gegen Nationalismus
Am Ende der Rede Carles Puigdemonts scheint keine schnelle Lösung des Konfliktes in Sicht zu sein. Die Nationalisten in Katalonien haben auf eine Unabhängigkeitserklärung verzichtet. Nicht aus freien Stücken, sondern eher wegen dem Druck aus In- und Ausland und Wirtschaft. Aufgeben werden sie ihren kleinbürgerlichen Wohlstandsnationalismus und ihre Kleinstaaterei sicherlich nicht. 
Auch die Zentralregierung in Madrid ist kein Hoffnungsträger für eine Entspannung des Konfliktes. Ministerpräsident Mariano Rajoy, König Felipe und andere konservative Kräfte ließen durch Sturheit, Zentralismus und Nationalismus von sich hören. Sie forderten die Separatisten dazu auf sich zu mäßigen und pochten auf die Einigkeit des spanischen Staates. Verhandlungen werde es nicht geben, ließ Rajoy immer wieder verlauten. Ob er das Angebot zum Dialog Puigdemonts annehmen wird, ist fraglich.
Der einzige Weg einer nachhaltigen Lösung wäre eine Reformation des Staates. Der Zentralismus gehört abgeschafft, Madrid muss seine Macht mit den Regionen teilen und eine Republik werden. Wie lange ein solcher Prozess dauern würde, ist ungewiss. Jedenfalls können wir die Probleme unserer Zeit nur gemeinsam lösen. Wir müssen zusammenarbeiten, neue Freundschaften schließen, anstatt neue Grenzen zu errichten. Nationalismus und Separatismus haben in unserer Zeit nichts mehr verloren. Carles Puigdemont und seine Anhänger haben sich im Jahrhundert vertan, da muss man Inés Arrimadas zustimmen.
 
Quellen: Live-Übertragung aus dem katalanischen Parlament (katalanisch/spanisch),
Live-Ticker von rtve (spanisch)

„Weder Rächer*innen noch Richter*innen, Befreier*innen wollen wir sein!“

Anarchismus und die Frage der Gewalt

– Ein Gastbeitrag –

„Gewalt gehört nicht in die Politik.“
Diese Maxime hat sich im politischen Diskurs als Totschlagsargument durchgesetzt. Sie diskreditiert ganze politische Gedankenkonstrukte aufgrund der gewählten Mittel zur Umsetzung. Wie also gehen wir als Anarchist*innen mit der Gewaltfrage theoretisch um?
Um einer möglichen Antwort auf diese zugegeben amibvalente Situation näher zu kommen, stellen wir uns im folgenden die Frage ob und wenn wie, Militanz zu begründen ist und beginnen mit der Festellung, dass Gewalt ein probates (= geeignetes) Mittel innerhalb eines Staates darstellt um politische, individuelle und kollektivistische Interessen zu verfolgen. Die Gewaltenteilung bzw. Gewaltenverschränkung soll hierbei eine Konzentration und den damit ermöglichten Machtmissbrauch vorbeugen. Durch die Exekutive (= ausführende Gewalt) wird, im Zweifelsfall in Form der „Kollegen in Uniform“, strukturelle Gewalt (= Gewalt, welche weniger mit direktem psychisch/physischem Druck arbeitet sondern durch Umstände und Gegebenheiten seinen Zwang ermöglicht. Z.B. soziale Ächtung, Angst bei Verstößen gegen allgemein anerkannte Gesetze und Verhaltensweisen) physisch umgesetzt.
Gewalt ist hierbei selbstverständlich wenn es darum geht Zwangsmaßnahmen durchzusetzen, denn in der letzten Konsequenz muss das Staatsgebilde sicherstellen, dass der Rahmen erhalten bleibt. Gesetze und politische Entscheidungen werden durchgesetzt – egal ob uns das stört oder nicht.
Okey, wir haben den Rahmen abgesteckt. Gewalt wird als staatliches Mittel zum Zweck des Erhaltes der politischen Ordnung anerkannt. Das Gewaltenmonopol soll dabei sicherstellen, dass die einzige legitime Gewalt innerhalb des Staates die bleibt welche das System schützt und stützt.
Sie ist also als eine kollektivistische Gewalt zu betrachten.
Sie wird vom Kollektiv legitimiert und handelt mit der Sinnrichtung das Kollektiv vor dem Individuum zu schützen.
Aber auch eine Art der individualistischen Gewalt ist im Staatskonstrukt verankert, der Selbstschutz. Das Individuum hat das Recht darauf in erster Linie die eigene Person vor physischen und psychischen Angriffen mit Zuhilfenahme angemessener Mittel zu schützen.
Und hier wird es interessant, denn der persönliche Schutz stellt den Knackpunkt anarchistischer Gewaltausübung dar. Denn bisher war die Dissonanz zwischen Worten und Taten verschiedener Anarchist*innen zum Thema Gewalt bestechend und wird fortwährend diskutiert.

„Müßte man, um zu siegen, auf öffentlichen Plätzen Galgen errichten, so will ich lieber untergehen.“
– (Errico Malatesta)

  1. Wie lässt es sich vereinbaren bewaffnete Aufstände zu führen aber gleichzeitig in seinen Schriften an der Theorie der zwingenden Vereinbarkeit von Mittel und Ziel festzuhalten, laut der die genutzten Mittel niemals konträr zum gewünschten Ziel gewählt werden sollten?
    Dem gehen wir jetzt auf den Grund.
    Der Anarchismus stützt sich auf selbstbestimmte Individuen deren ureigenstes Recht darauf beruht, dass ihm als Mensch kein anderer Mensch etwas gegen den eigenen Willen antut. Das Individuum ist sowohl psychisch als auch physisch nicht zu verletzten. Bereits Kant hat festgestellt, dass „die Freheit des Menschen dort endet wo die des anderen beginnt“ und der Selbstschutz mit verhältnismäßigen Mitteln ist die stringente (= logische) Konsequenz dieser Idee.
    In einer Gesellschaft in der strukturelle Gewalt die Rahmenbedingungen stellt wird die Dilemmasituation bewusst, denn durch Gesetze und den gesellschaftlichen Rahmen entsteht eine Situation von unpersonalisierter Gewalt (= Gewalt, welche nicht direkt zwischen zwei Individuen entsteht sondern ohne konkreten persönlichen Konflikt, obligatorisch gegenüber allen ausgeübt wird). Diese Gewalt wiederum kann ausgeübt werden, ohne dass der geschädigte Mensch direkte Verteidigungshandlungen vornehmen kann. Die strukturelle, unpersönliche Gewalt verhindert bzw. erschwert die Selbstverteidigungshandlung zu gunsten des zu erhaltenden Staatskonstruktes.
    Was nun tun?
    Wie schützt sich das anarchistische Individuum ohne die Mittel/Ziel Kongruenz (=Deckungsgleichheit, bzw. Entsprechung) zu verletzen? In unserer Analyse nimmt der Sachverhalt der strukturellen Gewalt den besonderen Wendepunkt ein.
    Stellen wir uns vor, eine protofaschistische Partei ist im Begriff den politischen Diskurs derart zu beeinflussen, dass die strukturelle Gewalt beginnt die persönliche Unversehrtheit zu tangieren. Faschistische Tendenzen steigen an, Rassismus und anderes diskriminierendes Gedankengut wird in Gesetzen verankert und obwohl die angesprochene Partei möglicherweise niemals selber personalisierte Gewalt ausgeübt hat, ist die Selbstverteidigungshandlung nicht mehr möglich wenn der Diskurs bereits verschoben wurde. Um also angemessen und verhältnismäßig auf die Angriffe gegenüber der persönlichen Freiheit reagieren zu können, muss in diesem Falle vorgebeugt werden. Dabei darf nie vergessen werden, dass Gewalt niemals Selbstzweck sein darf.
    Nazis boxen ist im anarchistischen Modell keine Angriffshandlung sondern eine Form der Verteidigung in der die Gewalt darauf gerichtet sein muss die eigene Freiheit bis zum Rande der Freiheit des Gegenübers zu verteidigen und keinen Schritt weiter.
    Malatesta machte einst klar, dass wir als Anarchist*innen nie den Anspruch haben können zu richten, es muss unsere Aufgabe sein durch große Taten auf zu zeigen was möglich ist. Die große Tat besteht hier darin eine klare Grenze zu ziehen.
    Wir sollten uns nicht dazu erheben über Menschen und ihre Lebensentwürfe zu richten aber mit allen MItteln unsere persönliche Freiheit vor Eingriffen gegen unseren Willen zu schützen.
    Gewalt ist nicht schön, ich verachte Gewalt.
    Aber die Ausübung der selbigen ist legitim. Dies zu verneinen wäre eine Lüge.

AfD drittstärkste Kraft – wie geht’s weiter?

Ein Gastbeitrag von Oliver Kube

Nach dem Wahlerfolg der AfD überschlagen sich die Reaktionen im Alltag, in der Politik und in den sozialen Medien. Während die einen sich schon halb im „Vierten Reich“ wähnen, setzen andere darauf, dass sich die AfD schon „irgendwie von selbst“ erledigen würde. Doch Hysterie hilft nicht, Verharmlosung auch nicht. Der Abgang von Frauke Petry und Markus Pretzell sowie die Spaltung der AfD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern mögen zu Spott und Häme einladen, sind aber noch gewiss kein Grund zu jubeln. In der Vergangenheit hat weder die Abspaltung des national-marktradikalen Flügels um Bernd Lucke noch die zeitweilige Spaltung der Landtagsfraktion in Baden-Württemberg der AfD geschadet. Ganz im Gegenteil, sie hat letztlich davon profitiert – und sitzt nun als drittstärkste Kraft im Bundestag. Das beschert ihr nicht nur Einfluss im Parlament, sondern auch Geld, Angestellte und Wahlkreisbüros sowie mehr Selbstvertrauen für ihre menschenfeindliche Politik in Wort und Tat.

Mit AfDlern diskutieren?

Soll man mit AfD-Anhänger*innen, Rassist*innen, Antisemit*innen, Sexist*innen diskutieren? AfD-Gegner*innen debattieren diese Frage sehr kontrovers. Ich beantworte sie mit einem klaren „Kommt drauf an“. Zunächst muss klar sein, was mit „diskutieren“ gemeint ist: Wir verhandeln nie und nirgends „ergebnisoffen“, ob Flüchtlingsunterkünfte anzuzünden oder den Schießbefehl nicht vielleicht doch in Ordnung wäre. Sondern wenn wir überhaupt mit einem AfDler diskutieren, dann erklären und begründen wir, warum wir seine Ansichten für grundverkehrt halten. Diskutieren kann sich hier nur lohnen, wenn die andere Person offen für Argumente ist. Wir werden – selbst mit den besten Argumenten – nur eine begrenzte Zahl an Personen erreichen oder gar überzeugen können. Das sind meist Menschen, die ideologisch noch nicht zu tief im blau-braunen Sumpf stecken. Zudem stößt jede Aufklärung dort an ihre Grenzen, wo sie auf ein wirtschaftliches oder politisches Interesse prallt. Funktionär*innen, Mandatsträger*innen und Kandidat*innen der AfD werden kaum ein Interesse daran haben, sich überzeugen zu lassen, denn sie profitieren von ihrer politischen Funktion in der AfD. Es kann auch auf die konkrete Situation ankommen: Wer auf eine Demo geht, möchte seine Ansichten nicht ändern, sondern sie aktiv nach außen tragen. In einer anderen Alltagssituation ist es jedoch zumindest theoretisch denkbar, dass eine Person für inhaltliche Kritik zugänglicher ist. Wenn wir das im persönlichen Gespräch feststellen, dann kann es sich durchaus lohnen, sich auf die Diskussion einzulassen. Denn wenn wir es schaffen, jemanden von seinen rassistischen, antisemitischen und/oder sexistischen Ressentiments abzubringen, dann ist der*die Rassist*in, Antisemit*in und Sexist*in nämlich wirklich weg – und nicht nur woanders.

Es ist jedoch eine Illusion zu glauben, man könne die AfD bekämpfen, indem man mit ihr gemeinsam auf Podiumsdiskussionen oder in Talkshows geht, um sie dort zu „demaskieren“ zu können.

  1. Es gibt es bei der AfD nichts mehr zu demaskieren, sie haut ihre Ideologie und Absichten ja ständig selbst raus.
  2. Stärkt, normalisiert und legitimiert man die AfD, wenn man ihr eine öffentliche Plattform für ihre Hetze bietet.
  3. Podiumsdiskussionen und Talkshows sind nicht dafür geeignet, eine fundierte Kritik anzubringen. Die Zeit reicht höchstens für Parolen und polemische Zuspitzungen.
  4. Menschen, die wirklich eine fundierte Kritik an der AfD formulieren könnten, werden kaum auf’s Podium oder vor die Kamera gesetzt.
  5. Wir haben am Wahlabend gesehen, wohin diese Strategie des „Integrierens“ der AfD durch die Medien im Wahlkampf geführt hat.

Falsche Argumente weglassen, richtige Argumente verwenden

Das Paradebeispiel für ein falsches Argument gegen die AfD ist die Aussage: „Die AfD ist eine Schande für Deutschland“. Wer so redet, nimmt einen nationalistischen Standpunkt ein und beurteilt die AfD nach dem Kriterium, was sie zum Ansehen der Nation beiträgt. Im Umkehrschluss heißt das: Rassismus, der dem Ruf Deutschlands nicht schadet, wäre in Ordnung. Und so sieht auch die herrschende Politik aus: Unterkünfte anzünden schadet dem nationalen Ansehen, die Leichen im Mittelmeer (offenbar) nicht.

Ein richtiges Argument gegen Nationalismus, also die Grundlage für die Ideologie der AfD (ob auch anderer Parteien, dürfen die Leser*innen selbst beurteilen) wäre: Der Erfolg Deutschland basiert vor allem auf dem wirtschaftlichen Erfolg (Profit) deutscher Unternehmen. Dieser wiederum setzt die möglichst effiziente Ausbeutung der abhängig Beschäftigten voraus, denn je niedriger die Löhne und Gehälter, desto höher der Profit, von welchem alles andere (z.B. auch die Steuereinnahmen des Staats) abhängt. Rente, Arbeitslosengeld und andere „Sozialleistungen“ belasten den Staatshaushalt unmittelbar. Das heißt, der Erfolg der erwerbsabhängigen und erwerbslosen Bevölkerung mindert den Erfolg der Nation. Wer – als „Nicht-Eigentümer“ von Produktionsmitteln – den Erfolg Deutschlands zu seinem persönlichen Anliegen macht, treibt also letztlich seine eigene Schädigung voran.

Der Gegenpol zum Nationalismus der AfD ist keineswegs ein angeblich „bunter Patriotismus“ (der genauso die Einteilung in das nationale „Wir“ und „die anderen“ kennt, auch wenn er in freundlicherem Gewand daherkommt), sondern eine Absage an die Nation selbst.

Widerstand ist notwendig

Doch der Staat ist kein Debattierclub, sondern politische Gewalt. Die AfD gewinnt immer mehr Einfluss darin, während die anderen Parteien dabei sind, ihre asylpolitischen Forderungen zum Teil schon in die Tat umzusetzen (Abschiebe- und Abschottungspolitik). Täglich sind Migrant*innen, Menschen muslimischen oder jüdischen Glaubens, Homosexuelle, Transmenschen*, Geflüchtete und auch Linke Angriffen von rechts ausgesetzt. Diese Situation verschärft sich, je weiter der gesellschaftliche Rechtsruck fortschreitet und je stärker die AfD ist. Unabdingbar ist die strömungsübergreifende Solidarität bei solchen Angriffen, ohne wenn und aber. Umso erschreckender, dass dies leider nicht selbstverständlich ist, wie der Fall Sarah Rambatz zeigt.

Wenn die politische Linke in Deutschland das nicht gebacken bekommt, kann sie gleich kapitulieren. Ebenso wichtig ist, im Zuge konkreter Aktionen gegen die AfD die Streitigkeiten untereinander für einen Tag ruhen zu lassen und sich weder von der Polizei, noch von der Presse und schon gleich gar nicht von der AfD selbst gegeneinander aufhetzen lassen – etwa in der Frage nach der geeigneten Aktionsform. Doch selbstverständlich müssen wir über Strategien und Aktionsformen diskutieren. Ob man nun die Hälfte oder „nur“ ein Drittel der künftigen AfD-Bundestagsfraktion als Nazis bezeichnen kann und wie weit die AfD auf dem Weg hin zu einer faschistischen Partei schon fortgeschritten ist, sei an dieser Stelle mal offen gelassen: So oder so können wir es uns nicht leisten, dass jeder sein identitätspolitisches Selbstbestätigungs-Süppchen kocht, sondern wir müssen in Fragen der Analyse und Strategie um die besten und wirkungsvollsten Ansätze streiten.

Ich sehe den zivilen Ungehorsam als eine der wirksamsten Methoden zur Bekämpfung von rechtsradikalen Umtrieben, ob Nazis, AfD oder Pegida. Warum? Ganz einfach, weil er Wirkung zeigt. Der jährliche Nazi-Aufmarsch in Dresden ist dank mehrerer erfolgreicher Blockaden innerhalb weniger Jahre in sich zusammengeschrumpft. Mehrere lokale Pegida-Bündnisse haben sich aufgelöst – ebenfalls nachdem Gegendemonstrant*innen die rechten Aufmärsche blockiert hatten. Ein AfD-Landesparteitag in Esslingen wurde gar abgesagt, nachdem einerseits ein großes, bunt gemischtes Bündnis zur Gegendemonstration rief und die Stadt andererseits militante Antifa-Aktionen befürchtete. In Heidelberg haben sich Aktivist*innen in eine AfD-Veranstaltung geschleust und diese durch kontinuierliche Sprechchöre schlichtweg unmöglich gemacht.

Dort, wo der AfD entschlossener und breiter Widerstand entgegenschlägt, fällt es ihr schwerer, Strukturen aufzubauen und sich breit zu machen. Dort wo man sie unter dem Deckmantel der Toleranz „einfach machen lässt“ (wie manche besonders geschichtsvergessene Zeitgenoss*innen ja propagieren), breiten sie sich ungehindert aus und machen denen, die in ihr Feindbild passen, das Leben zur Hölle.

Natürlich ist ziviler Ungehorsam nicht das Allheilmittel, sondern muss Teil einer Gesamtstrategie sein, zu der beispielsweise auch Zivilcourage und Solidarität im Alltag sowie Öffentlichkeitsarbeit gehören müssen. In dem Vortrag „AfD drittstärkste Kraft – wie geht’s weiter?“ werden die in diesem Artikel genannten Punkte vertieft, weitere Argumente und strategische Ansätze beleuchtet und natürlich anschließend zur Diskussion gestellt.

 

No Border, No Nation

Auf den Demos hört man immer wieder den Ruf „No Border, No Nation – Stop Deportation“. Für viele mag das nur eine Parole sein, dahinter verbirgt sich aber mehr.  Es enthält Kernaussagen anarchistischer Denkweise. Natürlich ist diese Parole nicht der Weisheit letzter Schluss, aber schauen wir uns doch mal an, was genau damit gemeint ist.

 

Wir beginnen mit dem letzten Teil der Parole: „Stop Deportation“ Eigentlich recht simpel: hier wird die Abschaffung aller Abschiebungen gefordert. Dies ist der wohl praktischste Teil des Slogans. Immer noch werden „illegale“ Menschen abgeschoben. Immer noch werden Länder willkürlich zu „sicheren“ Staaten erklärt. Immer noch sterben Menschen. Nur weil ein Innenminister Afghanistan für sicher befindet, werden in dieses kriegsgebeutelte Land Menschen abgeschoben. Aus einer privilegierten Lage heraus wird entschieden wer es verdient hat in diesem Land zu bleiben und wer nicht. Die praktische Umsetzung solcher Forderungen sind immer öfter zu beobachten: Leute aus dem Umfeld, die sich für von Abschiebung bedrohte Menschen einsetzen; Blockierung von Abschiebeflügen; öffentlichkeitswirksame Initiativen vom Flüchtlingsrat oder ähnlichen Institutionen. Solche Aktionen sind notwendig in diesen heutigen Zeiten, in einer Welt in der „No Border, No Nations“ gilt, wären sie aber überflüssig.

 

Alle Grenzen weg! Sofort! Es wäre zu schön, wenn  diese Forderung sofort umgesetzt werden könnte. Aus Sicht des Staatsapparats sind Grenzen aber zur eigenen Machtsicherung unerlässlich. Dabei muss man auch im Hinterkopf behalten, dass blutige Kriege geführt wurden, um Grenzen zu sichern und zu erhalten. Grenzen waren schon immer ein wichtiger Faktor bei der Selbstbestimmung selbsternannter Patriot*innen. Der Stolz auf sein Heimatland ist eine zutiefst irrationale Angelegenheit, vor allem vor dem Hintergrund der kulturellen und sprachlichen Unterschiede. Schwaben und Rheinländer*innen sind zwar per definitionem beides Deutsche, könnten aber nicht unterschiedlich sein. Als zwangskollektivierender Faktor muss deshalb die Nationalität herhalten. Es wird sich auf vermeintlich positive Dinge bezogen, die kulturellen Errungenschaften hervorgehoben (Das Land der Dichter und Denker) und negative Dinge einfach ausgeblendet (Das Land der Richter und Henker).

Künstlich geschaffene Grenzen in einer globalisierten Welt sind jedoch ein Paradigma. Während es für reiche Menschen kein Problem ist Grenzen zu überwinden, trifft es vor allem arme und marginalisierte Menschen. Während Deutsche in der Türkei Urlaub machen, ist es Flüchtlingen untersagt die Türkei zu verlassen. Jede Person, die ihnen hilft, wird mit strenger Strafe bedroht. Deshalb müssen Flüchtlinge auf gefährliche und oftmals tödliche Routen zurückgreifen. Schlepper*innen verdienen sich eine goldene Nase daran und nehmen den Tod von Menschen lächelnd in Kauf. Sie sind das Produkt einer Abschottungspolitik, die auf kapitalistischer Verwertungslogik basiert. Hast du Geld, darfst du rein; bist du arm, bleibst du draußen. Die Grenzen dienen heute also vor allem als Sicherung des eigenen Wohlstands und nicht mehr zur Sicherung von äußeren Feinden.

Es gibt bekanntlich Ausnahmen. Das prominenteste Beispiel dürfte wohl Israel sein. Denn dort sind tatsächlich noch äußere Feinden vorhanden, die seine Bewohner am liebsten heute statt gestern tot sehen wollen würden. Aus der anarchistischen Perspektive ist auch diese Grenze eine künstlich geschaffene und trennende Einheit, sie ist jedoch in der heutigen Zeit, in der (Vernichtungs)antisemitismus immer noch existiert, leider (noch) eine reine Notwendigkeit als Schutzmaßnahme. Wir hoffen, dass diese irrige Weltanschauung irgendwann verschwindet und auch diese Grenzen nicht mehr existieren muss. Die Solidarität gilt hier also den Menschen als marginalisierte Gruppe, die ohne den Schutzraum Verfolgung ausgesetzt wäre. Dies ist eine direkte Konsequenz aus der Shoa.

Natürlich können wir nicht darauf hoffen, dass morgen alle Grenzen verschwinden. Aber für unsere Träume lohnt es sich zu kämpfen. Auf dass das Morden an den Außengrenzen aufhört, jede*r seinen Wohnort selbst wählen kann und Herr*in über sein eigenes Schicksal wird.

 

Der letzte Teil der Demoparole fordert, dass es keine Staaten mehr gibt? Wie soll das gehen? Wir leben doch in Deutschland und können doch nicht behaupten, dass es  keinen Unterschied zu bspw. Saudi-Arabien gibt? Natürlich will niemand Saudi-Arabien und Deutschland heute noch verschmelzen lassen (Islamisierung!). Bestimmte kulturelle und sprachliche Unterschiede lassen sich nicht von heute auf morgen auflösen. Ob es gewollt ist ALLE Unterschiede aufzulösen, ist auch noch eine andere Frage. Als allererstes geht es darum Staatskonstrukte aufzulösen. Diese sind, ebenso wie Grenzen, zur Machterhaltung und -erweiterung gedacht. Wir erleben es gerade in Katalonien. Fühlt sich der Staat bedroht, schickt er seine Prügelcops vor, um nicht seine Herrschaftsansprüche zu verlieren. Die Staaten an sich sind nicht faschistisch, doch ein Rückfall in die dunkelsten Zeiten kann immer wieder vorkommen, wenn der Staat sich bedroht sieht.

Viele werden hier einwerfen, dass man ohne Exekutive, Judikative und Legislative nicht überleben kann.  Dass es ohne bestimmte Regeln nicht geht, versteht sich von selbst. Auch dass es eine bestimmte Art von Verwaltung geben muss, ist klar. Wir sind aber dann doch so daran gewöhnt, dass es einen Staatsapparat gibt, der all das vorgibt. Zwar sind wir in der parlamentarischen Demokratie an der Willensbildung beteiligt, dies beschränkt sich jedoch auf das Wählen bestimmter Parteien. Zwar kann jeder in einer Demokratie sich miteinbringen, der Erfolg hängt jedoch von wesentlich mehr ab als dem eigenen Programm. Radikale linke Politik wird sich kaum durch die parlamentarische Demokratie durchsetzen.

Wie sieht also die Alternative aus? Anarchosyndikalistische Gruppen wie in Katalonien unter der CNT oder in Deutschland nach der Novemberrevolution beantworten dies mit einem revolutionären Konzept. Selbstverwaltung, direkte Einflussnahme in Entscheidungen, Basisdemokratie,  Reformen zum Wohle aller stellen dabei die Hauptpfeiler dar. Leider waren diese Konzepte nicht von allzulanger Dauer, wurden sie doch von außen zerschlagen. Zumindest zeigt uns dies aber, dass es eine probate Alternative gibt.

Ein Staatsapparat ist nicht zwangsläufig nötig. Vielleicht hängen wir auch nur zu sehr an dem Konzept der parlamentarischen Demokratie fest, da uns dies von klein auf beigebracht wurde. Es stellt ja auch eine gewisse Erleichterung dar, wenn man weiß, dass sich Papa Staat um alles kümmert. Nur wenn man sich aktiv mit dem auseinandersetzt, was den Staat ausmacht und was für ein Gesicht er zeigt wenn er herausgefordert wird, kann man schon auf den Gedanken kommen, dass die Ansprüche des Staats nicht der Realität hinterherkommen.

 

Es bleibt erstmal eine Utopie, ein Wunschtraum: „No Border, No Nation.“ Aber alles war erstmal ein Traum, bis es Realität wurde. Wir träumen und kämpfen weiter. Das Ziel ist eine Welt, in der Staatsgrenzen und Staaten in ihrer heutigen Form und Definition nicht mehr notwendig sind. Man darf nicht so blauäuigig sein und denken, wenn wir sofort alle Staaten und Grenzen auflösen, wäre das Ziel erreicht. Im Gegenteil, „no border, no nation“ meint etwas viel Größeres. Es meint eine Welt und künstliche und trennende Kollektivzuschreibungen, eine Welt ohne Diskriminierungen, seien sie nun direkt oder strukturell. Es ist der Traum von der befreiten Gesellschaft, in der wir alle gleichgestellt sind und Staaten und Grenzen schlichtweg nicht mehr brauchen. Diese Parole soll nicht nur auf Demos erklingen, sondern praktisch werden. Wir zeigen uns solidarisch mit allen, die Geflüchteten helfen Grenzen zu überwinden; jede*m, der/die Alternativen zu diesem System entwickelt; jeder Person, die nicht nur die Parole brüllt, sondern dies im Bewusstsein tut mehr erreichen zu wollen. In einer Welt, in der Menschen immer noch dank Frontex sterben oder dank staatlich-kapitalistischer Interessen marginalisiert werden, gilt es praktische Alternativen zu entwickeln und umzusetzen. Es gilt sämtliche diskriminierenden Strukturen anzugreifen – auch bei sich selbst. Der Kampf für die befreite Gesellschaft ist kein einfacher, im Gegenteil. Aber was sollen wir tun, wenn nicht die Utopie aufzeigen, wie es sein könnte? Und uns dafür einsetzen, dass sie ein Stück näher kommt

AfD in Templin

Am 8. September möchte die AfD in Templin ein Sommerfest feiern. Wir, eine kleine Gruppe von Antifas, finden das zum kotzen. Erst treibt die AfD den Rechtsruck in Templin voran und dann wollen sie hier noch feiern. Wir merken seit dem ersten Auftreten der AfD in der Stadt den Wandel, die Nazis werden aggressiver, rechte Straftaten nehmen zu – die Akzeptanz wächst jedoch. Nach Auftritten der AfD geht auch der Dritte Weg auf Stimmenfang, der Kandidat der AfD posiert Hand in Hand mit Neonazis, rechten Esoterikern und Verschwörungstheoretikern. Dazu kommen noch Gauland und Kalbitz die das Problem nur verstärken. Wir wollen dieses Sommerfest rassistischen Gedankenguts stören, jedoch sind wir zu wenig um wirklich ein Zeichen zu setzen. Deshalb hoffen wir auf eure Unterstützung! Kommt am 8. September nach Templin und helft uns das Fest zum Alptraum werden zu lassen.

Treffpunkt: 8. September/ 18 Uhr/ Templin Bahnhof

Deontologische und teleologische Ethik und ihre Anwendung im antifaschistischen Bereich

Bei der Überschrift werden sich viele radikale Linke wohl fragen was das mit dem Antifaschismus zu tun hat. Kritiker*innen werden uns ohnehin vorwerfen Antifaschist*innen würden grundsätzlich nicht nach ethischen Gesichtspunkten handeln. Ein Vorwurf, der sich leicht entkräften lässt, wenn man sich ein wenig mit Ethik und ihren verschiedenen Standpunkten befasst.

Deontologie und Teleologie – wtf?

Es gibt deontologische und teleologische (wird heutzutage eher als Konsequentialismus bezeichnet) Handlungsethiken. Bei einer teleologischen Handlungsmaxime wird die Handlung alleine nur am Erwirken eines bestimmen Ziels bemessen, während bei der deontologischen Ethik („Pflichtethik“) vor allem die Handlung an sich bewertet wird. Teleologisches Handeln zeichnet sich dadurch aus, dass kein Handeln ausgeschlossen werden kann, solange es der Erfüllung des Zwecks dient. Handlungsweisen können deshalb nach deontologischer Sichtweise in verschiedenen Kategorien nach „gut“ oder „schlecht“ qualifiziert werden. Aus deontologischer Sicht hingegen werden bestimmte Handlungsweisen von vorneherein als schlecht qualifiziert werden können, da sie einer vorher bestimmten Regel zuwiderlaufen.

Ein klassisches praktisches Beispiel: Ein volles Flugzeug wurde entführt. Terrorist*innen drohen damit mit den Tausenden von Passagieren in ein bewohntes Gebiet hineinzufliegen. Angeblich haben sie sogar noch Sprengkörper an Bord, die den Vernichtungsradius noch deutlich erhöhen würden. Nur diese Dinge sind bekannt, eine Kontaktaufnahme mit den Entführer*innen nicht mehr möglich. In wenigen Minuten werden sie ihr Ziel erreicht haben. Was also ist zu tun?

Zieht man die beiden oben genannten ethischen Aspekte in Betracht gibt es eine Bandbreite von Handlungsoptionen. Menschen, die aus teleologischen Aspekten handeln, könnten das Flugzeug abschießen lassen und trotzdem diese Handlungsweise als gut rechtfertigen, da somit deutlich weniger Tote in Kauf genommen werden als wenn das Flugzeug im Wohngebiet zum Absturz gebracht worden wäre. Selbst wenn im Nachhinein entdeckt wird, dass keine Sprengkörper an Bord waren, könnte es aus teleologischer Sicht als gut gerechtfertigt werden, da vorher nur anzunehmen war, dass sich tatsächlich Explosionsmittel an Bord befanden. Aus deontologischer Sicht hingegen können bestimmte Handlungen von vorneherein als schlecht qualifiziert werden. Wenn beispielsweise das Gebot „Du sollst nicht töten“ als Handlungsmaxime ausgegeben wird, wäre das Abschießen des Flugzeugs aus dieser Sicht grundsätzlich schlecht. Es könnte nur Schadensbegrenzung betrieben werden, beispielsweise durch Evakuierung des Gebiets.

Deontologische Ethiker*innen legt also Wert darauf welche Maxime für sie gilt und ordnen dem auch das Ziel unter, während Teleolog*innen moralisch flexibler sind. Solange das angestrebte Ziel erreicht wird, können auch scheinbar grausame Taten gerechtfertigt werden. Auch der Hedonismus oder der Machiavellismus lassen sich unter der Teleologie zusammenfassen. In der modernen Ethik-Diskussion werden aber sehr wohl auch Aspekte allgemeines Moralverständnis wie die Wahrung der Menschenwürde mit einbezogen. Handeln wird also nach den Jünger*innen dieser Strömung nur dann auch als nicht schlecht qualifiziert, wenn sie bestimmte Grundkriterien erfüllt.

Was hat das jetzt mit Antifaschismus zu tun?

 Wir erleben immer wieder in Diskussionen verschiedene Sichtweisen. Gerade bei umstrittenen Themen wie z.B. der Militanz-Debatte gibt es immer wieder heftige verbale Auseinandersetzungen. Dabei kann es doch recht einfach sein. Bedienen wir uns doch der oben genannten ethischen Prinzipien. Menschen, die grundsätzlich Gewalt ablehnen, werden Militanz nicht billigen. Sie sind leicht als Deontolog*innen identifizierbar. Es kann in einer Debatte deshalb nur darum gehen, dieses Prinzip der Gewaltlosigkeit an sich anzugreifen. Würde diese Person mit einer ethisch deontologischen Sichtweise denn auch weiterhin gewaltfrei bleiben, wenn er direkt angegriffen wird? Inwiefern unterscheidet sich die Selbstverteidigung gegenüber einem präventiven Angriff auf Faschisten, behält man im Hinterkopf, dass sie aufgrund ihrer faschistischen Ideologie grundsätzlich gewaltbereit gegenüber Andersdenkenden sind?

Menschen mit teleologisch geprägter Sichtweise dürften eher positiv zur Militanz stehen. Der Zweck heiligt die Mittel. Faschist*innen, die mit gebrochener Nase im Krankenhaus liegen, werden keine Angriffe auf Migrant*innen in dieser Zeit verüben können. Wenn ihre Autos brennen, werden sie keine Möglichkeit haben – vor allem in der Provinz – zu Treffen zu fahren, an Aktionen weiter weg teilzunehmen, etc. Dies darf jedoch nicht zu einem reinen Gewaltfetisch verkommen. Was davon abhalten kann, ist das allgemeine Moralverständnis. Der Kampf um die befreite Gesellschaft darf nicht über Gulags führen.

Die Schwierigkeit liegt also für ethisch-orientierte Antifaschist*innen darin nicht die Mittel dem Zweck völlig unterzuordnen und bestimmte Grundprinzipien aufrechtzuerhalten. Welche das genau sind und wie diese zu erreichen sind, wird in den verschiedenen radikalen linken Gruppen ausgiebig diskutiert. Gruppen mit unterschiedlicher Prägung werden dazu auch unterschiedlich Antworten finden. Wo andere nicht vor Mord oder Internierungslagern zurückschrecken, werden andere wiederum vor Waffeneinsatz – selbst als Selbstverteidigung – zurückschrecken.

Was heißt das nun für uns?

 Es muss ein Mittelweg gefunden werden. Aus unserem Selbstverständnis heraus, aus dem wir weder Mao noch Stalin feiern, aber durchaus zum #TeamNzsBxn gehören, ist ein Militanz ein Mittel des Antifaschismus. Es ist gewiss nicht das einzige oder gar immer das beste Mittel. Aber in ihrer Ideologie gefestigte Faschos verstehen teilweise keine andere Sprache. Sollte man aber direkt bei jede*m 12-Jährigen, der aus Provokation Hitler-Witze reißt, ein solch ideologisch gefestigtes Weltbild annehmen? Wo liegen die Grenzen? Wer bestimmt dies?

Eine genaue Trennschärfe ist da schwierig. Die Fragen müssen aber gestellt werden. Ab wann verkommt der Antifaschismus zum bloßen Gewaltfetisch und wann ist die Militanz ein probates Mittel? Insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Repression und der Diskreditierung der Bewegung sollte sich jede*r diese Frage stellen.

Warum ich nicht mehr wählen gehen werde

Bislang war ich bei jeder Wahl. Immer brav Kreuzchen gemacht und gespannt auf das Wahlergebnis gewartet. Dabei hab ich noch nie geglaubt, dass die Wahlen tatsächlich etwas ausrichten. Woran das liegt? Parlamentarismus war für mich immer nur ein Ausgeburt von faulen Kompromissen und leeren Versprechungen. Es ging mir immer nur darum das kleinere Übel zu wählen. Zuerst die NPD und andere Rechte und inzwischen die AfD zu verhindern.  Continue reading Warum ich nicht mehr wählen gehen werde

Linksradikaler Uweltschutz – Probleme und Perspektiven

In der Vergangenheit haben wir bereits einen Text anlässlich des Animal Right Days über Fleischkonsum veröffentlicht (https://rambazamba.blackblogs.org/2017/06/04/animal-rights-day/). Doch nur bei der Reflektion über seinen eigenen Fleischkonsum darf es nicht bleiben. Die Erde erlebt schwierige Zeiten: die Pole schmelzen, immer mehr Schadstoffe werden rausgeblasen, unsere Mitbewohner*innen auf der Erde sterben – und der Mensch stört sich kaum daran.

Vorwort

Die Linken haben sich in der vergangenen Zeit verstärkt mit wichtigen Themen auseinandergesetzt. Der Rechtsruck in der ganzen Welt, Migration, der Kampf gegen Kapitalismus und Repression sowie für die befreite Gesellschaft – dies sind alles Themen, die in der (linken) Öffentklichkeit eine große Rolle einnehmen.

Ein klassisches linkes Thema fällt dabei aber neuerdings immer wieder hintenrüber – der Umweltschutz. Dabei war dieses Thema mal einer der Leitgedanken, der in Deutschland in einer linken und grünen Partei kummulierte.

Seitdem sich diese Partei gründete, ist viel passiert. Es wurden auch einige Fortschritte in der Umweltpolitik gemacht – auch auf internationaler Ebene. Dies ist auch in den Zeiten von Klimawandel, Artensterben, Massentierhaltung, Fukushima-Katastrophe, Diesel-Skandal, erhöhtem CO²-Ausstoß, Massentierhaltung etc. nötig.

Rechte und der Umweltschutz

Auch Rechte machen sich dieses Thema zugänglich. Dieses Thema wird positiv von völkischen Rechten aufgenommen wird à la „Umweltschutz ist Heimatschutz“. Dahinter verbirgt sich jedoch nicht ein primäres Interesse am Umweltschutz, sondern eine „Blut und Boden“-Ideologie. Rasse und ihr angeblich angestammtes Siedlungsgebiet verschmilzt hier zu einer überhöhten Einheit. Gerade von Neuen Rechten wird diese Ideologie wieder neu aufgenommen.

Anders sieht es bei neoliberalen Rechten wie Trump und der AfD  aus. Diese leugnen den Klimawandel und Trump gefährdet wissentlich wichtige globale umweltpolitische Ziele. Er steigt aus dem Klimaabkommen aus ohne Folgen fürchten zu müssen. Dafür schiebt er wirtschaftliche Belange vor, da angeblich das Klimaabkommen die Wirtschaft der USA behindert. Gleichzeitig stehen VW-Manager wegen der Diesel-Manipulationen unter Anklage. Aber auch in anderen Ländern mit stramm rechten Regierungen wird der Umweltschutz nicht wirklich ernst genommen.

Alle rechten Ideologien übersehen dabei aber das Umweltschutz nicht an den Landesgrenzen aufhört. CO² oder ein nuklearer Störfall werden sich nicht an den Landesgrenzen in Luft auflösen. Umweltschutz kann nur global angegangen werden. Dies ist zwar eine Binsenweisheit, wird aber nicht von allen so verstanden. Denn selbst wenn der Klimawandel nicht so schlimm ist wie angenommen oder die Massentierhaltung verbessert wird, in einer Welt mit besserer Luft sowie ohne Naturkatastrophen und ohne Massentierhaltung würde es allen besser gehen.

Linke Realitäten und Lösungen

Auch wenn linke Umweltpolitik in der Vergangenheit viel bewegt hat und auch noch weiter bewegt, scheitert sie doch immer wieder an den Realitäten. Jahrelang wurde in Deutschland der Atomausstieg von linker Seite gefordert, umgesetzt hat es dann kurzerhand Merkel nach der Fukushima-Katastrophe. Ähnliche Beispiele lassen sich in der letzten Zeit häufiger finden. Nicht nur in Deutschland sind Parteien, die Umweltschutz groß schreiben, immer mehr in der Opposition und ihre Stimmen werden immer leiser. Die Erfolge, die auf die parlamentarische Arbeit solcher Parteien zurückzuführen sind, bleiben leider zu klein.

Auf linksradikaler Ebene tut sich da schon mehr. Aktionen von „Ende Gelände“ oder anderen zeigen eine spannende Perspektive auf. Auch „alte“ Aktionen wie Proteste gegen Castortransporte zeigen immer noch einen hohen Zulauf. Da muss auch der Weg wieder hingehen. Der Planet lässt sich leider nicht damit retten, wenn Parlamentarier*innen weiter halbherzige Kompromisse schließen. Radikale Lösungen bringen da deutlich mehr.

Auch bürgerliche können sich dieser Form von Protesten anschließen. Militant ist nicht jede Form von radikalen Umweltprotesten, wirksam sind sie aber alle. Sie erregen Aufmerksamkeit, inspirieren andere mögliche Protestierenden und agitieren für die Sache.

Denn da muss es letztlich wieder hingehen – sich verlassen auf die parlamentarische Lösung funktioniert nicht; die Dinge müssen in die eigene Hand genommen werden. Radikaler Protest ist in den heutigen Zeiten bei diesem Thema umso mehr nötig. Überlassen wir dieses wichtige Thema nicht mit einem Achselkzucken den Rechten oder anderen. Dieses Thema muss wieder als das entdeckt werden, was es ist – ein traditionell linkes Thema.

Amerika und der Antifaschismus

Antifaschistische Gruppen haben in Europa eine lange Tradition. Dies liegt vor allem an dem europäischen Faschismus in der 30ern in Italien und Deutschland vor allem, dem ein direkter Konterpart entgegen gesetzt werden musste. In Amerika gab es zwar auch faschistische Bewegungen mit positivem Bezug auf Nazi-Deutschland in dieser Zeit, diese waren aber eher klein.

Hinzu kommt, dass Amerika zur damaligen Zeit selbst noch mehrheitlich rassistisch und diskriminierend gegenüber Minderheiten war. Die Rassentrennung war Alltag (auch nach der offiziellen Aufhebung 1964), ultrakonservative Politiker im Amt bestärkten diese noch. Gruppen wie der KKK hatten 6 Millionen Mitglieder. Gerade mal hundert Jahre zuvor war ja auch erst die Sklaverei abgeschafft worden.

Nennenswerte militante Gegenwehr gab es erst in den 60ern mit Gruppen wie der „Black Panthers Party“ oder „Nation of Islam“. Zwar gab es auch schon vorher Vorreiter der Bürgerrechtsbewegung wie Martin Luther King oder Rosa Parks. Auffällig dabei ist, dass sich alles rund um PoC dreht. Andere Themen wie Homophobie, Sexismus, etc. waren eher Randphänomene.

Jedoch unterscheiden sich die Gruppen eklatant voneinander, sowohl in der Ideologie als auch in der Umsetzung. Martin Luther King engagierte sich nicht-gewalttätig und eher agitatorisch. Er versuchte Diskriminierungen zu beseitigen. Die Black Panthers Party dagegen schreckte nicht vor Gewalt zurück. Sie war maoistisch ausgelegt, im weiteren Verlauf wurden aber auch nationalistische Thesen vertreten. Noch kruder wurde es bei der Nation of Islam, die eine Vorstellung von „Black-Supremacy“ mit einem aggressiven Islamismus verband. Daran zeigt sich schon wie unterschiedlich die Vorstellungen vom Kampf gegen Unterdrückung war.

Alle Bewegungen litten unter massiver Kriminalisierung und Verfolgung durch die Behörden. Hinzu kam die Ablehnung durch die mehrheitlich weiße Gesellschaft. Auch heutzutage müssen PoC in Amerika noch stark Alltagsrassismus erfahren.

Eine neue Welle der Diskriminierung kam durch die „Alt-Right“-Bewegung auf. „White Supremacy“ und andere Ideologien dürfen wieder offen gezeigt werden. Diese waren zwar nie verschwunden, jedoch trauten sich die meisten Anhänger nicht dies in Zeiten von „political correctness“. Dies änderte sich jedoch rund um die Zeiten der Wahl von Donald Trump. Rassistische Gruppierungen witterten Morgenluft und griffen offen Andersdenkende, PoC, Muslime, Juden, LGBTIQ*-Personen an und fühlten sich sicher.

Um diesem etwas entgegenzusetzen, bilden sich neuerdings verstärkt antifaschistische Gruppen. Diese stellen sich rassistischen „Rallies“ entgegen. Dabei kommt es des Öfteren zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit „Alt-Right“-Anhängern – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Der Antifaschismus ist also aus purer Notwendigkeit entstanden.

Das größte Ereignis dieser neuen antifaschistischen Bewegung in Amerika war wohl der Protest rund um die Vereidigung von Donald Trump. Antifaschistische Gruppen riefen zum Protest auf, der gewaltig ausfiel. Autonome Gruppen ließen ihrer Wut in den Straßen von Washington freien Lauf. Auch dort wurden wieder gewaltige Repressionsmaßnahmen durchgeführt. Aktivist*innen wurden zu 3 Jahren Haft verurteilt wegen „Vermummung, Sachbeschädigung und Angriffen auf Polizeibeamte“. Hier zeigt sich, dass der Staat keine Gnade zeigt, wenn es um Linke geht – woran uns das wohl erinnert.

Ideologisch zeigen sich einige Unterschiede, was sich jedoch historisch erklären lässt. Der antifaschistische Kampf in Amerika war immer auf Verteidigung ausgelegt und auf die Anti-Diskriminierungs-Agenda von Minderheiten. Eine vollständige ideologische Agenda gibt es nicht. Meist orientieren sich die Aktivist*innen eher an maoistischen/stalinistischen Ideen. Ausgeklügelte anarchistische Elemente – abseits des Sprühens des A – finden sich eher selten.

Dies muss jedoch auch ein Auftrag an amerikanische Aktivist*innen sein. Eine Selbstverteidigungshaltung ist gut und wichtig, dort darf es jedoch nicht aufhören. Auch ideologische Schulung und das Entwickeln einer tragfähigen Zukunftsvision gehören dazu. Dabei sollten sie jedoch darauf achten sich nicht in totalitären System zu verlieren, die sie ja gerade versuchen zu bekämpfen.

G20 – eine Nachbetrachtung

Wir wollen im Nachfolgenden anhand verschiedenerer Meinungen und Perspektiven ein Résumeé für die Proteste gegen den G20-Gipfel ziehen. Dafür haben wir 13 Thesen aufgestellt, zu der jede*r ihre/seine Meinung wiedergeben wird. Natürlich wird eine letztliche Antwort nicht möglich sein, doch nach den sich überschlagenden Ereignissen wollten wir auch für uns eine Klarheit schaffen. Klar ist: die Tage in Hamburg stehen für eine Zäsur. Für die Sicht der Außenwelt auf die radikale linke Szene und womöglich auch auf die radikale Linke untereinander. Kritik, auch untereinander, ist immer wichtig. Damit entsolidarisieren wir uns nicht von den einzelnen Akteur*innen generell, wollen aber auch eine kritische Perspektive einnehmen. 
Thesen
1. Grundsätzlich sind Proteste gegen den G20-Gipfel notwendig.
2. Eine (wie auch immer geartete) Eskalation war sowohl von Politik, Polizei als auch Demonstrierenden gewollt.
3. Die Polizei hatte niemals Interesse an einem Dialog mit der radikalen Linken und wollte wortwörtlich Blut sehen.
4. Die Inhalte der Proteste gegen G20 finden wegen der Ausschreitungen kaum Beachtung.
5. Die „Ergebnisse“ des Gipfeltreffens finden wegen der Ausschreitungen kaum Beachtung.
6. Die breite Öffentlichkeit hat sich auch vorher nicht für die Inhalte des Treffens und der Proteste interessiert.
7.  Die Ausschreitungen waren reiner Selbstzweck ohne politischen Hintergrund, ein Großteil der Randalierer*innen waren keine Linken.
8. Es muss jemand zur politischen Verantwortung gezogen werden.
9.Gipfel wie der G20 sind absolut unnötig.
10. Großstädte sind als Veranstaltungsorte solcher Gipfeltreffen ungeeignet.
11. Die Gewalt wurde von vornherein eingeplant, um von Seiten der Politik und der Polizei Wahlkampf zu machen.
12. Die Medien interessieren sich in den meisten Fällen nicht für Inhalte, sondern für spektakuläre Bilder.
13. Die Mehrheitsgesellschaft unterliegt einem massiven Doppelstandard und hat jetzt endlich wieder einen Grund, zum Teil menschenverachtend gegen alles (vermeintlich) linke zu hetzen.
ES: Erich Schwarz
TL: Tom Lewis
LS: Laura Stern
1. Grundsätzlich sind Proteste gegen den G20-Gipfel notwendig.
ES: Proteste sind immer legitim. Gerade bei solchen Großevents wie dem G20-Gipfel kann man direkt zeigen, was man von solchen Events hält. Aber es muss hier um die Inhalte gehen, die kritisiert werden. Eine Demo ist niemals reiner Selbstzweck, sondern verfolgt ein direktes Ziel. Und gerade wenn man sich anschaut, welche (lächerlichen) Ergebnisse der G20-Gipfel gebracht hat, war der Protest auf jeden Fall notwendig.
TL: 
Auch wenn ich solche Gipfel für notwendig halte, sind es die Proteste dagegen umso mehr. Wenn die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf diesem Gipfel liegt und hunderttausende gegen Kapitalismus, gegen Ausbeutung und Krieg protestieren, kann man damit ein mächtiges Zeichen setzen. Vor allem, wenn Diktatoren daran beteiligt sind, können diese kritisiert werden, was in ihren Ländern nicht möglich ist.
LS:
Ich sehe die Sache pragmatisch: Es ist ein großes Event, bei dem sowieso Interesse an einem Protest besteht. Also kann dieser auch aus dem radikal linken Spektrum heraus organisiert werden. Damit gelangen entsprechende Positionen an ein viel größeres Publikum als sonst. Es ist dann eine Frage der Umsetzung, ob und wie gut das dann gelingt. Diesen Gipfel als Agitationsmöglichkeit auszulassen, halte ich für nachlässig.
2. Eine (wie auch immer geartete) Eskalation war sowohl von Politik, Polizei als auch Demonstrierenden gewollt.
ES: Durch die Erkenntnisse, die sowohl der Polizei als auch der politischen Führung vorlagen, wussten sie, was auf sie zukommt. Im Vorfeld wurde ja auch kräftig Stimmung gemacht (auch von der linken Szene) und da auch die Repressionsschiene gefahren. Letztlich schaden aber die erzeugten Bilder allen. Der Polizei kann es aber am ehesten egal sein. Individuelle Disziplinar- oder gar Strafverfahren sind zwar wahrscheinlich, aber in der Mehrheitsgesellschaft wird dennoch am ehesten auf die linke Szene eingeschlagen. Die Polizei hat in den Augen vieler nichts falsch gemacht, dort wird dann eher die politische Führung dafür zur Verantwortung gezogen z.B. das Ganze überhaupt in Hamburg stattfinden zu lassen oder die chaotische Einsatzplanung.
TL: 
Davon ist auszugehen. Wenn man sich die Vorbereitungen auf beiden Seiten anschaut, stellt man fest, dass sowohl die Polizei, als auch die an den Ausschreitungen beteiligten Protestierenden sich darauf eingestellt haben, Gewalt anzuwenden und eine Eskalation herbeizuführen.
Was die Politik angeht, halte ich es tatsächlich nicht für eine böse Absicht, sondern eher für totale Selbstüberschätzung und Unverständnis der Situation. Wenn Olaf Scholz den G20 mit einem Hafengeburtstag vergleicht und die Bundesregierung der Überzeugung ist, es sei eine gute Idee, einen Gipfel etwa 500m entfernt von einem der größten alternativen Viertel Europas abzuhalten, dann ist das dumm, aber nicht bösartig.
LS:
Machen wir uns nichts vor: Ein Teil der in Hamburg Protestierenden wollte Riots und Gewalt. Das muss so klar und offen festgestellt werden. Wir haben es hier nicht mit dem AfD-Parteitag zu tun, sondern mit einem internationalen Großevent. Und vor allem im mediterranen Raum sind die Auseinandersetzungen viel brutaler als in Deutschland. Dafür läuft die Repression dort anders. Von Seiten der Polizei und der Politik wurde von vornherein auf Konfrontation gesetzt. Je näher der Gipfel kam, desto mehr wurde der Offensivkurs offensichtlich. Die Polizei wollte zu keinem Zeitpunkt die Rechte der Bürger*innen so weit es möglich wäre gewahrt wissen. Sie wollte mit aller Härte Tatsachen schaffen und sich selbst legitimieren. Die Räumung von Entenwerder am Sonntag und der völlig überflüssige Wasserwerfereinsatz am Dienstag haben das dann ganz konkret vor Ort deutlich gemacht. Der Tiefpunkt der polizeilichen Gewalttaktik war das Zusammenknüppeln der „Welcome to Hell“-Demo am Donnerstag. In Kombination mit den ganzen Schikanen und Rechtsbrüchen vor Ort ergibt sich dann eine Stimmung, die bei militanten Linken nicht zur Zurückhaltung führt. „Wir können machen, was wir wollen – und werden trotzdem gepfeffert. Dann können wir auch richtig loslegen, einen Unterschied macht das nicht wirklich.“ – so ähnlich dürfte ein vielgedachter Gedanke gelautet haben. Und ich bin auch der Meinung, dass dies alles vorher absehbar war. Bei einer Sache wie G20 gibt es enorm viele Gefahrenanalysen und -abschätzungen. Mit der Standortwahl Hamburg sind entsprechende Szenarien unter Garantie bis in höchste politische Ämter bekannt gewesen. Von daher: Die Eskalation wurde einerseits von allen Seiten zum Teil gewollt, von den anderen Teilen billigend in Kauf genommen.
3. Die Polizei hatte niemals Interesse an einem Dialog mit der radikalen Linken und wollte wortwörtlich Blut sehen.
ES: Dass die Polizei keine Lust auf Dialog hatte, hat sie bereits im Vorfeld bewiesen. Überharte Einsätze gegen die Campierenden, Kriminalisierung im Vorfeld von Demonstrierenden, Stoppen der „Welcome to Hell“ Demo aus nichtigem Grund, nachdem im Vorfeld keine Auflagen erteilt wurden, etc. Die Polizei hatte nach meinen Beobachtungen tatsächlich Angst. Sie waren bereit Blut zu vergießen. Das sieht man auch an dem SEK-Einsatz. Sie ist ultrabrutal vorgegangen, keine Frage.
TL: 
Wenn man sich einen Hardliner wie Hartmut Dudde als Einsatzleiter engagiert, dann hat man generell kein Interesse an Dialog. Dafür gibt es Hardliner. Sie sollen nicht reden und diskutieren, sondern handeln.
Die vorher angekündigte Nulltoleranzpolitik der Einsatzleitung war schon ein Wink in diese Richtung, da damit nicht nur gesagt wird, dass man Randalierer*innen mit aller Macht der Staates bekämpfen will, sondern auch, dass man jede Form von Widerstand hart angeht. Auch wenn es sich dabei um eine friedliche Demo handelt.
LS:
Es gab kein Interesse an einem Dialog. Es sollten von vornherein Tatsachen durch schiere Macht und Überlegenheit geschaffen werden. Dudde wollte die direkte Konfrontation, hat sie gesucht und letztendlich auch gefunden.
4. Die Inhalte der Proteste gegen G20 finden wegen der Ausschreitungen kaum Beachtung.
ES: Letztlich ja. Die Medien berichten fast ausschließlich über die Ausschreitungen. Dass über 100.000 Menschen zu den Demos kamen und friedlich ihre Meinung gegen den Gipfel gezeigt haben, wird kaum wahrgenommen. Auch der militante Protest wie die Blockadeaktionen – wenn auch nur symbolisch erfolgreich – wird kaum wahrgenommen. Das Einzige, was medial und in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, sind die Ausschreitungen. Selbst in der (radikalen) linken Szene hat dieser kaum eine Relevanz, weil alle nur über die Bilder in der Sternenschanze diskutieren.
TL: 
Das ist leider immer so. Den heutigen Medien, vor allem im Zeitalter der Digitalisierung, sind spektakuläre Bilder immer wichtiger als Inhalte. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sämtliche Aufmerksamkeit den Ausschreitungen zuteilwurde, während die friedlichen Demonstrationen meistens nur eine Nebenbemerkung wert waren.
LS:
Die Gegenfrage hier ist doch, ob die Inhalte des Gegenprotestes ohne die Ausschreitungen wahrgenommen würden. Und da zeigt doch die Vergangenheit, dass dies bisher eher weniger der Fall war. Natürlich, bürgerliche Kampagnen wie gegen TTIP und CETA haben ihr Einzelanliegen sehr gut in die Öffentlichkeit gebracht. Wir reden hier von radikal linker Seite aber um einen kompletten Wechsel des Wirtschaftssystems. Selbst Personen, die sich seit Jahren gegen den Kapitalismus engagieren, „glänzen“ teilweise mit arg verkürzter Analyse und ner Menge Bauchgefühl. Das Thema ist einfach so komplex, es kann kaum massentauglich jenseits schon längst bekannter und abgedroschener Phrasen aufbereitet werden. Und Hand auf Herz: Wer liest sich schon Demoaufrufe durch? Kaum jemand. Es ist doch utopisch anzunehmen, dass ohne die Riots die harten Inhalte der Gegenproteste eine große Reichweite bekommen hätten. Und die der radikal Linken noch mal weniger.
5. Die „Ergebnisse“ des Gipfeltreffens finden wegen der Ausschreitungen kaum Beachtung.
ES: Hier sieht es ähnlich aus wie bei den Inhalten des Protestes. Die Inhalte werden kaum aufgearbeitet. Obwohl Erdogan und auch Trump gezeigt haben wie wenig sie an einem Dialog für eine bessere Welt interessiert sind. Dieser G20-Gipfel ist nämlich – anders als es uns manche Medien suggerieren wollen – kein nettes Kaffee trinken mit Philharmoniebesuch, sondern dort werden knallharte politische Entscheidungen getroffen. Bei dem Treffen sollten Afrika und besonders die Migrationspolitik im Vordergrund stehen. Letztlich führte dieses Treffen zu einer noch stärkeren Austeritätspolitik, während sich die Linken darüber in den Haaren haben, wer denn nun eigentlich an den Ausschreitungen schuld ist.
TL: 
Einerseits verhält es sich hier genauso, wie mit den Inhalten der Proteste. Auch die Ergebnisse dieser Gipfel gingen ein wenig in den Krawallen unter. 
Andererseits muss man dazu sagen, dass die meisten Menschen, sich sowieso nicht für den Gipfel an sich interessiert haben, geschweige denn überhaupt eine Ahnung hatten, worum es inhaltlich geht.
LS:
Wen interessieren schon die Ergebnisse und Beschlüsse? Wer was darüber wissen will, findet alle relevanten Informationen. Wir haben es hier mit Geopolitik und der Weltwirtschaft zu tun. Themen, die eher nicht bei*m Friseur*in besprochen werden. Sofern kein direktes Interesse besteht oder die Ergebnisse tatsächlich wichtig sind oder gar Auswirkungen auf die Gesellschaft hier haben, ist die Aufmerksamkeitsspanne doch eher gering. Meine These: Die Ergebnisse interessieren eh kaum, daran ändern auch die Ausschreitungen wenig.
6. Die breite Öffentlichkeit hat sich auch vorher nicht für die Inhalte des Treffens und der Proteste interessiert.
ES: Es wurde nach meiner Auffassung sehr wenig über die Formen des Protests und auch die Inhalte des Gipfeltreffen berichtet. Das mediale Bild wurde bereits dort von der Diskussion über die „gewaltbereiten Autonomen“ bestimmt. Die Protestinhalte waren ohnehin egal, aber für viele wurde der G20-Gipfel auf ein Stelldichein reduziert ohne tatsächliche Auswirkungen, was einfach nicht der Fall ist.
TL: 
Die mediale Berichterstattung befasste sich hauptsächlich mit der Vorbereitung der Polizei auf den Gipfel und mit allgemeinen Fragen, ob Trump und Putin sich unterhalten würden und ob diese Gespräche Ergebnisse bringen würden. Worum es in den Gesprächen wirklich gehen würde, schien aber nur wenige zu interessieren. 
LS:
Hier ist ein bisschen Selbstkritik fällig: Wir haben uns auch nicht wirklich inhaltlich mit G20 beschäftigt. Im Gegenteil, wir haben mit den Riots und entsprechenden Bildern kokettiert. Im Laufe der letzten Wochen ist mir dann klargeworden, dass dies falsch ist. Gegen Nazis oder Islamist*innen kann die Mobi im Vorfeld gerne so militant sein, wie sie will. Dabei haben wir es aber auch mit konkreten Ereignissen und Gruppierungen zu tun. Bei einem Komplex wie der Überwindung des Kapitalismus ist ein reiner Riotfetisch einfach viel zu kurz gegriffen und geht am Thema vorbei. Die Blockaden um den Hafen herum sind exakt der richtige Weg und entsprechen auch den Grundbetrachtungen, die zur Entwicklung des Generalstreikkonzepts geführt haben: Dem Kapitalismus seine Grundlage – die geordnete Warenproduktion – entziehen oder sie zumindest stören. Und zwar so, dass (theoretisch) kein Mensch zu Schaden kommt. Dieser Aufgabe sind wir nicht gerecht geworden. Und der Protest wurde eigentlich auf die Frage reduziert, wie hart die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Linken wird. 
7.  Die Ausschreitungen waren reiner Selbstzweck ohne politischen Hintergrund, ein Großteil der Randalierer*innen waren keine Linken.
ES: Zum Teil waren die Ausschreitungen sicher nicht politisch motiviert. Das war Riot ohne Sinn und Verstand. Einzelne Aktionen kann man zwar sicher als militant bzw. linksradikal motiviert betrachten wie z.B. die Weiterreichung von Lebensmitteln an Obdachlosen nach der Plünderung des REWE oder das Verbrennen von Porsche-Fahrzeugen. Letzteres kann man aus linksradikaler Sicht durchaus kritisch sehen. Dies erscheint mir als gelebte regressive Kapitalismuskritik. Wirklich antikapitalistisch ist das in meinen Augen nicht. Noch viel weniger ist es halt antikapitalistische Kritik Kleinwagen anzuzünden, kleine Blumenläden anzugreifen oder Ähnliches. Entweder da hat jemand Kapitalismuskritik mal so gar nicht verstanden oder es ging einfach nur um Krawalle der Krawalle wegen.
Nach den bisherigen Berichten war eine bunte Mischung an den Krawallen beteiligt. Auch Linke oder sich selbst als links bezeichnende Personen waren dabei. Die Verantwortung jedoch ausschließlich auf andere zu schieben sehe ich nicht als zielführend an. Das Thema des militanten Widerstands bzw, der Gewaltanwendung ist ein immer wiederkehrendes Thema in der radikalen Linken. Es muss eine Diskussion darüber geben, wie und zu welchem Zweck solch eine Militanz ein Mittel sein kann. 
TL: 
Dass die Randalierer*innen keine Linken waren, halte ich für ebenso eine undifferenzierte Aussage wie die Aussagen von Konservativen, die behaupten, alle Linken seien so. Auch wenn nachweisbar Neonazis und „Krawalltouristen“ beteiligt waren, so ist die Mehrheit doch dem linken Spektrum zuzuordnen.
Hier haben wir ein häufig vorkommendes Argument von uns Linken, dass wir einfach sagen „das waren keine Linken“ wenn man uns kritisiert. Das halte ich für falsch und unehrlich. Denn so setzen wir uns nicht mit internen Probleme auseinander, sondern schieben sie nur beiseite. Ich kann jemandem doch das Linkssein nicht absprechen, nur weil ich seine Art zu Denken oder zu agieren schlecht finde. Auch diese Leute sind links und wir müssen uns damit auseinandersetzen.
Nun zur eigentlichen Frage: Ich gehe davon aus, dass die meisten, die dort randalierten das eher aus Riot um des Riot Willens gemacht haben, also keinen wirklichen politischen Grund hatten. Zumindest sehe ich keinen Sinn darin einfach nur zu zerstören und ein linkes Viertel zu zerlegen. Diese Ausschreitungen haben sich also von jeglichem politischen Hintergrund entfernt, was jedoch nichts daran ändert, dass die Akteur*innen mehrheitlich links waren.
LS:
Ich schließe mich den anderen so weit erst einmal an. Wir müssen uns der Verantwortung stellen, dass die Ausschreitungen durch die Gegenproteste überhaupt erst möglich waren. Natürlich sind Personen genau deshalb angereist. So wie in Frankfurt/Main zur EZB-Eröffnung. Und natürlich feiern sich viele Linke für ihr Militanz und Gewalt, da lässt sich teilweise eine Gruppendynamik feststellen. Vor allem aus anarchistischer Sicht gibt es ja auch diverse Vorbilder in Sachen Zerstörung: Propaganda der Tat und Banküberfälle zum Beispiel. Dies bekämpft aber immer nur Symptome und nie die Ursache. Mir kommt es manchmal so vor, als würden einige nicht verstehen, was das Ende vom Kapitalismus dann tatsächlich bedeutet. Es ist eine Änderung der Art des Wirtschaftens und des Bankenwesens, nicht eine komplette Abschaffung all dessen. Auf der anderen Seite kann ich natürlich die Wut verstehen, die viele Menschen umtreibt. Nur ist Wut eben das Gegenteil von analytisch. Mir tun die Autos, Schaufenster und so weiter keinen Millimeter leid. Nur muss eben auch eine erschöpfende Antwort kommen, warum das jetzt alles gut sein soll. Auf welcher Ebene jetzt was genau wie erreicht wurde – und was genau nicht. Den Kapitalismus wird durch Riots niemand überwinden. 
8. Es muss jemand zur politischen Verantwortung gezogen werden.
ES: In solchen Fällen wird immer schnell ein Kopf gefordert. Dabei macht es recht wenig Unterschied, ob es jemand wie Scholz oder Dudde ist. Letztlich wird es kaum etwas ändern. Dies dürfte wenn überhaupt nur ein „Trostpflaster“ für die Betroffenen sein. 
TL: 
Sicher, nur bezweifle ich, dass das anständig gemacht werden wird. Es haben sich schon längst alle Olaf Scholz als Bauernopfer herausgesucht. Dieser hat zwar die dümmste Einschätzung in der Geschichte aller Fehleinschätzungen von sich gegeben, als er meinte, der G20 sei ja kaum schlimmer als ein Hafengeburtstag, doch hauptverantwortlich ist er nicht.
Scholz war nicht der Einsatzleiter der Polizei und es war auch nicht seine Idee, den Gipfel in Hamburg zu veranstalten. Er hat dem nur zugestimmt. Die Idee jedoch kam von der Bundesregierung. Daher sollte die politische Verantwortung größtenteils bei der Regierung liegen und nur zu einem Teil bei Scholz.
Allerdings haben alle bereits mit Scholz ihren Schuldigen, daher ist davon auszugehen, dass es für Merkel und Co keine Folgen haben wird.
LS:
Es wird sich schon wer finden, vielleicht hat Scholz sich mit seinen Aussagen zur Polizeigewalt selber dafür angeboten (oder anbieten müssen). Im Endeffekt ist das aber auch egal, ein Name ist nur ein Name und keine Analyse der Ereignisse vor Ort. Mir ist egal, wer da jetzt zurücktritt. Die Frage ist eher, was es in unsere Richtung für Konsequenzen gibt. Und da überschlägt sich die hochfeine demokratische Mitte gerade mit Forderungen, die Errungenschaften des bürgerlichen Staates auszusetzen und sich quasi selber abzuschaffen. Mich interessieren die Inhalte, nicht irgendwelche Namen. Wenn das Resultat dann ist, dass unfähige Personen den Hut nehmen müssen und Journalist*innen bei der nächsten Sache nicht mehr weggeprügelt werden, dann ist das natürlich eine konkrete Verbesserung. In dieser Richtung sehe ich nur im Moment nichts.
9. Gipfel wie der G20 sind absolut unnötig.
ES: Durch die G20-Gipfel wird sich morgen die Welt nicht verändern. Viele Entscheidungen werden auch an anderer Stelle getroffen. Der Kosten/Nutzen-Faktor ist immer äußerst hoch, selbst wenn man es an einem abgeschiedenen Ort wie Heiligendamm macht. Von daher wäre auch ein Abschaffen der G20-Treffen möglich.Es geht aber nicht darum das Reden an sich abzuschaffen, sondern ein solches Massentreffen. Es ist ja nicht so, dass diese Politiker*innen nie miteinander reden würden bzw. deren wichtigste Mitarbeiter*innen.
TL: 
Ich denke, dass solche Gipfel durchaus nötig und nützlich sein können. Man hat leider immer den Eindruck, dass die ganzen Staatscoberhäupter zusammenkommen, zwei Tage lang leere Worthülsen durch Konferenzsäle werfen und hinterher eine Erklärung abgeben, die mit so vielen Kompromissen versetzt ist, dass man im Prinzip auch ein leeres Blatt hätte abgeben können.
Das ist frustrierend aber dennoch ist es meiner Meinung nach besser, als wenn die Politiker*innen gar nicht miteinander sprechen. Jeder noch so kleine Erfolg dieser internationalen Gipfel ist den Aufwand wert. Man sollte sich nur für die Zukunft überlegen, wenn man einlädt, um am Ende auch etwas Handfestes vorweisen zu können. Ein Donald Trump hat für mich beispielsweise nichts auf einer solchen Veranstaltung zu suchen.
LS:
Ich kann nichts dagegen haben, dass Leute miteinander reden. Die Gegenfrage ist ja, wie es ohne diese Gipfel und Verhandlungen aussieht. Und da ist mir so ein Treffen dann schon lieber als nationalistisches Kleindenken. Vernünftige Kritik richtet sich deshalb nicht gegen den Gipfel an sich, sondern a) gegen konkrete Beschlüsse, b) mahnt an, was nicht beschlossen und besprochen wurde und c) stellt natürlich die Systemfrage. Dass so ein Treffen dann auch mal wieder ein Kuscheln mit Diktaturen und Autokratien mit sich bringt, ist aus radikal linker Sicht tatsächlich eher zu vernachlässigen. Der Punkt ist natürlich wichtig, aber sollte nicht der zentrale Kritikpunkt sein.
10. Großstädte sind als Veranstaltungsorte solcher Gipfeltreffen ungeeignet.
ES: Durch die Struktur von Großstädten ist ein Kontrollieren von Protestierenden nahezu unmöglich. Die Polizei hat durch ihre Einsatztaktik selbst zu einer Verschlimmerung der Lage beigetragen. Sie haben zu einem Versprengen der Gruppen geführt, wodurch die Randalierer*innen freie Hand bekamen und es zu der Eskalation kamen. Aber z.B. auch bei Heiligendamm gab es Fehler in der Polizeitaktik. Letztlich wird es überall Probleme geben. 
TL: 
Absolut. Nicht nur werden die Einwohner*innen der Stadt tage- und wochenlang in ihrer Freiheit eingeschränkt, es entsteht auch ein finanzieller Schaden für die Stadt.
Dazu ist eine Kontrolle einer Großdemo in einer Stadt viel schwerer, was im Endeffekt zu solchen Ausschreitungen führt, da es auf beiden Seiten Menschen gibt, die auf eine Eskalation aus sind.
LS:
Der Aufwand steht in einfach in keinerlei Verhältnis zum wie auch immer gearteten Nutzen. Ob ein Beschluss nun in der Sahara oder im Herzen Tokios beschlossen wird, ist dem Beschluss egal. Die Einschränkungen vor Ort allerdings nicht. Genua hatte doch eigentlich gezeigt, warum eine so unüberschaubare Großlage in einem Stadtgebiet nicht zu vertreten ist. 
11. Die Gewalt wurde von vornherein eingeplant, um von Seiten der Politik und der Polizei Wahlkampf zu machen.
ES: Das glaube ich nicht. Die innere Sicherheit steht bei allen Parteien auf dem Wahlkampfprogramm. Am ehesten profitieren dürften die Mitte/Rechts-Parteien. Warum sollte also ein SPD-Oberbürgermeister dies provozieren? Letztlich dürfte es der eigenen Partei eher schaden. 
TL: 
Geplant würde ich nicht sagen. Vielleicht bin ich naiv, aber mein Glaube an das Gute im Menschen hält mich davon ab, an eine von langer Hand geplante Eskalation zu glauben. Was ich aber glaube, ist, dass man es wohlwissend passieren ließ. 
Die Politik wusste, dass die Polizei eine harte Einsatztaktik auffahren würde und die Polizei wusste, dass sie viele Freiheiten haben würde.
LS:
Entsprechende Äußerungen gibt es diesem Zusammenhang jetzt öfter zu lesen. Für mich sind das aber reine Spekulationen, die ohne belastbare Beweise oder Indizien auch nur Spekulationen bleiben. So was driftet dann auch gerne in Richtung von Verschwörungstheorien „gegen die da oben“ ab, daher beteilige ich mich erst gar nicht daran. Gewalt und Ausschreitungen wurden in Kauf genommen – mehr kann ich nicht sagen.
12. Die Medien interessieren sich in den meisten Fällen nicht für Inhalte, sondern für spektakuläre Bilder.
ES: Krawallbilder verkaufen sich gut. Auch die regelrechte Hetzjagd der Bild, die vorher noch genüsslich die schlimmsten Bilder auf der Titelseite hatten, zeigt ein übles Ausmaß. Aber damit haben die Randalierenden letztlich diesen Medien einen riesigen Dienst erwiesen. Ob ohne Krawalle die Bilder der friedlichen Demonstration von 100.000 Menschen auf den Titelseiten gelandet wäre, lässt sich schwer sagen. Viele, die jetzt ohne Unterlass Krawallbilder für ihre Artikel nehmen, hätten es wahrscheinlich nicht getan.
TL: 
Auch Medien sind leider profitorientiert, daher denken viele Zeitungen vor allem daran, wie sie sich vermarkten können. Also ja, Bilder sind immer „besser“ als Inhalte.
LS:
„Die Medien“ ist an dieser Stelle eine für mich nicht haltbare Kollektivierung. Davon ab ist natürlich eine inhaltliche Auseinandersetzung immer schwieriger als seichte Unterhaltung. Ein Thema wirklich zu durchdringen, erfordert viel Arbeit und Zeit, erst Recht bei Antifaschismus und Kapitalismus. Es geht hier nicht um den Rasen nebenan, sondern tatsächlich ums Ganze. Und wer mit der Berichterstattung nicht zufrieden ist, kann problemfrei selber für eine bessere sorgen. Außerdem kommt hier das tiefsitzende Ressentiment gegenüber der Linken zum Tragen. Es geifert sich eben viel einfacher, wenn man nicht differenzieren muss. 
13. Die Mehrheitsgesellschaft unterliegt einem massiven Doppelstandard und hat jetzt endlich wieder einen Grund, zum Teil menschenverachtend gegen alles (vermeintlich) linke zu hetzen.
ES: Die Menschen haben jetzt einen Vorwand um gegen alles Linke zu hetzen. Hier zeigt sich ein erschreckender Schulterschluss der Mitte mit der extremen Rechte. Da werden scheinbar normale Bürger*innen auf einmal zu Verfechter*innen des sofortigen Erschießens oder Ähnlichem. Und denen erscheint das völlig normal. Wir haben es ja auf unserer eigenen Seite erlebt. Da fehlte jegliche Differenzierungsfähigkeit. Das ist echt erschreckend und sollte in der öffentlichen Diskussion einen deutlich größeren Platz einnehmen. 
TL: Doppelmoral sehe ich überall und gerade jetzt nach G20 verfallen viele Konservative erst recht ins Autoritär-Reaktionäre. Endlich sind die Linken wieder die Bösen!
Jetzt kann man mehr Überwachung fordern und alles für den Wahlkampf instrumentalisieren oder empört aus Talkshows verschwinden. Recht praktisch ist es auch, dass man die eigenen dummen Aussagen darüber, dass man keine drei Minijobs brauche, wenn man etwas Anständiges gelernt hätte, unter den Teppich kehren kann und sich nun künstlich aufregen kann. 
Was vielen (auch einigen Linken) fehlt ist differenziertes Denken. Die Politik hat Fehler gemacht und die Einsatztaktik der Polizei war alles andere als deeskalierend. Aber wir müssen auch die Randalierer*innen kritisieren. Das ist differenziert.
LS:
Linke Kritik ist seit über 200 Jahren gegen die Mehrheitsgesellschaft gerichtet. Progression und Emanzipation der bestehenden Verhältnisse fordern einerseits Akteur*innen in Machtpositionen heraus, andererseits wirkt der Aufbruch ins Ungewisse immer abschreckend auf Viele. Die Behäbigkeit in Verbindung mit Unwissenheit und tiefsetzender Ablehnung dessen, was als „links“ stigmatisiert wird, brechen sich jetzt wieder ungefiltert Bahn. Menschen fühlen sich dann wohl, wenn sie sich über andere erheben können. Und genau das bekommen wir jetzt ab. Die Äußerungen und Forderungen der letzten Tage führen uns allen direkt vor Augen, wie sich eine theoretisch aufgeklärte humanistische Gesellschaft von innen heraus faschisieren kann. War es vor zwei Jahren noch schick, sich gegen die Nazis der eigenen moralisch-ethischen Überlegenheit zu versichern, sind jetzt mal wieder Linken dran. Mit bürgerlicher Querfront nach ganz rechts inklusive. Der Deutschen reine Seele – unreflektierter Hass. Ich verzichte dankend.

Handy auf der Demo-muss das sein?

Im Vorfeld zu den G20-Protesten wird auch viel über den Umgang mit den sozialen Medien diskutiert. Was soll an Fotos auf Twitter landen? Ist es sinnvoll die komplette Demo auf Facebook zu stellen? Und die allerwichtigste Frage: Wie genau mach ich das, um meine Mitaktivist*innen nicht zu gefährden?

Grundsätzlich gilt: das Smartphone ist eine Krake. Alles, was veröffentlicht wird, wird auch von der Gegenseite gesichtet. Die Polizei weiß schon seit langem wie sie damit umgehen muss. Nicht umsonst wird bei Durchsuchungen regelmäßig auch das Handy migenommen.

Also auch die Bilder, die niemals jemand zu Gesicht bekommen sollte, können dann gesichtet werden. So werden der Polizei Informationen gegeben, die zur weiteren Strafverfolgung genutzt werden können.

Ja, die Polizei filmt bereits alles mit. Aber durch die Fotos und Videos, die – ob freiwillig oder unfreiwillig – ans Licht kommen, wird den Repressionsbehörden die Arbeit erleichtert. So können sie umfangreiche Ermittlungen anstellen und eure Fotos helfen ihnen dabei andere Aktivist*innen hinter Gitter zu bringen.

Dafür müssen wir uns schützen. Die einfachste Möglichkeit wäre es natürlich das Smartphone zu Hause zu lassen. So haben die Behörden erst gar keine Chance gegen euch oder andere Ermittlungen anzustellen aufgrund eures Smartphones. Ganz zu schweigen von dem, was Anti-Antifa-Aktivist*innen mit solchen Fotos anstellen können.

Viele wollen das nicht. In der Tat kann ja auch ein Smartphone sinnvoll sein, um z.B. Polizeigewalt zu dokumentieren. Natürlich will auch niemand verbieten ein paar Demofotos zu schießen. Dabei sollten aber auch ein paar Grundregeln beachtet werden: nicht alles ist es wert fotografiert oder gar veröffentlicht zu werden.

Fotos, die veröffentlicht werden sollen, sollten grundsätzlich verpixelt werden. Ohne Ausnahme. Dafür gibt es einfache Programme wie Camera Obscura oder Pixelot. Damit werden die Meta-Daten des Bildes oder Videos gelöscht und durch einfache Klicks können Gesichter darauf unkenntlich gemacht werden. Diese Programme können kostenlos im App-Store runtergeladen werden. Etwas komplizierter aber dafür umfangreicher in den Funktionen ist PicsArt, funktioniert aber ähnlich.

Wir wollen dafür sensibilisieren wie man vernünftig mit dem Smartphone umgeht. Jede*r sollte sich darüber Gedanken machen. In dem modernen Leben nimmt es für viele einen großen Platz ein. Eine Demo oder gar die Großproteste in Hamburg sind kein Platz für Selfies oder Selbstdarstellung. Schützt euch und jede*n anderen!

Alternative Freiräume erhalten – ein Grundstein linker Kultur

In letzter Zeit ist immer wieder von Hausbesetzungen zu lesen von Linken. Egal ob in Bochum, Köln, Berlin oder Bonn – überall werden leerstehende Gebäude neuen Zwecken zugeführt

Bereits in den 70er kam es zu ersten Hausbesetzungen in Deutschland. Besonders in großen urbanen Städten Hamburg und Berlin wurden diese Hausbesetzungen durchgeführt, um Menschen in prekären Situationen ein Dach über dem Kopf zu gewähren. Egal ob obdachlose, mittellose oder einkommensschwache Personen/Familien – für sie wurde Wohnraum besetzt.

Natürlich fanden die Eigentümer*innen dies nicht toll. Teilweise kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei als diese versuchte die Gebäude zu räumen. Doch die alten Gebäude sind immer noch besetzt. Wie kann das sein? Nach zähen Verhandlungen wurden viele dieser illegalen Besetzungen legalisiert. Ein Glück für viele, die dort eine Heimat finden – als Aktivist*innen, als alternativer Lebensraum oder gar als Raum für künstlerisches Schaffen.

Dies hat auch zum Teil zu einem Umdenken in der Bevölkerung geführt. Wo früher Hausbesetzer*innen eher argwöhnisch betrachtet wurden, kriegen sie jetzt Unterstützung von Nachbar*innen oder anderen. Dies liegt auch daran, dass viele der alten Projekte als Erfolg gelten, auch wenn die wenigsten noch als Hausbesetzungsprojekte geführt werden.

Auch heutzutage sind viele dieser linken Wohnprojekte immer noch wichtig. Wir sehen immer noch einen massiven Leerstand in großen Städten. Während der Flüchtlingswelle 2015 mussten Geflüchtete in Turnhallen übernachten, Obdachlose schlafen in Parks im Winter und einkommensschwache Familien müssen menschenunwürdig leben. Auch andere können dort erblühen: alternative Lebensräume für Künstler*innen, Musiker*innen. Alternative Wohnprojekte können dort implementiert werden.

Um all dies umzusetzen bedarf es aber weiterer Wohnräume. Diese sind ja vorhanden. Sie müssen nur genommen werden. Die Tradition der Hausbesetzung ist eine Errungenschaft, die positive Auswirkungen hat – für alle. Doch es muss nicht nur neuer Wohnraum der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden – auch die aktuellen Projekte müssen erhalten werden. Egal ob als alternativer Lebensraum für Jugendliche oder Wohnraum für Bedürftige. Squat the World!

Religionskritik vs. Gläubigenbashing

Zum linken Selbstverständnis gehört auch immer Religionskritik. Von Kant über Marx bis zu Adorno haben alle die Religionen an sich kritisiert. Was davon zu unterscheiden ist, ist das stumpfe Pauschalisieren der Gläubigen, wie es auch gerne von Rechten getan wird.

Jede Religion hat einen Herrschaftsanspruch inne. Sie fühlt sich als einzige dazu berufen die Wahrheit zu verkündigen. In der Vergangenheit gab es bereits dazu blutige Schlachten und Auseinandersetzungen. Sie stritten sich also darum, wessen nicht-beweisbare Gottheit realer war. Darüber übersahen sie dann auch ganz gerne mal die Gemeinsamkeiten z.B. bei den abrahamitischen Religionen.

Jede Religion unterdrückt wegen des ihnen immanenten Wahrheitsanspruches Gegenstimmen. So war es im Mittelalter in der christlichen Welt, wo die Wissenschaft nur okay war solange sie nicht dem Weltbild der Kirche widersprach und die Hexenverfolgung aufgrund der sexistischen Einstellung der Kirchenoberhäupter erst ermöglicht wurde. Heutzutage sind in fundamentalistisch islamistischen Staaten die Frauenrechte eingeschränkt und Homosexuelle werden verfolgt und getötet. Religionen werden immer weiter Schaden anrichten. In Indien sorgt das Kastensystem nach wie vor Diskriminierungen. Der strafende Gott des alten Testaments, der zwar Inzucht, Zwangsheirat und Vielehe befürwortet aber wegen der Verbrechen der Menschheit eine große Sintflut kommen lässt.

Nicht nur in den oben beschriebenen Religionen kommt so etwas vor. Auch in dem vom Westen als „harmlos“ wahrgenommen Buddhismus gibt es Terroristen. Religionen als solche wollen nun mal ihre Sichtweise durchsetzen, bei besonders Fanatischen greifen sie dann halt auch zur Gewalt gegen Unschuldige. In Syrien richtet der IS Homosexuelle hin und in Amerika bringen christlich motivierte Pro-Life-Aktivist*innen Sprengsätze an Abtreibungskliniken an. Die Menschheit ist grausam und durch Religionen verstärkt sich der Hass nochmal.

Religionen sind daher grundsätzlich antiemanzipatorisch. Zwar geben sich Religionen oder zumindest Teilbündnisse davon wie beim Islam tolerant, versuchen aber nur so ihren eigenen Status Quo zu wahren. Bestandserhaltung statt Missionierung ist derzeit halt angesagt. Daher sind auch große Teile der Linken neutral gegenüber den Gläubigen, solange sie nicht fanatisch und/oder missionarisch unterwegs sind. Der Religion in ihrer institutionalisierten Form sind sie jedoch skeptisch gegenüber eingestellt.

Das langfristige Ziel von Linken kann nur die „Erziehung zur Mündigkeit“ sein. Dies beinhaltet auch die Loslösung von allen Religionen und die Übernahme eines wissenschaftlich-dialektischen Weltbilds. Nicht umsonst heißt es „Kein Gott, Kein Staat“. Früher funktionierte die Religion als moralischer Leitfaden und zur Erklärung der Welt, die damals nicht verstanden wurde. Letzteres hat die Wissenschaft bereits getan und sie wird auch weiterhin der Welt und dem Universum ihre letzten Geheimnisse nehmen. Für ersteres hat man noch nie eine Gottheit gebraucht, für die autoritäre Durchsetzung dessen schon. An dieser Stelle haben jedoch bereits längst andere Theoretiker*innen angesetzt und eine vernunftsbasierte moralische Alternative geschaffen. Dafür wird keine „Lichtgestalt“ mehr benötigt.

Die befreite Gesellschaft ist das Ziel. Dafür braucht es keinen Allah, keinen Buddha, keinen Jehova. Religion hem