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Herbert Kickl, der Bonapartismus und was passiert wenn Rechtsradikale in bürgerliche Ämter kommen

„Ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat, und nicht die Politik dem Recht.“ – Herbert Kickl, österreichischer Innenminister, in der Sendung „Report“ vom ORF2 am 22.01.2019

Seit etwas mehr als einem Jahr ist die schwarz-blaue Regierung in Österreich an der Macht. Die unter Sebastian Kurz wieder stärker dem klassischen Konservatismus zugewandte ÖVP ist eine Koalition mit der rechtsradikalen FPÖ eingegangen und hat den ehemaligen Neonazi Strache zum Vizekanzler gemacht. Innenminister wurde der FPÖ-Politiker Herbert Kickl. Dieser hat sich jetzt in einer Sendung des ORF2 mit dem hier wiedergegebenen Zitat zu seiner politischen Einstellung geäußert. Insgesamt gibt es zwei Interviewsegmente mit ihm, das Zitat fiel im zweiten. Es lohnt sich beide anzuschauen und zu analysieren, wie Kickl agiert und was er genau sagt.

Im ersten Interviewteil fällt auf, dass er völlig ohne Not auf die Dissertation des Wiener Bürgermeisters und Landeshauptmanns Michael Ludwig von der SPÖ zu sprechen kommt. Diese stammt aus dem Jahr 1992 und behandelt die Staatspartei der DDR, die SED. Warum er das tut ist offenkundig: Er will Ludwig als Kommunisten darstellen und alte antikommunistische Ressentiments gegen ihn Stellung bringen. Dies funktioniert auch in Österreich immer noch hervorragend, besser gar als in Deutschland. Man könnte in gleicher Weise auf Strache zu sprechen kommen, der sich zu diesem Zeitpunkt auch immer noch in offen neonazistischen Kreisen bewegte und nur ein paar Jahre zuvor an Wehrsportübungen teilnahm. Aber das würde ein Kickl als unlauteres Argument bezeichnen.

Neben diesem offenen Antikommunismus ist aber insbesondere Kicks Verständnis von Politik interessant. Es nicht unbedingt überraschend, ist Kickl doch ein Rechtsradikaler. Es ist deshalb interessant, weil es einen Blick auf offene rechtsradikale Rhetorik in einer Machtposition eines bürgerlichen Rechtsstaats wirft – und mit welchem Anspruch Rechtsradikale diesen umbauen wollen. An mehreren Stellen weist Kickl darauf hin, dass er ja nur den Willen der Bevölkerung umsetzen würde oder dessen Ängste ernst nähme. So zum Beispiel bei der Erhöhung der Polizeistellen. Er macht ein vermeintliches erhöhtes Sicherheitsbedürfnis aus, welchem man damit Rechnung trage. Ähnlich argumentiert er bei geplanten Änderungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht. Es sei des Volkes Wille. Woher das ausgemachte Unsicherheitsgefühl kommt, ob es einen realen Kriminalitätsanstieg gibt und ob neue Regelungen und Polizeikräfte überhaupt notwendig sind, interessieren ihn nicht.

Ganz offensichtlich wird sein unverhohlener Machtanspruch dann in dem hervorgehobenen Zitat. Und Kickl hat in gewisser Weise auch recht. Das Recht folgt politischen Grundsatzentscheidungen über die Ausrichtung des Staats- und Gesellschaftssystems. Das Kaiserreich, die Weimarer Republik, das Dritte Reich, die DDR und die BRD sind alles Rechtsstaaten – nur eben mit unterschiedlichen Rechtssystemen. Und dieses sieht in einer semiabsolutistischen Monarchie anders aus als in einer bürgerlichen Demokratie oder in einem NS-Staat.

Kickl hat jetzt die Sonderrolle als rechtsradikaler Politiker das Amt des Innenministers eines bürgerlichen Staates inne zu haben. Und er interessiert sich nicht für bürgerliche Rechtsnormen. Stattdessen setzt auf die bonarpatistische Karte, auf einen Protofaschismus, der sich populistischer Mittel bedient, um die Autokratie oder Diktatur per Zustimmungswerten direkt von der Bevölkerung bestätigen zu lassen, ohne das dieses ein Mitsprache- oder freies Wahlrecht hätte. Dieses protofaschistische System wurde unter Louis Bonaparte, besser bekannt als Napeleon III, praktiziert und durch Marx und Engels beschrieben. Und den Grundsätzen genau diesem Systems folgt Kickl. Moderner Bonapartismus ist nicht vollständig deckungsgleich mit dem Original, immerhin müssen den politischen Ereignisse der letzten 150 Rechnung getragen werden.

Und Kickl tut dann eben das, was ein Rechtsradikaler so tut. Er gibt ganz offen zu sich nicht an das bürgerliche Recht halten zu wollen. Stattdessen soll das Recht seiner rechtsradikalen Ideologie folgen, die Legitimation dafür zieht er aus dem ausgemachten Volkswillen. Wie die Volksabstimmung zum Rauchverbot in Gaststätten zeigt, ist die FPÖ aber nur gewillt dies zu tun, solange es nicht gegen die eigenen Wünsche und Vorstellungen geht. Was Kickl angeht so ist er schonungslos offen. Wenn man ein wenig Ahnung von politischer Theorie hat und genau zuhört, was er sagt, dann liegt die antibürgerliche Agenda offen da. Er sagt ja wortwörtlich, dass ihn bürgerliches Recht nicht interessiert. Er ist ja auch kein bürgerlicher Politiker.

Hier zeigt sich wieder einmal deutlich, auf welche Weise man Rechtsradikale bekämpfen muss. Man darf ihnen keinerlei Möglichkeit zum Ausleben und zum Handeln getreu ihrer Ideologie geben. Und man muss sie daran mit allen notwendigen und angebrachten Mitteln hindern. Kommen sie sogar in Machtpositionen, werden sie diese auch dazu nutzen ihre Ideologie umzusetzen. Rechtsradikale haben keine Kompromissfähigkeit, sie lehnen den bürgerlichen Staat ab und werden ihn zerstören, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu gibt.

Im Osten was Neues

In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde ein 35 Jähriger in Chemnitz ermordet. Unklar sind die Umstände zu großen Teilen immer noch, die vermutlichen Täter sind allerdings in Untersuchungshaft.  Ein irakischer und ein syrischer Flüchtling. Kurden überdies, wie sich kürzlich herausstellte, nachdem tagelang versucht wurde zu kolportieren, der Angriff sei ein islamistischer Terrorakt gewesen.

Weil Sachsen Sachsen ist und Gewalt dort vor allem nicht gern gesehen wird, wenn sie von Nichtdeutschen verübt wird, folgte die nächsten Tage was den Meisten schon bekannt sein dürfte: Sonntags mobilisierten Chemnitzer Hooligannetzwerke und Rechte Gruppen unter dem Motto „Wir holen uns unsere Stadt zurück“ zu einer Spontandemo, auf der klargemacht wurde wie das Motto gemeint ist:

Mit klassischen Parolen der Kameradschaften und unter denselben Rufen die am selben Tag 26 Jahre zuvor vorm Sonnenblumenhaus in Rostock Lichtenhagen zu vernehmen waren, als Nazis es mit Brandsätzen und Steinen angriffen, „Deutsch-Sozial-National und eben „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“, zogen bis zu 1000 Nazis durch die Stadt, machten Jagd auf alle die ihnen nicht deutsch genug aussahen und Linke.

 

Die Polizei, von Kurzfristigkeit der Mobilisierung und der Größe des Mobs wohl hier noch überrascht, scheiterte daran die Umsetzung einer temporären national befreiten Zone zu verhindern. Am folgenden Montag wiederholte sich das Versagen auf schlimmerer Ebene. Erneut war eine Demonstration angekündigt, diesmal mit öffentlicher Mobilisierung, mit Schützenhilfe der AfD, kurz mit mehr Reichweite, mehr Infrastruktur und dem Erfolgsmoment für die Nazis, am Vortag die Stadt für sich gehabt zu haben, im Rücken.

Die Sächsische Polizei allerdings wurde einmal mehr ihrem Ruf gerecht es mit der Durchsetzung des Rechts bei Nazis nicht ganz so genau zu nehmen. Wenige hundert Beamte sicherten die Kundgebung ab, auf der dutzendfach Hitlergrüße gezeigt wurden, von der Flaschen und Pyrochtechnik auf die antifaschistische Gegendemo geworfen wurden und von der wiederum, nach Ende der Veranstaltungen Angriffe auf Antifaschisten ausgingen.

Für den nächsten Samstag mobilisiert die AfD nun im großen Stil. Klar ist: Man will die Erfolge von Sonntag und Montag wiederholen. Befürchtet wird, dass bis zu 10.000 in Chemnitz demonstrieren werden. Ob die Sächsische Polizei diesmal gewillt ist, und sei es nur um ihren Imageschaden, den sie in Teilen der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit durch ihr gewähren-lassen noch erleidet, abzuwenden, Gewalt gegen Chemnitzer Flüchtlinge und Linke zu unterbinden bleibt abzuwarten. Dass all dies in Sachsen passiert ist, ist nicht überraschend, ist der Freistaat schon seit Jahrzehnten für eine florierende Naziszene bekannt, wobei der Übergang zwischen „normalen“ Rassisten und organisierten Neonazis gerade hier oft fließend ist.

 

Eine neue Qualität aber hat Chemnitz. Nicht, weil es dort wesentlich brutaler zuging als bei Nazievents in der  Vergangenheit. Nicht, weil die Polizei, wenn überhaupt, dann nur zögerlich eingreift. Was jeder rechtsnationalen Partei der letzten Jahrzehnte misslungen ist, gelang hier der AfD: Organisierte Naziszene und  „besorgte Bürger“ in der Sache vereint zusammenzubringen und einen medialen Diskurs zu schaffen, flankiert von AfD Verlautbarungen und Tweets, in dem Hitlergrüße und Menschenhatz höchstens als unangenehme Lappalien auftreten. Es darf durchaus als Zäsur gelten, dass ein Naziaufmarsch dieser Größe und dieser Militanz von der (vorgeblich) bürgerlichen Rechten so stark begrüßt und unterstützt wird.

Dass, wer sich dafür entscheidet ein gemeinsames Anliegen mit Neonazis zu haben, ein politisches Subjekt ist, dass genau dafür auch Verantwortung trägt, ist nicht nur vielen Leitmedien Anathema sondern auch einigen Ex-Antideutschen, die nunmehr unter dem Namen „Ideologiekritik“ firmieren, keinerlei Erwähnung mehr wert. So sehr sieht man sich dort im Kampf gegen den politischen Islam eingebunden, dass noch am banalsten deutschen Mob etwas Verteidigungswertes gefunden werden soll. Wenn die Empörung so groß ist, dann müsse ja etwas dran sein, an der Sache mit den Flüchtlingen, so billig, so propagandistisch ist die weiter um sich greifende Logik.

Es ist kein Glückstreffer den die AfD mit Chemnitz gelandet hat, sondern Ergebnis ihres strategischen Kalküls. Cottbus und Kandel dürfen hier exemplarisch als Vorläufer dienen, bei denen lokale Strukturen unterstützt wurden und durch Pressearbeit seitens der Partei zusätzliche öffentliche Aufmerksamkeit erhielten.

 

In Zeiten in denen große deutsche Zeitungen die Frage stellen, ob es nicht doch vertretbar sei, Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken zu lassen, wäre es mehr als nur naiv daran zu glauben, die gesellschaftliche Resistenz gegen weitere Vorstöße der AfD sei so groß, dass diese, samt der inzwischen offensichtlich gut integrierten neonazistischen Straßenkampftruppe, auf absehbare Zeit keine ernsthafte Gefahr darstelle. Sicher, die meisten westdeutschen Großstädte dürften von Geschehnissen wie in Chemnitz vorerst verschont bleiben, auf den immer erfolgreicheren Kurs der AfD, sowohl mediale Diskurse zu dirigieren, als auch den klassischen Straßenaktivismus der deutschen Naziszene einzubinden, nicht zu reagieren erscheint schlicht und ergreifend als fatal.

Daran ändern auch keine buntdeutschen Saubermannevents etwas, wie man sie fürs nächste Wochenende und den kommenden Montag erwarten darf, bei denen aber in altbekannter Hufeisenmanier, im gleichen Atemzug mit der Kritik der Vorkommnisse der vorigen Woche eine Absage an den Linskextremismus und eine Mahnung vor antifaschistischen Interventionen erfolgen wird.

Dieser Interventionen bedarf es immer dringender.

Demobericht „Nazis mattsetzen“ – Erfurt 01.05.2018

Für den gestrigen Dienstag hatte sich die NPD in Erfurt angekündigt. Zum Tag der Arbeit wollte man an den nationalsozialistischen Vereinnahmungsversuch des klassisch linken Arbeitskampftages anknüpfen. 12 Uhr war offiziell als Startzeitpunkt angegeben. Der Gegenprotest sammelte sich früher, um 10 begann eine Demonstration des DGB, die dann gegen 11 zum offiziellen Gegenprotest dazustieß. Rund um die Naziroute waren angemeldete Kundgebungen platziert, somit gab es immer Anlaufpunkte im Zielgebiet.

Während die Gegendemo pünktlich an Hauptbahnhof ankam, gab es bei den Nazis Verspätungen. Das Problem: Es gab zu wenig Ordner und so musste Sebastian Schmidtke tatsächlich auf der Bühne nach Leuten ohne Vorstrafen fragen, andernfalls hätte die Demonstration nicht starten können. In der Zwischenzeit versuchten diverse Kleingruppen auf die Strecke zu kommen und diese zu blockieren, die überschaubare Straßenbreite und -anzahl entlang der Route ermöglichte es der Polizei jedoch, relativ problemfrei dies frühzeitig zu unterbinden.

Vom Gegenprotest lösten sich viele Personen und versuchten, über den Stadtpark auf die Route zu kommen. Die Polizei blockierte daraufhin den Protrest und kesselte ihn effektiv in Richtung der Nazis ab. Die abgeflossenen Gruppen wurden teilweise mit Pfefferspray und Knüppel angegriffen, es gab einige Verletzte. Diese mussten zum Teil ins Krankenhaus und auch die Polizei sah sich genötigt entgegen der sonst üblichen Kommunikation offiziell von Verletzten Demonstrierenden zu schreiben. Es wurde auch eine zivile Person verletzt.

Mit etwas Verzögerung konnte die NPD-Demo dann starten. Zu sehen gab es das übliche Spektrum aus JN, Kameradschaftsstrukturen und Parteikadern. Auch die Sektion Nordland aus Hamburg war wieder vertreten, ebenso ein paar autonome Nationalisten. Inhaltlich gab es auch keine großen Überraschungen, jedoch war es wieder erstaunlich wie offen man zu den eigenen Ansichten stand. So gab es mit „Antisemiten kann man nicht verbieten!“ und „Nie nie nie wieder Israel!“ ein ganz offenes Bekenntnis zum antisemitischen Vernichtungswahn. Auch die von der Identitären Bewegung popularisierte Parole „Jugend, Europa, Reconquista“ gab es in der Abwandlung „Jugend, Europa, Widerstand“ zu hören.

Der Gegenprotest durfte dann irgendwann zum Kundgebungsort am südlichen Ende der Naziroute, auch hier gab es einige Ausreiß- und Blockadeversuche, die Polizei konnte aber alle unterbinden. Den meisten Teil der Strecke konnten Nazis ohne Gegenprotest laufen, eine Blockade mit ca 20 Leuten wurden schnell geräumt. Zum Schluss schafften es noch einige Aktivist*innen auf die Nordseite des Bahnhofs, der Hauptteil des Gegenprotestes wurde aber auf der Südseite am direkten Gegenprotest gehindert. Insgesamt gab es zwei Ingewahrsamnahmen, die NPD konnte relativ ungestört die Route ablaufen.

Die Vergesslichkeit der Deutschen

Letztens schrieb uns ein Leser anlässlich eines Posts über die AfD, ob man denn noch überhaupt die AfD auseinandernehmen müsste. Tatsächlich muss man das auch eigentlich nicht mehr. Es ist schon längst bekannt, wofür diese Partei steht und was ihre einzelnen Mitglieder so von sich geben. Vom Nachwuchs-Fascho Höcke über Beatrix „ich schieße auch auf Kinder“ von Storch bis hin zum Rassisten-Opa Gauland. Sie alle haben schon lange gezeigt, wofür sie stehen. Dies wurde bereits vielfach analysiert und sollte weder die Gegner*innen noch die Befürworter*innen der AfD überraschen.
So ist es mit den meisten dieser Themengebiete. Es ist bekannt, warum die IB nur eine „Blut und Boden“ Gemeinschaft mit schlechten Haarschnitten ist, PEGIDA keine „Islamkritiker*innen“ sind und Kubitschek kein neurechter Intellektueller ist. Warum machen wir das also weiterhin? Warum schreiben wir weiter Analysen und bekämpfen sie, wo es nur geht? Es liegt schlicht daran, dass es nach wie vor notwendig ist. 
Im besten Fall zieht mediale Aufmerksamkeit irgendwelche Konsequenzen nach sich. Jemand wird aus einer Partei geworfen bzw. tritt zurück, z.B. bei der causa Poggenburg. In den meisten Fällen passiert aber nichts. Ein Selbstreinigungsprozess innerhalb der AfD oder anderen Organisationen fand nicht statt. Dafür werden sie aber nicht etwa verurteilt, sondern werden gar in den Bundestag gewählt und laufen mit hunderten anderer Idiot*innen im Kreis und brüllen gegen eine angebliche  „Islamisierung“ an. 
Vergessen um des Vergessens willen
Wie aber ist zu erklären, dass sie das immer noch tun? Sind sie alle begeistert vom Gedanken eines neuen Faschismus? Kann man da alles immer noch auf Angst und Protest gegen „die da oben“ schieben? Nicht jede*r Anhänger*in dieser Organisationen ist ein Fascho. Aber sie machen sich mit Faschos gemein. Die Rezeption des medialen Echos wird dabei entweder komplett negiert („Lügenpresse“) oder es kommt eine besonders deutsche Eigenschaft zum Vorschein – die Vergesslichkeit.
Wie ist es anders zu erklären, dass das Medienspiel, das sich seit Jahren auf unterschiedlichen Kanälen hinwegzieht, keine Wirkung auf diese Klientel zeigt? In der Echokammer der Rechten werden gerne Meldungen gebracht, die schon Jahre oder Jahrzehnte alt sind. Da haben sie ein gutes Erinnerungsvermögen. Da werden schließlich all ihre Vorurteile bestätigt. Da kann der Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, etc. sich Bahn brechen. 
Mein Weltbild gehört mir
Wenn aber Nachrichten aufkommen, die nicht in die eigene Filterblase passen, werden sie entweder negiert oder sie werden nach kürzester Zeit wieder aus dem Gedächtnis gedrängt. Für einfache Weltbilder gibt es nun mal nur einfache Erklärungen. Da ist halt der Ausländer an den Zuständen in dieser Welt schuld. Da taucht kein Jeff Bezos oder die Steuerhinterziehung, die durch die Panama Papers  aufgedeckt wurden, auf. Kritik an den Zuständen endet beim „die Islamisten vergewaltigen unsere Frauen“. Die Kapitalismuskritik endet zumeist in antisemitischen Verschwörungstheorien. 
Dabei spielt das Ausblenden der negativen Meldungen für die eigene Meinung eine große Rolle. Nur so kann das eigene Weltbild aufrecht erhalten werden. Das Weltbild beruht eben nicht auf einer kritischen Analyse, sondern einem Haufen Rassismus gepaart mit einem Hass „auf die da oben“. Das eigene Medienverständnis ist darauf fixiert, die eigene Meinung bestätigt zu bekommen. Abweichungen davon werden als lästige Störungen wahrgenommen und so ganz schnell wieder verdrängt.
Die Echokammer funktioniert. Und damit sie auch weiter funktioniert, wird sie von den Medienschaffenden der Rechten auch weiter befeuert. Dabei ist es völlig egal, ob diese Storys erlogen oder uralt sind. Hauptsache das Weltbild stimmt. Dabei ist das schlechte Gedächtnis ihrer Fanbasis ihr bester Freund. Um das zu verdrängen, was nicht in das eigene Weltbild passt, wird das gierig aufgesogen, was ihr eigenes Weltbild bestätigt. Denn wie damals kann man dann dank des schlechten deutschen Gedächtnis wieder sagen: wir haben von nix gewusst. Wir haben nix davon gewusst, als wieder Mollis auf Unterkünfte für Flüchtlinge flogen. Wir haben nix davon gewusst, dass schwangere schwarze Frauen zusammengeschlagen werden. Wir haben nix davon gewusst, dass Faschos wieder durch die Straßen marschieren. Aber natürlich haben sie davon gewusst. Sie haben es ja sogar noch gefeiert. Sie haben ja noch gegröhlt. Nur nach dem kollektiven Gedächtnisverlust folgt dann ja wieder das kollektive Jammern der Deutschen.

Die Extremismustheorie – Ursprünge, Inhalt und Auswirkungen

Der politische Diskurs in Deutschland wird seit Jahrzehnten von der Extremismustheorie bestimmt. Aufbauend auf die Totalitarismustheorie wurde mit ihr der Kampfbegriff „Extremismus“ geschaffen, später politikwissenschaftlich legitimiert und ist bis heute Basis für Behörden und Geheimdienste in Deutschland. Die Extremismutheorie beruht ausschließlich auf formalen, nicht auf inhaltlichen Kategorien und ist seit ihrer Entstehungszeit massiven Konjunkturen unterworfen. Ihr Einfluss ist in sämtlichen Medien nachzuvollziehen und wirkt sich massiv auf die Betrachtung politischer Thematiken aus. Im Folgenden soll dargelegt werden, wie die Extremismustheorie entstanden ist, welche Zielsetzungen damit einhergehen und wie sie auf das politische Geschehen einwirkt.

Ausgangspunkt – die französische Revolution  

 

Der Extremismustheorie liegt eine eindimensionale Betrachtung des politischen Spektrums zugrunde. Dieses bildete sich während der Anfangszeit der französischen Revolution heraus und bestimmt bis heute die Denkweise politischen Handelns. In der verfassungsgebenden Nationalversammlung positionierten sich die Abgeordneten nach ihrer politischen Ausrichtung. Rechts saßen die Royalisten und links saßen die Vertreter der neuen, noch zu formenden bürgerlichen Republik. Wichtig ist hier anzumerken, dass es sich bei der französischen Revolution um den Übergang von einem absolutistischen Staat mit feudalistischer Gesellschaft hin zu einem bürgerlichen Verfassungsstaat handelt, wie er bis heute als Idealbild westlicher Staaten und Gesellschaften betrachtet wird. Die Bezeichnungen verfestigten sich im Laufe der Jahrzehnte und wurden um eine ausgleichende Mitte erweitert. Der Ursprung der Termini „links“, „rechts“ und „Mitte“ im politischen Sinne liegt im Umbruch der Revolutionsjahre beginnend 1789 und der Sitzordnung im Nationalkonvent.

Viele politische Theorien und Ideologien von heute gab es damals noch nicht. Insbesondere politische Forderungen, die heute als „links“ gelten, haben ihren Ursprung in der Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft und der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, die mit ihr gemeinsam Einzug hielt und die Gesellschaft massiv in der Struktur änderte. Sozialistische, kommunistische (später als marxistisch bezeichnet) und anarchistische Ideen beginnen ab den 1820ern an Popularität zu gewinnen, vor allem ab 1840 durch Veröffentlichungen von Proudhon, Marx, Engels und Bakunin. Dennoch hat sich das „Links-Mitte-Rechts-Schema“ fest im politischen Diskurs verankert. Wer sich heute für einen bürgerlichen Verfassungsstaat in Richtung der BRD einsetzt, wäre 1789 ganz weit links gewesen.

Totalitarismustheorie – der italienische Kampf gegen Faschismus und Kommunismus

 

Mit diesem eindimensionalen Politikverständnis konnte dann in Italien die Totalitarismustheorie entstehen, welche den direkten Vorläufer der Extremismustheorie darstellt. Nach dem Ende des ersten Weltkriegs war Italien ein instabiler Staat, unterschiedlichste Gruppierungen versuchten die Macht im Staat zu erlangen.

Trotz großer Kriegsanstrengungen und hoher Verluste bekam der italienische Staat nach Kriegsende nur einen kleinen Teil der Gebiete zugesprochen, die er sich erhofft hatte. Als Sieger aus den politischen und gesellschaftlichen Spannungen ging der Bennito Mussolini hervor, der schließlich die konstitutionelle Monarchie in den Jahren 1922 bis etwa 1928 in einen faschistischen Staat umwandelte. Er prägte den Begriff des Faschismus in seiner heutigen Bedeutung und lieferte die Grundlage (sowohl ideologisch als auch organisatorisch) für alle folgenden faschistischen Bewegungen und Regime.

Das System, welches Mussolini zu etablieren gedachte, wurde vom Italiener Giovanni Avendola als totalitär bezeichnet. Der Begriff wurde dann ausgearbeitet, damit er anschlussfähig an liberale und (national)konservative Spektren war. Ziel war es, die beiden großen Gegenspieler der Zeit – Kommunismus (in Form der Bolschwiki in Russland) und Faschismus – gleichermaßen zu diskreditieren. Ausgangspunkt der Analyse war hier der „totale“ Anspruch auf Staat und Gesellschaft. Alles solle von der Ideologie durchdrungen werden. Welche das nun sei, ist der Theorie egal. Eine der bekanntesten literarischen Auseinandersetzungen mit dem totalitären Ansatz liefert George Orwell mit „1984“.

Die eindimensionale Einteilung in links (Kommunismus), rechts (Faschismus) und Mitte (alles dazwischen) bot hier die praktische Grundlage, um zwei inhaltlich völlig verschiedene ideologische Richtungen gleichzeitig zu stigmatisieren. Dabei war die „Mitte“ hier nicht gleichbedeutend mit dem, was heute als „Mitte“ verstanden wird. Dort fanden sich auch reaktionäre, nationalistische, christlich-fundamentalistische und royalistische Kreise. Auch in Deutschland wurden das bolschewistische Regime in Russland und das faschistische Regime in Italien gleichgesetzt. Federführend ist hier der Sozialdemokrat Kautsky zu nennen, ein früher Kritiker des Bolschewismus. Die SPD beging ihren zweiten Hochverrat an der eigenen Sache und bediente sich der monarchistisch-nationalistischen Freikorps um linksrevolutionäre Bestrebungen niederzuschießen. Bekannteste Opfer davon sind Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und die Münchner Rärerepublik. Zudem verband sich in Deutschland schnell die Angst vor dem Bolschewismus mit dem grassierenden Antisemitismus und wurde dann zur jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung. Einem Wahn, den hauptsächlich die Nazis unentwegt verbreiteten.

Die Totalitarismustheorie orientiert sich dabei alleinig an der organisatorischen Ausprägung von Staat und Gesellschaft, nicht an den ideologischen Ausrichtungen. Durch die Doppelstrategie gegen Bolschewismus/Kommunismus auf der einen und den Faschismus auf der anderen Seite fand die Theorie schnell größeren Anklang in den bürgerlichen Gesellschaften. Auch in den USA, wo ab 1935 eine erste wissenschaftliche Kategorisierung des Totalitarismusbegriffes vorgenommen wurde und 1939 ein erster Totalitarismuskongress stattfand.

Der Erfolg der Totalitarismustheorie in den westlichen Staaten lässt sich durch die historischen Umstände erklären. Im Laufe des 19. Jahrhunderts hatten sozialistische, kommunistische und anarchistische Kräfte großen Einfluss innerhalb der Gesellschaften durch den organisierten Arbeitskampf erlangt. Der Erfolg war so groß, dass z. B. im Deutschen Reich erst die Sozialistengesetze zur Repression erlassen wurden, Bismarck dann wegen der Unmöglichkeit der Unterdrückung die Sozialgesetzgebung einführte. Seine Hoffnung, so den Einfluss der Gewerkschaften zu verringern, erfüllte sich nicht. Gewerkschaften und Parteien organisierten sich zudem international. Mit dem Sieg des Bolschewismus in Russland war nun erstmals eine kommunistische Gruppe an der Macht. Die bestehenden bürgerlichen und konstitutionell-monarchistischen Systeme fürchteten, dass das internationale Proletariat dem Beispiel Lenins folgen und eine Weltrevolution beginnen würde. Aus diesem Grund griffen dann auch die Staaten der Entente in den russischen Bürgerkrieg ein. Mussolini auf der anderen Seite schaffte es in Italien, die nationalistischen Kräfte zu bündeln und seinerseits die Macht im Staat zu erlangen. Daran orientierten sich dann wiederum andere Kräfte in anderen Ländern, am bekanntesten Hitler in Deutschland, aber auch Personen wie Mossley im britischen  Empire.   

Für die bestehenden Systeme gab es also zwei konkrete Gefahren:

den Bolschewismus/Kommunismus und den Faschismus. Die Totalitarismustheorie erfasst praktischerweise beide, weshalb sie von bürgerlichen Kräften als auch Royalisten gefördert wurde. Auch das Narrativ, die Weimarer Republik sei durch einen Zangengriff aus Kommunismus und Faschismus untergegangen, führt den Tenor der Totalitarismustheorie fort. Dabei werden hier einerseits beide Ausrichtungen als gleich dargestellt und es findet auch eine Entschuldung der Kräfte statt, die nicht faschistisch waren, aber mit der NSDAP kooperierten oder größere ideologische Überschneidungen hatten. Die Vertreter der sogenannten „konservativen Revolution“, monarchistische und nationalistische Kreise seien hier genannt. So waren es nicht kommunistische Kräfte, die Hitler zur Regierungsverantwortung verhalfen, sondern von Papen und die DNVP. In der allgemeinen Erzählung wird aber auch immer der KPD eine Schuld am Untergang der Weimarer Republik und dem Aufstieg Hitlers gegeben, den bürgerlichen Kräften aber eher selten.

Entwicklung hin zum Extremismusbegriff in der BRD 

 

Während des Zweiten Weltkriegs verlor die Totalitarismustheorie dann kurzzeitig an Bedeutung. Schließlich brauchte man die Sowjetunion als Partnerin im Kampf gegen Japan. Mit Beginn des Kalten Krieges wurde die Theorie wieder bedeutsamer. teilte sich die Welt nun in den bürgerlich-kapitalistisch ausgerichteten Westen und den realsozialistischen Ostblock. In der BRD entwickelte sich aus der Totalitarismustheorie im Laufe der Zeit die Extremismustheorie. Um ein weiteres Scheitern ähnlich der Weimarer Republik zu verhindern, wurde zu Beginn der BRD das Konzept der „wehrhaften Demokratie“ entwickelt. Der Staat soll durch seine Organe dazu in der Lage sein, den Verfassungsstaat und die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ gegen später als extremistisch bezeichnete Bestrebungen zu verteidigen, die die parlamentarische Demokratie grundlegend außer Kraft setzen oder abschaffen wollen – von außen oder innen. Anfänglich war der Begriff „radikal“ in den Behörden gebräuchlich, wie man unter anderem an dem „Radikalenerlass“ sieht. Dieser traf mehrheitlich linksorientierte Personen.

Behörden und Geheimdienste wurden jedoch mit Personen besetzt, die z.T. tragende Rollen im NS-Staat inne hatten. Als exemplarisches Beispiel sei hier der BND angeführt, der aus der Organisation Gehlen hervorging. Reinhard Gehlen, erster Präsident des BND, war Wehrmachtsoffizier und integrierte diverse ehemalige NS-Kader in die neuen Behörde. Auch beim Verfassungsschutz und dem BKA wurden ehemalige NS-Kader tätig. Eine umfassende Aufklärung über die eigene Vergangenheit blieb oberflächlich und der Feind stand, wie schon ein paar Jahre zuvor, im Osten und war kommunistisch.

Der Begriff des „Extremismus“ wurde erstmals im Verfassungsschutzbericht im Jahr 1973 als Verwaltungsbegriff eingeführt und hat sich aus dem zuvor und bis heute gebräuchlichen „Radikalismus“ entwickelt. Das Wort „radikal“ leitet sich vom lateinischen Wort für Wurzel ab: radix. Im politischen Kontext bedeutet das, dass die Gesellschaft von Wurzel auf, also grundlegend, verändert werden soll. Daher könnte man auch radikal demokratisch sein, wenn man in einem autokratischen Staat lebt. Mit Extremismus wird hingegen eine bestimmte Ausprägung beschrieben. Dieses Extrem stelle den äußeren Rand des radikalen Spektrums dar dar, welches sich vom Zentrum immer weiter entfernt hat. Eine konkrete Aussage über einen gesellschaftlichen Anspruch ist hier schon nicht mehr gegeben. Ab den 1980er Jahren wurde der Begriff Extremismus nachträglich mit politikwissenschaftlichen Definitionen versucht, zu legitimieren. Zunächst gab es eine Negativdefintion. Federführend waren dabei Uwe Backes und Eckhart Jesse. Durch eine Negativdefinition wird Extremismus als das Gegenteil bestimmter Eigenschaften definiert. Später kamen dann Positivdefinitionen hinzu, welche Merkmale aufstellen, die Extremismus selbst erfüllt.

Negativdefinition

 

Hier wird die Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates als zentrales Merkmal genommen. Der demokratische Verfassungsstaat ist durch Gewaltenteilung, Individualität, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus und Volkssouveränität definiert. Extremismus wäre nach Backes die Ablehnung dessen und der allgemeinen Normen und Regeln des modernen demokratischen Verfassungsstaates. Es werden negative Positionen zu bestimmten Merkmalen als ausschlaggebend für die Etikettierung als Extremismus genommen. Warum diese Normen und Merkmale abgelehnt werden, ist für die Definition irrelevant. Die Form ist ausschlaggebend, nicht der Inhalt – ein Element, das schon die Totalitarismustheorie prägte.

Positivdefinition 

 

Im Gegensatz zur Negativdefinition werden hier Merkmale aufgestellt, die Extremismus von sich aus erfüllt. Dadurch ist diese Definition exakter, ändert aber nicht das Grundproblem. Zu den Merkmalen von Extremismus zählen nach Backes Absolutheitsansprüche (offensiv und defensiv), Dogmatismus, Utopismus oder kategorischer Utopie-Verzicht, Freund-Feind-Stereotype, Verschwörungstheorien, Fanatismus, Aktivismus. Nach Armin Pfahl-Traughber sind es: exklusiver Erkenntnisanspruch, dogmatischer Absolutheitsanspruch, essentialistisches Deutungsmonopol, ein deterministisches Geschichtsbild, eine identitäre Gesellschaftskonzeption (Forderung nach politischer Homogenität) und das Denken in kompromisslosen Gegensatzpaaren.

 

Das Kernproblem

 

Grundlegend haben wir hier das Problem, dass der derzeitige Verfassungsstaat als sogenannte Mitte angenommen wird. Diese gesellschaftliche Mitte ist aber einerseits nicht fest definiert und andererseits auch nur als Ideal postuliert. Nehmen wir die Bundesrepublik im Jahr 1950: Frauen dürfen nur mit Erlaubnis des Ehepartners arbeiten, ausgelebte Homosexualität steht unter Strafe, Vergewaltigung in der Ehe ist straffrei, Umweltschutz kaum ein Thema, Aufarbeitung der NS-Vergangenheit findet nur oberflächlich statt, man wollte die deutschen Ostgebiete zurückhaben. All das war die „Mitte“ der Gesellschaft. Heute wäre man mit diesen Forderungen reaktionär, damals mit heute völlig selbstverständlichen Forderungen kein Teil der gesellschaftlichen Mitte gewesen.

Das Problem der Extremismustheorie ist, dass sie ein eindimensionales Politikverständnis hat. Es gibt eine Mitte und von dieser kann man sich entfernen. Je weiter man dies tut, desto extremistischer wird man. Und es wird als Mitte schlichtweg als die jetzige Ordnung genommen. Wichtig ist dabei der Umstand, dass der Begriff vom Verfassungsschutz verwendet wurde, bevor er in der Politikwissenschaft definitorisch auftaucht. Einige Politikwissenschaftler (es waren alles Männer) haben sich in den Dienst des Verfassungsschutzes gestellt und einen von ihm benutzten Begriff nachträglich mit einer Legitimation zu versehen versucht. Der Verfassungsschutz wiederum hat einen Begriff verwendet und eingeführt, für den es keine politikwissenschaftliche Definition gab. Es kann sich also aus politikwissenschaftlicher Sicht nur um eine Nachpräzisierung handeln, keine freie Forschung, da der Begriff schon durch den Verfassungsschutz vordefiniert wurde. Sehen wir uns sowohl die Positiv- als auch die Negativdefinitionen des Extremismusbegriff an, fällt eine Parallele zur vorher erläuterten Totalitarismustheorie auf.

Und zwar weisen beide Definitionsarten keinerlei inhaltliche Betrachtungen auf. Nehmen wir den Punkt „Ablehnung des Verfassungsstaates“. Eine faschistische Ideologie lehnt den Verfassungsstaat ab, weil sie ein hierarchisches Ein-ParteienSystem mit Führerprinzip anstrebt, einen ethnisch reinen und gesunden „Volkskörper“, ein militaristisches System und eine möglichst große Aufhebung der Individualität zur Stärkung der über allem stehenden Volksgemeinschaft. Eine anarchokommunistische Ideologie lehnt den bundesrepublikanischen Verfassungsstaat ab, weil er die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaftsordnung zementiert und das Eigentum schützt. Enteignungen von großem Kapital- und Immobilienbesitz sind ausgeschlossen. Der deutsche Nationalstaat darf nicht aufgelöst werden, eine basisdemokratisch kommunalverwaltete Regionalstruktur und eine Auflösung der kapitalistischen Produktionsweisen sind nicht möglich. 

Laut Extremismustheorie sind beide ideologischen Richtungen extremistisch und bedürfen keiner weiteren inhaltlichen Auseinandersetzung. Eine direkte Folge davon ist, dass in der breiten Öffentlichkeit nur ein rudimentäres Verständnis politischer Ideologien und Termini vorliegt. Weite Teile der Medienlandschaft affirmieren zum einen die viel zu simple links-Mitte-rechts-Einteilung und dazu Extremismustheorie. Anarch@a, Kommunist*innen, Stalos, Faschos, Neonazis, religiöse Fundis – sie alle sind gleichermaßen extremistisch und werden somit für die uninformierte Öffentlichkeit gleichgesetzt. In der Politikwissenschaft ist die Extremismustheorie wegen ihrer fehlenden inhaltlichen Aufarbeitung von Ideologien und der unmittelbar positiven Affirmation des bundesrepublikanischen Verfassungsstaates sehr umstritten und findet kaum größere Verwendung.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Verwendung der Extremismustheorie aus sehr vielen sehr guten Gründen zu vermeiden ist. Wann immer Personen dies tun, liegt vermutlich fehlendes Grundwissen politischer Ideologien vor. Von der Seite staatlicher Behörden stellt dies kein Problem dar, denn so werden unliebsame gesellschaftliche Strömungen gleichermaßen diskreditiert. Also was tun? Nennt die Kinder doch einfach beim Namen. Nationalismus, Faschismus, Antifeminismus und so weiter und so fort. Je präziser die Begriffsverwendung ist, desto schwieriger ist es auch, gegen diese argumentativ vorzugehen. Der Extremismusbegriff auf der anderen Seite ist wiederum sehr einfach auszuhebeln.

Dresden – Opfer oder Opfa?

Jedes Jahr aufs Neue versuchen Faschos und andere Geschichtsverdreher in Dresden ein großes Mimimi unter die Leute zu bringen. Letztes Jahr zeichnete sich die Stadt Dresden durch ein besonderes Ereignis aus. Vor der Frauenkirche wurden drei Busse aufgerichtet und erinnern an entsprechende Straßenbarrikaden in Aleppo, mit der Schutz vor Snipern des Assad-Regimes geschaffen wurde. Dresden ist aber nicht ohne Grund Hauptstadt von Sucksen. Auch in diesem Jahr versucht das nationalistische Spektrum die Bombardierungen für sich zu vereinnahmen, Dresden stellt wie immer mit dem in der DDR begonnen Opfermythos das Zentrum des Geschichtsrevisionismus dar.

Unter lautstarker Wortführung von Lutz Bachmann wurde gegen diese Installation protestiert, gegeifert und gehetzt. Bachmann ist schon lange wieder die regionale Randfigur geworden, die er immer war. Im Zuge seines unvermeidlichen Abstieges in Richtung Bedeutungslosigkeit wurde sein Tonfall immer offener faschistisch. Letztes Jahr hatte er den Revisionismus um die Dresdner Bombardierung für sich entdeckt und ließ alles vom Stapel: „alliierte[r] Bombenterror“ (1) und „Bombenholocaust“ (2) waren dabei, die Installation nannte er „die Schande von Dresden“ (3) und benutzte doch glatt IB-Sprache mit dem Wort „Remigration“ (3) Gegen die Installation wollte er Klage einreichen (2), wie so viele andere großmundige Ankündigungen von ihm ist daraus nichts geworden. Zusammengefasst: Bachmann opferte rum. Was er natürlich nicht versteht (wie all die anderen Geschichtsrevisionist*innen), ist die tatsächliche Symbolbedeutung von Dresden – wenn es denn unbedingt Dresden sein muss.

Back in the days

 

Rollen wir die ganze Angelegenheit mal von vorne auf und gehen zurück ins Jahr 1936. Mit dem Angriff der Luftwaffe auf Guernica hat das Deutsche Reich erstmals ein Flächenbombardement mit Bomberstaffeln durchgeführt (4). Die spanische Stadt wurde im Zuge dessen fast vollständig zerstört, von Picasso in einem seiner berühmtesten Werke verewigt und ist das Auftaktfanal der menschenverachtenden Kriegsführung des Deutschen Reiches. Die erste Kriegshandlung des Zweiten Weltkrieges war dann die Bombardierung von Wieluń ab 4:37 am 01.09.1939 – vor offiziellem Kriegsbeginn. Von den etwa 16.000 Einwohner*innen starben bis zu 1200 und die Stadt wurde mehr oder weniger komplett zerstört. (5) Als erste Großstadt bekam dann Warschau über Wochen hinweg ein durchgehendes Bombardement zu spüren und wurde als erste Großstadt teilweise zerstört. Weitere bekannte deutsche Bombardierungen sind die von Rotterdam, „the Blitz“ in London, Belgrad und Coventry. Hitler rief die „Luftschlacht um England“ aus und verlor sie bis Anfang 1941.

Die deutsche Kriegsführung sah großräumige Städtebombardierungen von Anfang an vor. Diese waren Teil des Vernichtungskrieges des Deutschen Reiches. Dieser traf vor allem die östlichen und südöstlichen Gebiete des europäischen Schlachtfeldes mit voller Härte und gipfelte schließlich in der industriellen Massenvernichtung von Menschen durch Menschen in den KZs und Vernichtungslagern, hauptsächlich von Juden, aber auch von Sinti, Roma und anderen „minderwertigen“ Menschen, politischen Feinden und Kriegsgefangenen. Nebenbei hat Hitler auch diverse Länder angegriffen , die nicht am Krieg partizipieren wollten. Das britische Empire und Frankreich hatten dem Deutschen Reich nach dem Angriff auf Polen den Krieg erklärt. Im Jahr 1940 griff Hitler folgende Länder an: Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Dänemark, Norwegen, im Jahr 1941 dann: Jugoslawien, Griechenland, Sowjetunion. Mit Ausnahme Frankreichs waren das übrigens alles einseitige Kriegserklärungen, sprich Angriffskriege.

Nach der Niederlage der Luftwaffe über dem englischen Luftraum setzte Hitler auf die Entwicklung seiner Wunderwaffen. Großangelegte Bombardements auf die britischen Inseln waren nicht mehr möglich. Bis Kriegsende wurden etwa 12.000 Flügelbomben des Typs V1 abgefeuert, etwa 3.200 Raketen des Typs V2. Die meisten davon waren auf London und Antwerpen gerichtet. Diese Sprengkörper waren ungelenkt und konnten somit überall runtergehen und alles treffen.


Total und radikal


Der deutsche Krieg wurde im Verlauf immer brutaler, Goebbels rief in seiner Sportpalastrede den totalen Krieg aus. In den besetzten Gebieten wurde der Fiebertraum der arischen Herrenrasse und des Lebensraums im Osten menschenverachtend umgesetzt, Zwangsarbeit und Erschießungen bestimmten den Alltag. Nach der Wannsee-Konferenz wurden die industrielle Vernichtung der Juden beschlossen und mit deutscher Gründlichkeit und bürokratischer Präzision in die Tat umgesetzt. Der Tod war eben ein Meister aus Deutschland. Und gestört hat es die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit offenbar nicht. Es gab genügend Leute, die in den Konzentrationslagern gearbeitet haben, der Rassenwahn war offizielle Staatsdoktrin. Selbst bei immer härter werdender Brutalität auch der eigenen Bevölkerung gegenüber regte sich kein nennenswerter Widerstand. Gab es zum Ende des Ersten Weltkrieges die Novemberrevolution, gab es jetzt den Kadavergehorsam. Das NS-Regime wurde von der Bevölkerung bis zum bitteren Ende mitgetragen. Keine meuternden Matrosen, keine revoltierenden Wehrmachtsverbände, keine streikenden Fabriken, nichts. Aus diesem Grund wird auch mit Fug und Recht von den Deutschen als Tätervolk gesprochen. Weil die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit das schlimmste aller Verbrechen von Menschen an Menschen zugelassen und mitgetragen hat – den Holocaust.

Wer ist dran schuld?

 

Und was hat dieser historische Ausflug jetzt mit Dresden zu tun? Ganz einfach: Hier wird von rechter Seite versucht, die Deutschen als Opfer darzustellen. Über Sinn und Unsinn der alliierten Flächenbombardements von Städten, des sogenannten „moral bombing“, lässt sich streiten. Es war auch damals in der britischen Generalität nicht unumstritten. Aber wer trägt die eigentliche Schuld daran? Ist es nicht etwa das Deutsche Reich selber, dass diese Taktik mit Guernica und Wieluń eingeführt hat und den Grundstein für alle späteren Aktionen dieser Art legte? Es ist einzig und allein dem Sieg des Empires in der Luftschlacht um England zu verdanken, dass die deutsche Luftwaffe ihrerseits die Flächenbombardements nicht weiterentwickeln konnte. Später verhinderte die enorme Frontlänge verbunden mit Produktions- und Nachwuchsproblemen größere Bomberaktionen des Deutschen Reiches. Das zivile Opfer den Deutschen egal waren, zeigen die V1 und die V2 unwiderruflich, es ging einzig um Zerstörung und Chaos.

Der Zweite Weltkrieg wurde vom Deutschen Reich begonnen und zwar ab der ersten Minute mit einer unvorstellbaren Menschenverachtung und -vernichtung auf allen Ebenen. Es war ein Vernichtungskrieg. Es gab keine „edle Wehrmacht“, wie sie von vielen Faschos heute gerne stilisiert wird. Das Deutsche Reich hat die Brutalität selbst in diesen Krieg eingeführt und ihn dann auch noch für „wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt erst vorstellen können“ erklärt. Wer denkt, dass ein Land, welches den Holocaust mit stillschweigender Billigung der Bevölkerung durchführt, in einem derartigen Krieg das Opfer ist, der hat so Einiges nicht verstanden. Wenn dann auch noch die Einmaligkeit des Holocaust auf das Tätervolk umgemünzt wird („Bombenholocaust“), dann sind endgültig alle Sicherungen durchgebrannt. Die Schuld an den Toten in Dresden trägt Nazideutschland. Und niemand sonst. Dresden ist somit eines der Symbole für den totalen Krieg. Du kannst nicht einfach einen Vernichtungskrieg starten, ohne dafür eine Antwort zu bekommen. Und genau dieses Symbol ist Dresden: Das Resultat der eigenen Menschenverachtung.

(1) http://archive.is/1Ql7L
(2) Bachmann sagt „Bombenholocaust“ bei Minute 2:20 https://www.youtube.com/watch?time_continue=139&v=TOodEjvCECE
(3) http://archive.is/T2ZeJ
(4) Darstellung des Angriffs auf Guernica mit vielen Quellenbelegen: http://www.bits.de/public/articles/ami/ami07+08-03.htm
(5) http://www.spiegel.de/einestages/kriegsbeginn-1939-a-948468.html

 

AfD und Islamismus

In Berlin gab es im Zuge des Jahrestag des islamistischen Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz drei verschiedene Veranstaltungen. Die NPD hatte sich angekündigt, dagegen gab es eine Kundgebung mit antifaschistischer Beteiligung. Schon länger angekündigt war eine Kundgebung vom Bündnis Berlin Gegen Islamismus, welche vermutlich eine größere Vereinnahmung durch reaktionäre und nationalistische Kräfte verhindern sollte. Um diese Veranstaltung gibt es nun etwas Knatsch, denn es waren mehrere AfD-Abgeordnete anwesend. Aus antifaschistischer Sicht ist das natürlich enttäuschend, denn mit solchen Personen will man nichts zu tun haben, man besucht höchstens mal ihre Büros klandestin. Dies wollen wir mal als Anlass nehmen, ein paar Worte zu diesem ganzen Komplex zu äußern.

Die Kundgebung in Berlin

Grundsätzlich haben wir es bei der Veranstaltung mit einem bürgerlichen Bündnis zu tun, einen militanten Eindruck hinterlassen weder Präsentation noch Redner*innenliste. Dort finden sich dann durchaus kritische Personen wie Hartmut Krauss (seine Position in Sachen Flüchtlinge und Zuwanderung liest sich stark nach einem Nutzenprinzip für die deutsche Wirtschaft, danke nein) und umstrittene wie Justus Wertmüller, Unterstützung kommt dann aber auch von grundlegend stabilen Leuten wie Stephan Grigat. Einem solchen Bündnis ist nicht vorzuwerfen, wenn sich Personen ins Publikum stellen, die man nicht unbedingt da haben will, und diese nicht von der Kundgebung entfernt werden. In den Redebeiträgen wurde sich dazu auch explizit geäußert und Position gegen die AfD bezogen, Partei- oder sonstige Orgafahnen und -schilder waren nicht gestattet. Mitglieder der faschistischen Identitären Bewegung versuchten eine Aktion mit Schildern, wurden dann aber wohl umgehend entfernt. Die AfD-Leute fielen auch nicht weiter auf, sie waren einfach nur da. Angesichts der Umstände einer bürgerlichen Kundgebung gegen Islamismus und in Gedenken an die Opfer vom Anschlag aus dem Vorjahr ist das also durchaus mit Bauchschmerzen zu vertreten.

Auf der Seite versucht man sich gegen Querfrontanschuldigungen zu verteidigen und verweist auf das JFDA – Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus, welches die Kundgebung begleitet hatte und die Veranstaltung in Schutz nimmt. Unter genau diesem Post findet sich dann aber einiges an offen reaktionären und AfD-bewerbenden Kommentaren, wo auch nicht durch die Seite gegenkommentiert wird. Hier ist zumindest die Social Media-Arbeit sehr schwach. Denn es gibt folgende Kommentare zu lesen:

„Wer den Kampf gegen den Islam(ismus) ernst nimmt, kann sich nicht gleichzeitig gegen die AfD stellen, die – ob es einem passt oder nicht – die einzige Opposition in diesem Land ist, die sich diesbezüglich eindeutig und klar positioniert hat: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“.“

„Die Juden in Deutschland werden mehrheitlich auch noch begreifen, dass die AfD die einzige parlamentarische Kraft ist, die vor allem auch ihre Interessen vertritt. Die Frage ist nicht ob, sondern nur wann…“

„Warum kann man nicht die AfD entweder aussen vor lassen – oder aber klar sagen, dass es die einzige Partei (!)ist, die diese Positionen in die Parlamente bringt; gleichwohl aber im Osten auch mehrere unappetitliche Gestalten mitschleppt, mit denen man nix zu tun haben will.“

„Berlin Gegen Islamismus, „Rechts“ ist eine absolut legitime, systeminhärente demokratische Position in jeder parlamentarischen Demokratie seit der französischen Revolution. Die politische Rechte als „Nazi“, „faschistisch“ etc. pp. zu diffamieren, oder ihr die Teilnahme am demokratischen System verweigern zu wollen, oder ihr gar das Existenzrecht selbst absprechen zu wollen, ist nicht nur ideengeschichtlich und normativ de facto falsch, sondern auch originär antidemokratisch und verfassungswidrig.
Indem ihr genau das tut, unterstützt ihr unmittelbar die Positionen und den Machtzuwachs genau jener tatsächlich faschistoiden Ideologie, die ihr vorgebt zu bekämpfen – genauso wie ihr damit jener nicht minder totalitaristisch orientierten politischen Ideologie recht gebt, die heutzutage den Westen ergriffen hat und für Import und Ausbreitung von Islam, Islamismus und Antisemitismus direkt verantwortlich ist.
Solcherart gestaltet ist euer Protest nichts weiter als eine Farce.“

„Man muß hoffen und darauf hinwirken, daß die Veranstalter ihre irrationalen Berührungsängste gegenüber AfD, IB und anderen Islamkritikern ablegen werden.“

„Jemanden mit der AfD Keule zu überziehen ist praktisch, denn so muss man über den eigentlichen Inhalt nicht mehr reden und ist Teil des mutigen „Widerstands“.“

Das Angehen gegen die AfD war dabei übrigens der einzige leider unerfreuliche Fehler, denn die AfD ist die Partei des politischen Realismus aus der Mitte dwr Gesellschaft – genau wie Ihr!
Alles anndere ist Propaganda und schadet der gemeinsamen Sache.

Als positives Herausstellungsmerkmal die Positionierung gegen die AFD zu erwähnen finde ich unpassend bzw lästig. Wer mantramäßig seine politische Korrektheit beteuert und sich völlig überflüssig von gewichtigen Verbündeten abgrenzt, der wird scheitern.

Auch wenn Wertmüller kommentiert, dass man sich nicht immer rechtfertigen müsse, steht die Seite nun einmal öffentlich für ein neues Bündnis und muss auch entsprechend administriert werden. Sich in hier nicht zumindest mit einem Kommentar gegen offenes Anbandeln mit faschistischen Akteuren auszusprechen ist schwach. Und langfristig dann auch der Grund, warum man sich eventuell mit Vorwürfen konfrontiert sieht, man sei rechtsoffen oder grenze sich nicht stark genug ab. Die Basics von Öffentlichkeitsarbeit sollte man verstehen und umsetzen, wenn man sich in die Öffentlichkeit stellt. Dazu gehört auch eine entsprechende Administration der Seite, egal wie wenig man das mag oder nicht. Wenn man solchen Kommentaren nicht offen entgegentritt, dann werden mehr dieser Art folgen.

Der Sündenfall für die Ottologiekritik

Bei einem Redner der Veranstaltung wird die Sache dann noch mal abstruser. Amed Sherwan ist ein Flüchtling aus dem Irak, wurde dort gefoltert und engagiert sich gegen Islamismus. Auf seinem Profil verteidigt er die Veranstaltung gegen einen Artikel der taz, die die Veranstaltung als krude und unentschlossen gegenüber den anwesenden AfD-Mitgliedern und der IB beschreibt. Sherwan widerspricht dieser Darstellung weist darauf hin, dass es sehr wohl offene Ansagen in Richtung der AfD gegeben hat und er selber Opfer rassistischer Beleidigungen ist: „Einer der Redebeiträge war von mir und darin habe ich mich unmissverständlich gegen einen Generalverdacht gegen alle Muslime ausgesprochen und beschrieben, wie selbst ich als Ex-Muslim rassistische Terrorunterstellungen erlebe. Ich habe daher aus guten Gründen keinen Kontakt zu AfD’lern und nicht wissen können, dass sich welche im Publikum befinden.Für mich haben AfD’ler genau so wenig bei einer Veranstaltung für ein friedliches Miteinander zu suchen, wie verfassungsfeindliche Islamisten.“

Und was passiert nun bei ihm? Personen aus dem besonders polemischen ideologiekritischen Sektor fallen ein und kritisieren Sherwan unter diesem und einigen weiteren Posts. Ottologiekritik in Vollendung. Anstatt sich mit Sherwan gegen den taz-Artikel und die aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Kritik zu stellen, wird Sherwan dafür kritisiert, dass er sich offen gegen die AfD ausspricht. Dabei fallen dann Aussagen wie folgende:

„Beleg mal das mit dem Antisemitismus. Soweit ich weiß, ist die AfD Israel wohlgeneigter als der Rest.“

„Islamkritik ist für dich also keine Frage der objektiven Wahrheit, sondern der Gesinnung. Statt im Ton des Entrüsteten a priori Einverständnis einzufordern, könntest du auch die Punkte zum Islam im Parteiprogramm der AfD lesen. Da hat diese Partei nun einmal Recht und jedes heite noch erbsthaft ab der Revolution interessierte Individuum kann sie unterschreiben. Damit steht die AfD in der politischen Öffentlichkeit der Bundesrepublik allein da.“

„Der postnazistische Charakter der SPD ist anders als der der AfD, während die SPD auf ein antinational dominant deutsches Expansionsstreben setzt, möchte die AfD die Wiedererlangung deutscher Souveränität, was keinesfalls edler, jedoch um eines vernünftiger und zudem weit weniger perfide ist.“

Personen, die sich natürlich niemals in AfD-Nähe wissen wollen, verteidigen diese auf einmal vehement und unter völliger Verblendung von Tatsachen. Zum einen wird tatsächlich der Antisemitismus der AfD mit dem Hinweis auf deren Israelsolidarität in Frage gestellt. Als ob sich Antisemitismus allein auf diese Frage reduzieren ließe. Dass es AfD-Mitglieder gibt, die die Protokolle der Weisen von Zion benutzen, man allenthalben antisemitische Verschwörungstheorien wie von der Umvolkung oder den gelenkten Flüchtlingsströmen bedient, ständig den Puppenspielerantisemitismus vom bösen System bedient, welches alles kontrolliere, Geschichtsrevisionismus, deutsche Ideologie und so weiter – alles scheint egal, man hat sich ja schließlich mal israelsolidarisch geäußert. Das Petry und Pretzell nicht mehr zur Partei gehören wird dann auch gnädig übersehen.

Zum anderen wird dann immer und immer wieder auf das Parteiprogramm der AfD verwiesen, dieses sei ja doch ganz ok in etlichen Punkten. Dabei ignoriert der geneigte Ottologiekritiker dann auch geflissentlich, dass weite Teile der Partei eine ganz andere Agenda fahren und sich immer wieder viel radikaler äußern, als es da Parteiprogramm hergibt. Sozialdarwinisten wie Höcke und Poggenburg (welcher sich auch mal um die Souveränität Deutschlands und die Bilderberger kümmern will) interessiert doch nicht, was im Programm steht. Wer die ganze Zeit vom Volkstod redet, möchte doch nicht den Islam als Religion oder Ideologie kritisieren. Auch zu lesen sind Versuche, die AfD aus einer faschistischen Kontinuität zu nehmen und nicht als rechtsradikal einzustufen. Nationalsozialismus und Faschismus werden historisiert, gerade so als ob diese Ideologien kein zeitgemäßes Update bekommen könnten. Dies ist völliger Unfug, niemand würde behaupten Sozialismus gibt es nicht mehr, weil der Ostblock untergegangen ist. Und so verteidigen hier Personen die AfD gegen eine Person, welche eine Veranstaltung gegen Islamismus gerade vor AfD-affinen Vorwürfen in Schutz nimmt. Kannste dir nicht ausdenken. Wie steht es nun aber um die AfD und die Kritik am Islamismus oder dem Islam insgesamt? Und warum ist es schlichtweg nicht möglich, dass die AfD (oder Mitglieder der AfD) eine wirklich konsequente Kritik in diesen Bereichen hinbekommen?

lslamismus und Faschismus

Der Grund ist relativ einfach und stellt dann auch sofort klar, warum man sich niemals mit reaktionären Kräften gegen reaktionäre Kräfte stellen kann. Islamismus, wie wir ihn im Iran, bei der Hamas, der Hezbollah oder beim IS beobachten können, hat viele Gemeinsamkeiten mit Faschismus. Dazu hatten wir vor Kurzem auch mal getwittert. Der Kniff dabei ist, eine aktuelle Faschismusdefinition zu nehmen, die auch auf  den historischen Faschismus, die sogenannte Neue Rechte und damit auf weite Teile der AfD zutrifft, und diese dann mit islamistischer Ideologie zu vergleichen. Und siehe da, die Gemeinsamkeiten sind so weit vorhanden, dass man durchaus auch von Islamfaschismus reden kann. Dabei ist die konkrete Ausprägung selbstredend unterschiedlich in den einzelnen Punkten, keine Frage.

Sehen wir uns zuerst die ganzen Ismen an: Antifeminismus, Antikommunismus, Antisemitismus, Antimodernismus, Antiliberalismus. Alle diese Punkte treffen auf Faschist*innen und Islamist*innen gleichermaßen zu. Beide stellen sich gegen Feminismus, ganz offen. Die Unterdrückung der Frau ist im Islamismus viel direkter und physischer, eine Gleichstellung wollen aber beide nicht. Auch gegen den Kommunismus (bzw. alles was als links verortet wird) wird sich gerne gestellt. Es besteht zwar durchaus ein Anknüpfungspunkt über den Antiimperialismus, sofern er sich gegen die USA und Israel richtet, gegen wirklich konsequente emanzipatorische Ansichten gehen beide aktiv vor. Auch die Moderne und der für sie elementar wichtige Liberalismus finden nur Ablehnung. Man hat sich entweder in den Dienst Gottes oder der (Volks)Nation zu stellen, Individualismus und freie Entfaltung des Selbst sind nicht gestattet. Daher sehen Faschist*innen bis heute die Französische Revolution und die Islamist*innen den Westen als Feindbild an.

Ein ganz elementarer Punkt ist der Antisemitismus. In der muslimisch geprägten ist der Vernichtungsantisemitismus heute weltweit am stärksten vorhanden. In Europa und vor allem in Deutschland ist er dagegen seit 1945 aus der Mode gekommen, ist der Holocaust doch das ultimative Verbrechen des Menschen an Menschen und entsprechende Zustimmung gezwungenermaßen nicht mehr tolerierbar. Dennoch floriert der Antisemitismus, auch in der AfD. Seien es nun offene Antisemiten wie Gedeon oder das ewige Gefasel eines Systems, welches die Geschicke kontrolliere, klar antisemitische Verschwurbelungen wie Umvolkung oder Sorosplan, Hetze gegen die vermeintliche Finanzelite – es findet sich alles.

Das Zwangskollektiv über alles

Beim Punkt der Palingese wird es etwas schwieriger. Faschistische Regime zeichnen sich dadurch aus, dass einen starken und gesunden Volkskörper anstreben, der sich ganz in den Dienst der Nation stellt. Besonders in Deutschland hatte dies von Anfang an eine völkische, sprich rassenhygienische, Komponente. In anderen Staaten wie Italien oder Spanien war dies nicht so stark ausgeprägt. Im Islamismus geht man aber von einem anderen Kollektiv aus. Nicht vom nationalen oder vom völkischen, hier wird das religiöse Kollektiv, die Umma, über alles gestellt. Dieses Kollektiv konstituiert sich natürlich anders, der IS hat aber gezeigt, was passiert, wenn man sich ihm nicht fügen will. Sämtlichen radikalen Gottesstaatvorstellungen dürfte dieses faschistische Merkmal gemein sein, das Aufgehen im Kollektiv für ein mythisch überhöhtes Idealbild. In jedem Fall sollen Staat, Gesellschaft und Kollektiv zu einer Einheit verschmelzen, die dem mystifizierten Idealbild zu dienen hat.

Charakteristisch für faschistische Regime war, dass sie auf ein hierarchisches Führerprinzip setzten, der zugleich das höchste politische Amt innehatte und der Partei vorsaß, die die komplette Staatsgewalt auf sich vereinte. Blicken wir auf islamistische Organisationen, so ist auch dies dort zu finden. Egal ob Fatah oder Hezbollah, sie erheben einen totalen Anspruch auf Staat und Gesellschaft und klar hierarchisch aufgebaut. Hinzu kommt allerdings noch eine klerikale Komponente, wir haben es hier schließlich mit einem religiösen Fanatismus zu tun. Im Iran zum Beispiel die geistigen Führer im Endeffekt mehr Macht als konkrete Politiker, da sie über Wohl und Wehe von Politik und Personen entscheiden. Bei einer Partei wie der AfD ist das so natürlich nicht anzuwenden. Sie ist durch das deutsche Parteiengesetz gezwungen, bestimmte Regularien und Vorschriften einzuhalten, ansonsten dürfte sie als Partei auch nicht antreten. Sie muss sich auch offiziell zu einen Konsens des Grundgesetzes bekennen, ansonsten dürfte sie nicht zu Wahlen antreten oder würde gar verboten. Dennoch machen Einzelpersonen immer wieder klar, dass auch hier ein alleiniger Machtanspruch herrscht und autoritäre Wünsche, mal so richtig auszuräumen im Land, gibt es auch allerorten zu hören und zu lesen.

Durchzogen sind beide Ideologien auch von einer Befürwortung des Patriarchats. Nun ist unstrittig, dass im Islamismus dieses viel gewalttätiger umgesetzt wird als in faschistischen Regimen. Es sei hier nur an die Versklavung zur Massenvergewaltigung von Frauen im IS erinnert oder an drakonische Strafen für Basisdinge wie Autofahren oder kein Kopftuch tragen. Eine Befreiung der Frau von gesellschaftlichen Zwängen, welche durch den Zufall des weiblichen Geschlechts auferlegt werden,  besteht aber bei beiden kein Interesse. Im Gegenteil, tradierte Rollenbilder und damit einhergehende Unterdrückung der freien Selbstentfaltung sind im Kern beider Ideologien fest verankert. Beiden gemein ist auch die Propagierung des Männlichen, des Maskulinen, welches sich in der Jugend und im Kampf bewährt und zeigt. Dies wird als genuin männliches Betätigungsfeld angesehen, das Martyrium für das Kollektiv wird als höchste Selbstaufopferung betrachtet. Der Krieg, sei es nun im Dschihad oder gegen die Feinde der Nation, ist ein zentrales Propagandamittel und erklärtes Ziel der jeweiligen Regime.

Aber die AfD!

Es sei hier noch mal betont, dass sich die Qualität dieser Eigenschaften unterscheidet und auf keinen Fall eine Gleichsetzung stattfinden soll. Eine qualitative und quantitative Aufrechnung entsprechende Vergleiche sind hier nicht zielführend. Viel mehr geht es darum, grundlegende ideologische Parallelen aufzuzeigen. Diese Parallelen ermöglichen es dann, von einem Islamfaschismus zu sprechen und sich dabei nicht mit nationalistischen und reaktionären Kräften gemein zu machen. Schließlich treffen viele dieser Punkte auch auf sie selbst zu. Und diese Parallelen zeigen auch, warum es aus einer Partei wie der AfD keine konsequente und universalistische Kritik am Islamismus geben kann. Wer selber eine Form des Patriarchats befürwortet, wird islamistische Kräfte niemals vollumfänglich für ihr antifeministisches Agieren kritisieren können. Es ist ausgeschlossen, dass reaktionäre Personen und Kräfte eine wie auch immer emanzipatorische Kritik an Zuständen oder Ideologien hervorbringen können. Sie müssen spätestens dann damit aufhören, wenn es in die Nähe ihrer eigenen reaktionären Ansichten geht.

Zusätzlich kommt hinzu, dass die AfD und insbesondere eine Unzahl ihrer Mitglieder eine Kritik am Islamismus immer wieder mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus vermengen. Es sei ihnen unbenommen wirklich gegen Terroranschläge und salafistische Umtriebe zu sein – aber wer ist das denn nicht? Bei der AfD wird eine an sich völlig selbstverständliche Position als großer Tabubruch inszeniert und gleichzeitig immer wieder gegen Personen gehetzt, die nicht „deutsch“ seien. Und dieses „deutsch“ wird ganz klar völkisch verstanden, wie zum Beispiel Gauland und Meuthen klarstellten, die kaum noch Deutsche auf den Straßen zu sehen vermeinten. Aussagen aus der AfD sind eben nicht von ihrer Agenda zu trennen. So mögen einzelne Aussagen für sich genommen nicht zu kritisieren sein, so ist es die Agenda dieser Partei – und vor allem die ihrer Mitglieder – schon.

Und diese ist bekannt. Der Höckeflügel, klar faschistisch orientiert, stellt mit Gauland nun auch einen der beiden Parteivorsitzenden. Der wirtschaftsliberale, nationalistische Flügel hat den Austritt von Petry und Pretzell ohne größere Austritte überstanden – der Bruch mit den harten Faschist*innen scheint nicht in Aussicht zu stehen. So radikalisiert sich das öffentliche Auftreten der Partei immer weiter, inzwischen twittert der Faschismus mit einem „MdB“ hinterm Namen und freut sich über staatliche Zuwendungen.

Und was bleibt nun von der gesamten Angelegenheit? Zum einen die klare Feststellung, dass die AfD niemals eine konsequente Kritik am Islamismus wird liefern können. Wer auch immer das könnte, müsste die Partei umgehend verlassen. Zwischen Faschismus und Islamismus gibt es diverse ideologische Überschneidungen, so dass mit einer vernünftigen Analyse auch von einem Islamfaschismus gesprochen werden kann. Qualitativer Unterschiede der Ausprägung sollte man sich aber immer bewusst sein. Wer sich gegen die AfD oder andere faschistische und faschistoide Akteure stellt, muss sich konsequenterweise auch gegen Islamismus stellen. Und wer gegen Islamismus ist, kann sich nicht mit der AfD gemein machen oder diese verteidigen gegen vernünftige Kritik. Der Feind meines Feindes ist nicht mein Freund.

Was gilt es also zu tun? Konsequent reaktionäre und menschenfeindliche Positionen anzugreifen.

Betrug, Verrat, Egoismus – die Identitäre Bewegung und Defend Europe

Über Monate hinweg hatte die Identitäre Bewegung kaum ein anderes Thema: Defend Europe! Mit einer für die faschistische Gruppierung bisher einmalige Medienkampagne wurde ein weltweites Medienecho hervorgerufen. Über die Connection Laura Southern/Brittany Pettibone wurde zudem der nordamerikanische Markt erschlossen, ein großer Teil der etwa 230.000 US-Dollar Spendengelder kamen aus den USA und Kanada. Führungsidentitröte Martin Sellner ist inzwischen in einer Beziehung mit Pettibone. Ein Umstand, der eigentlich egal sein sollte, würden beide nicht versuchen, ihn möglichst gewinnbringend zu vermarkten. Eine neofaschistische Lovestory über den Ozean hinweg – vielleicht das Einzige, was wirklich von Defend Europe bleibt.

Menschenfeindlichkeit mit Wahn

Die Aktion selber hat den faschistischen Charakter der Identitären Bewegung endgültig offen dokumentiert. Um die Dringlichkeit des Unterfangens zu unterstreichen wurde eine unmittelbares Untergangsszenario für Europa aufgemacht. Wenn man jetzt nichts tue, ginge alles unter. Ein klassisches Merkmal faschistischer Ideologie. Die Menschen auf der Flucht wurden in den Promovideos als Feinde und Eindringlinge dargestellt, gegen die man sich jetzt einmal richtig zur Wehr setzen müsse. Folgerichtig haben die selbsternannten „Verteidiger Europas“ auch die Zerstörung von Flüchtlingsboten angekündigt und sich selber als die wirklichen Menschenfreunde dargestellt, man wolle ja human die Überfahrt nach Europa verhindern. Wie das mit dem selbst aufgemachten Feindbild der Flüchtenden als Eindringlinge und Feinde zusammengehen soll, ist in der IB-Logik nebensächlich.

Vielleicht meinen sie ja es ja wirklich so, wer kann das schon sagen. Immerhin hat Sellner im Zuge der Medienkampagne auch antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet und behauptet, die Flüchtlingsströme würden von George Soros gesteuert werden. Der Jude Soros verdient dieser Theorie nach einerseits an Flüchtlingsströmen und Schleppertätigkeiten, je nach Verschwurbelungsgrad sind auch dunkle Mächte im Hintergrund oder Soros selber für die Fluchtursachen wie den Krieg in Syrien oder IS verantwortlich. Zudem werde mit den Menschen bewusst (manchmal im Auftrag der Mächtigen in Europa oder auch nur Angela Merkels) ein Bevölkerungsaustausch forciert und Europa/Deutschland endgültig abgeschafft. Ein Plan, der auch gerne schon seit hunderten Jahren laufen kann, die Verschwurbelten sind sich da unsicher. Mehr zur Defend Europe gibt es in diesem Artikel der Jungle World zu lesen.

Magere Ergebnisse, offene Lügen

Die Mission selber brachte eigentlich keine Resultate, die Unmengen an Spendengeldern wurden mehr oder weniger sinnfrei verballert. Bis auf ein paar Bilder und Videos auf See und einem Schiff mit IB-Banner gibt es nichts, was die Identitären nachweisen können. Ein einziges Mal kam man in die Nähe eines anderen NGO-Schiffes. Was auch nicht verwunderlich ist. Die IB-Leute verfügen über keinerlei nautische und seefahrtechnische Qualifikation und dürfen das Schiff nicht selber steuern. Und die angeheuerte Crew muss sich an internationales Seerecht halten, sonst drohen Gefängnisstrafen. Und so machten vor allem Verzögerungen, ein legendär schlechtes Interview mit Robert Timm, Verhaftungen und Asylanträge der Crew, diverse Anlegeverweigerungen und ein Motorschaden die Runde.

Gestern ist nun ein neuer Artikel in der Welt erschienen, der weitere Details vom munteren Geldverprassen auf See offenlegt. So liegt die C-Star seit dem Ende der IB-Mission Mitte August und einer Odyssee notgedrungen in Barcelona vor Anker. Schon vor ein paar Wochen war bekannt geworden, dass die Mannschaft auf humanitäre Hilfe angewiesen ist, da sie keinerlei Gehalt ausgezahlt bekommt. Das katalanische Rote Kreuz musste die Versorgung mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln übernehmen. Im Artikel steht dazu folgendes: „Ihr Geld müssten sie vom Reeder bekommen. Doch der Schwede behauptet, die Identitären hätten nicht die volle Charter bezahlt. Sellner bestreitet dies.“ Die Crew aus Sri Lanka ist mittellos in Barcelona gestrandet und hat laut eigener Aussage seit Wochen nichts mehr von Sellner gehört.

Außerdem werden Details zur Abreise der Faschisten von Bord der C-Star gegeben. Da das Schiff nicht anlegen durfte, konnten diese das Schiff nicht verlassen. Vermutlich nur durch Druck und Empfehlung von der deutschen Botschaft konnten diese dann mit einem Beiboot an Land gebracht werden.  Der Besitzer der C-Star hatte wohl damit gedroht, die IBler in Syrien abzusetzen. Und auf See? Heldenhafte Aktionen gab es nicht, die Gruppe um Sellner durfte das Schiff schließlich nicht steuern und zudem stellt sich so eine Angelegenheit in der Realität als viel unspektakulärer dar, als man es sich vorstellt. Die C-Star hat sich zudem strikt an das Seerecht gehalten, ein irgendwie gearteter Kampf auf See stand also gar nicht erst zur Debatte.

Selbstinszenierung über alles

Aber darum geht es der IB vermutlich auch gar nicht. Es ist ihnen egal, ob sie tatsächlich etwas gemacht haben. Mit ein paar mageren Bildchen und Videos konnte zwar selbst das eigene Stammpublikum kaum über den Misserfolg der vollmundig angekündigten Aktion hinwegtäuschen, andererseits fand man in den internationalen Medien statt. Wen stört es da schon, dass eigentlich nichts passiert ist? Und wenn dabei dann offenkundig gelogen wird, ist das anscheinend auch egal. Es gibt ja Bilder.

Dabei darf die Gefahr hier nicht unterschätzt werden. Einerseits ist die IB in der Lage, große Geldsummen aufzubringen. Wie lange sie dazu in der Lage sein wird, wenn die konkreten Projekte allesamt eher bescheiden im Erfolg sind, bleibt abzuwarten. Im Moment läuft die Werbekampagne zur Patriot Peer-App an, welche Sellner in seiner typisch pseudo-intellektuellen Großkotzigkeit als „digitale Disruption für Multikulti“ ankündigt – mit passenden Merchartikeln im Bild. Die IB ist nämlich auch ein Geschäft mit den eigenen Anhänger*innen für den Lifestyle der Führungskader. Neben diesen Werbeprojekten dropped die IB im Land weiter munter Banner von irgendwelchen Gebäuden oder Orten. Wirklich interessiert das außerhalb der IB-Crew niemanden mehr, aber die einzelnen Mitglieder haben was zu tun und Bilder für Instagram.

Die wirkliche Gefahr geht dagegen von der zunehmenden Vernetzung mit Burschenschaften, AfD, FPÖ, RFS, Ein Prozent, Kubitschek, Info Direkt und Compact aus. Die IB wird hier als eine Art aktivistische Kaderschmiede in Stellung gebracht, die so öffentliche Räume (wie zum Beispiel an Universitäten) in Besitz nehmen kann und damit faschistisches Gedankengut und ihre Akteur*innen im öffentlichen Raum zu etablieren versucht.

Faschismus, Raumgreifung und Untergangsrhetorik

Faschismus ist eine raumgreifende Ideologie. Er ist total im Anspruch (#nototalitarismustheorie) . Man will alles, voll und ganz. Das Radikale muss noch radikaler werden, das Radikalste nicht radikal genug – so ähnlich lautet eine wiederkehrende Formulierung in Göbbels Tagebüchern, die er dann auch in der Sportpalastrede zum totalen Krieg einbringt. Der totale Anspruch ist auch eines der Elemente, das sehr häufig nicht oder nur unzureichend verstanden wird. Wenn ein Höcke davon redet, dass die AfD von ihren schwachen Elementen bereinigt werden muss, dann ist das ein Zeichen des totalen Anspruchs.

Der totale Anspruch ist es auch, warum man Faschismus allgemein und Faschist*innen im Speziellen nicht mit Diplomatie oder Gesprächen begegnen kann. Wenn der Anspruch total ist, das Ziel ein reiner Volkskörper für die starke Volksnation und die Mission von historischer Wichtigkeit, dann kann ein*e Faschist*in nie mit einem Kompromiss zufrieden sein. Dies manifestiert sich in einem beständigen Raumgreifen. Wenn das Totalste nicht total genug ist (auch diese Formulierung verwendet Göbbels), muss das Radikale radikaler werden. Bekommt ein faschistischer Akteur einen Raum, wird dieser damit nicht zufrieden sein. Von diesem Raum aus wird sofort der nächste in Angriff genommen. Bis dann theoretisch irgendwann alle Räume komplett genommen und unter Kontrolle sind. Raum meint hier nicht ein Zimmer in einem Haus, sondern eine Entfaltungsmöglichkeit. Seien es nun eine Zeitung, Talkshows, Demonstrationen, Parlamente – alles sind Räume, die den politischen Diskurs und damit die Gesellschaft mitbestimmen.

Der drohende Untergang

Aber warum tun Faschist*innen dies? Ein grundlegendes Wesensmerkmal faschistischer Ideologie ist der stetig drohende und unmittelbar bevorstehende Untergang. Genau JETZT ist die letzte Chance, die Nation zu retten. Vor allem in Deutschland wird diese völkisch gedacht, sprich ein imaginierter ethnisch reiner Volkskörper wird als Idealtypus gesehen. Die AfD bringt diese völkische Definition wieder verstärkt auf die öffentliche Bühne. Seien es nun Aussagen über unerwünschte Nachbar*innen oder die angeblich kaum auf der Straße zu sehenden Deutschen, es geht um eine rassifizierte Sicht auf die Bezeichnung „deutsch“. Und dieses „deutsch“ ist angeblich in großer Gefahr.

Faschistische Argumentation seit Beginn durchzieht genau dieser Duktus des bevorstehenden Untergangs. Dabei geht es nicht nur einfach um die Benennung eines Problems, welches man selbst dann am besten lösen könne. Der Faschismus versucht, den vermeintlich drohenden Untergang unmittelbar spürbar zu machen. Mitglieder faschistischer Organisationen sind felsenfest davon überzeugt, dass die große Katastrophe des eigenen Volkes unmittelbar bevorsteht. Der Druck des Untergangs manifestiert sich in Wahnvorstellungen, Verschwörungstheorien und teilweise körperlich spürbarer Verzweiflung. Faschistische Vordenker und Ideolog*innen sind darauf bedacht, dem eigenen Handeln eine historische Dimension zu geben. Nicht ohne Grund wird immer wieder weit in die Geschichte zurückgegriffen. Die Identitäre Bewegung begeht nicht umsonst Jahrestage historischer Schlachten und versucht eine Kontinuität zum eigenen Agieren aufzubauen. Zum Beispiel mit der Befreiung Wiens 1683. Nicht umsonst werden immer Orte besucht, an denen historische Ereignisse stattfanden. In den Berichten darüber wird dann versucht, den Geist dieser Ereignisse lebendig und spürbar werden zu lassen. Auch Höcke tut dies gerne, wie hier in Nürnberg oder vor der Wartburg anlässlich des 200. Jahrestags des Wartburgsfests. Man kann sich in Andacht gegenüber einer großen Vergangenheit üben, sich demütig gegenüber den so empfundenen Großtaten zeigen und sich selbst dann in diese Traditionslinie stellen.

Schrecken aus Prinzip

Mit Blick auf das aktuelle Geschehen wird dann ein Schreckensszenario nach dem nächsten aufgemacht. Das Land gerät außer Kontrolle, Feminismus, Homolobby, Frühsexualisierung, rechtsfreie Stadtteile, drohender Bürgerkrieg, Überfremdung, grassierende Massenvergewaltigungen, Straßenschlachten, Besatzung, Volksaustausch, drohende Auslöschung – keine Formulierung ist zu groß, um Verwendung zu finden. Auch hier sei wieder auf Höcke verwiesen, der unter Zuhilfenahme der UN-Charta zum Völkermord fragt, ob ein solcher nicht auch durch die „Multikulturalisierung eines gewachsenen Volkes“ (gemeint ist natürlich das deutsche) stattfände. Die Identitäre Bewegung sieht sich dagegen als „Verteidiger Europas“ und macht in dem, was sie als Islamisierung sehen, den Untergang der Völker Europas aus.

Diese dystopische Einstellung ist kein Zufall und zieht sich durch die Geschichte faschistischer Bewegungen. Denn die Spürbarmachung der Untergangsangst dient dazu, die Raumgreifung, den totalen Anspruch auf Staat und Gesellschaft, mit den entsprechenden Konsequenzen zu rechtfertigen. Nur eine Wiedergeburt der Nation kann hier Abhilfe verschaffen. In Deutschland ist dies untrennbar mit dem völkischen Gedanken verbunden. Nur ein gesundes deutsches Volk sei ein starkes Volk, so die einhellige Meinung in reaktionären Kreisen. Da dieses aber von vielen Seiten bedroht würde, seien radikale Maßnahmen notwendig. Je stärker der Eifer für die heilige Volksnation ist und je eindringlicher der Untergang empfunden wird, desto drastischer fallen dann die jeweils angedachten Maßnahmen aus. Wenn der Untergang schon in den nächsten fünf Jahren stattfinden soll, hilft halt außer einem Genozid nicht wirklich viel.

Infostände der Identitären Bewegung (Kontra Kultur) in Halle

In Halle hat die Identitäre Bewegung bereits zwei Mal in den letzten Tagen einen Infostand aufgebaut. Einmal vor dem Haus der Kontra Kultur und einmal auf dem Campus der Martin-Luther-Universität. Unterstützung kam dabei auch von Strukturen außerhalb von Halle. Wirklich überraschend ist das nicht, besteht doch eine Zusammenarbeit mit der Germania Burschenschaft am dortigen Campus. Beide Infostände wurden schnell von antifaschistischen Aktivist*innen mit Gegenprotest bedacht.

Die IB hat versucht Info- bzw. Erstiebeutel zu verteilen. Diese wurden sämtlichst beim Gegenprotest in einem blauen Müllsack abgegeben. Ein IB-Mitglied hat diesen entwendet, was eine Anzeige wegen Diebstahls zur Folge hatte. In beiden Fällen umstellte die Polizei den Stand der IB, der vor dem IB-Haus musste abgebaut werden – er war nicht angemeldet. Die Außenwirkung dadurch kaum gegeben.

Auch wenn die beiden Infostände kein Erfolg waren, ist hier eine bedenkswerte Entwicklung zu verzeichnen. Die Identitäre Bewegung versucht sich aktiv als normaler Teil des universitären Lebens zu etablieren. Faschistisches Gedankengut und Faschist*innen wollen sich damit längerfristig öffentlichen Raum sichern und auf universitäre Strukturen zurückgreifen. Hierbei wird offen nationalkonservativen, reaktionären und faschistischen Burschenschaften kooperiert.

Ähnliches wird in Österreich bereits praktiziert, über den RFS (Ring freiheitlicher Studenten) besteht eine direkte Anbindung an die faschistoide FPÖ und reaktionäre Zirkel. In Berlin bestehen Kontakte zu Burschenschaften der Freien Universität, der Gothia und der Thuringia. Diese Kontakte sind kein Zufall, sondern Teil einer Strategie, nationalistisches, sexistisches, rassistisches und faschistisches Gedankengut über universitäre Kreise aufzuwerten und zu legitimieren.

Daher ist davon auszugehen, dass Aktivitäten wie in Halle in Zukunft öfter zu beobachten sind. Interesse daran haben Gruppierungen wie die IB, die AfD/JA, Kubitschek mit dem IfS und Ein Prozent, Compact sowie diverse nationalistische Burschenschaften. Der Kampf für eine neofaschistische Deutungshoheit soll über die Hörsäle in den wissenschaftlichen Diskurs Einzug halten Seilschaften und Karrierenetzwerke aufbauen.

Quelle Bild: https://twitter.com/valentinhacken_/status/916199193450090496

Infos: https://twitter.com/rumraeubern161

Zeitungsbericht: http://www.mz-web.de/halle-saale/illegaler-infostand-halles-identitaere-bekommen-aerger-mit-der-polizei–28571708?originalReferrer=https://t.co/K5w0IvyWWu&originalReferrer=https://t.co/3LqOFD0qQ8?amp=1

 

 

Star Trek: Discovery und das #nzsbxn

Star Trek nahm schon immer Bezug auf aktuelle politische Themenfelder. Konzipiert als eine Art Fully Luxury Automated Gay Space Communism hat die Menschheit das kapitalistische Wirtschaftssystem überwunden und auch Religion spielt keine Rolle mehr. Mit Commander Uhura nahm eine schwarze Frau völlig normal eine zentrale Rolle in der ersten Serie ein und es gab eine der ersten Kussszenen über ethnische Grenzen hinweg im amerikanischen TV zu sehen. Mit Checkov war auch ein Russe an Bord – mitten im Kalten Krieg. Am 24. September ist nun der neuen Serienteil Discovery angelaufen. Und macht perfekte Werbung für #nzsbxn

Spoileralarm: Es wird ein paar Dinge aus den ersten beiden Folgen zu lesen geben, die zumindest die Rahmenhandlung vorwegnehmen.

Der klingonische Faschismus

Angesiedelt 10 Jahre vor der Original Series, beginnt die Serie mit dem Startevent des großen Kriegs zwischen der Föderation und den Klingonen. Und bei den Klingonen wird die volle Ladung Faschismus geliefert. Die Grundlagen dafür waren ja schon immer gegeben: Eine kriegerisches Volk, welches aggressiv mit seinen Nachbarn umgeht, die Männer im Kampf, die Frauen im Haushalt, Größe, Stärke, Ehre, Militarismus. Nach kanonischer Storyline ist das klingonische Reich im Jahr 2256 ein totlitäres Regime. In den ersten beiden Folgen von Discovery wird das nun komplett zu waschechtem Faschismus ausgebaut. Schauen wir uns dazu einmal kurz die zusammenfassende Faschismusdefinition von Matthew Lyons an:

„Faschismus ist eine Form rechtsextremer Ideologie, die die Nation oder Rasse als organische Gemeinschaft, die alle anderen Loyalitäten übersteigt, verherrlicht. Er betont einen Mythos von nationaler oder rassischer Wiedergeburt nach einer Periode des Niedergangs und Zerfalls. Zu diesem Zweck ruft Faschismus nach einer ‚spirituellen Revolution‘ gegen Zeichen des moralischen Niedergangs wie Individualismus und Materialismus und zielt darauf, die organische Gemeinschaft von ‚andersartigen‘ Kräften und Gruppen, die sie bedrohen, zu reinigen. Faschismus tendiert dazu, Männlichkeit, Jugend, mystische Einheit und die regenerative Kraft von Gewalt zu verherrlichen. Oft – aber nicht immer – unterstützt er Lehren rassischer Überlegenheit, ethnische Verfolgung, imperialistische Ausdehnung und Völkermord. Faschismus kann zeitgleich eine Form von Internationalismus annehmen, die entweder auf rassischer oder ideologischer Solidarität über nationale Grenzen hinweg beruht. Normalerweise verschreibt sich Faschismus offener männlicher Vorherrschaft, obwohl er manchmal auch weibliche Solidarität und neue Möglichkeiten für Frauen einer privilegierten Nation oder Rasse unterstützen kann.“

Rasse als organische Gemeinschaft: check
anderen überlegen: check
verherrlicht: check
nationale Wiedergeburt nach vermeintlichem Zerfall: check (die Stämme sollen vereint werden)
spirituelle Revolution: check (der Wille Kahless‘ soll neu erwachen)
gegen Individualismus: check (die Gemeinschaft zählt)
Reinigung der Rasse: check
Bedrohung von außen besiegen: check
Männlichkeit: check
mystische Einheit: check
regenerative Kraft von Gewalt verherrlichen: check (im Kampf wird es die Erlösung geben)
rassische Überlegenheit: check (es wird mehrfach betont, dass die Klingonen rein im Blut sind)
imperialistische Ausdehnung: wird angestrebt
Völkermord: es soll alles vernichtet werden, was nicht klingonisch ist
offene Männliche Vorherrschaft: check

Nehmen wir dann noch die klingonische Mystifizierung von Kampf und Tod sowie den Ahnenkult mit dazu (verstorbene Klingonen werden mit Sarkophagen an den Schiffshüllen befestigt, um so im Geiste weiter mitzukämpfen), dann haben wir hier eine volle Packung faschistischer Ideologie am werkeln. Und das auch relativ akkurat rübergebracht, sieht man von der notwendigen Plakativität ab, dies alles in zwei Folgen als Nebenschauplatz darzustellen.

#klngnnbxn – die Hilflosigkeit der Föderation

Die Föderation steht in Folge 1 und 2 vor der Frage, wie jetzt mit diesem faschistischen Feind umzugehen. Michael Burnham, die zentrale Figur der Serie, hat eine jahrelange Ausbildung bei den Vulkaniern hinter sich und wendet sich nach Entdeckung des Klingonenschiffs an ihren Mentor. Dieser erzählt vom Umgang der Vulkanier mit den Klingonen. Nach einem erfolglosen diplomatischen Kontaktversuch, welcher sofort mit einem klingonischen Angriff beantwortet wurde, wird ohne Nachsicht und umgehend bei jeglichem Kontakt #klngnnbxn betrieben. Sie haben verstanden, dass einer faschistischen Ideologie nicht friedlich oder diplomatisch zu begegnen ist. Es hilft nur konsequente und radikale Feindschaft, wo immer man sie und ihre Träger*innen trifft.

Die Föderation hingegen ist auf Diplomatie und Verhandlungen aus und hat auch die Maxime, niemals als erstes zu feuern. In den ersten beiden Folgen wird auch deutlich, dass jegliches Verständnis dafür fehlt, wie umfassend der Aggressionswille von Faschist*innen ist. Man kann mit ihnen nicht reden. Und so kommt es dann, wie es kommen muss: Die Klingonen greifen die Föderation an, in der Schlacht gibt es große Verluste auf beiden Seiten. Der Pazifismus der Föderation ist im Angesicht eines faschistischen Akteurs zum Scheitern verurteilt. Den ein faschistischer Akteur ist IMMER aggressiv.

Die Metapher

Damit spiegeln die ersten beiden Folgen von Star Trek: Discovery sehr akkurat die derzeitige Lage mehr oder weniger weltweit dar. Während reaktionäre und faschistische Kräfte auf dem Vormarsch sind, halten Liberale und aufrechte Demokrat*innen den Pazifismus und die Dialogbereitschaft hoch. Aus der Vergangenheit wurde nichts gelernt, die dem Faschismus elementare Aggressivität wird geleugnet oder übersehen. Statt konsequent und ohne wenn und aber mit faschistischem Gedankengut aufzuräumen, wird beschwichtigt und die rechte Flanke zugemacht. Wenn sich Leute dann aktiv gegen Faschos stellen und die Suppe auslöffeln wollen, die der Rest der Gesellschaft ihnen eingebrockt hat, gibt es Repression und Verfolgung.

Auch die amerikanische Gesellschaft zeigt sich im Angesicht von Trump in weiten Teilen machtlos. Man vertraut einerseits auf die Verfassung mit den „checks and balances“, andererseits wird darauf gehofft, dass er das doch alles nicht ernst meinen könne. Doch kann er. Genauso wie es rechte Kräfte immer ernst meinen mit dem, was sie sagen und tun. Faschos und Neonazis sowieso. Mit solchen Personen lässt sich kein konstruktiver Dialog führen, denn sie wollen nicht an einem teilnehmen. Es ist absurd in Anbetracht der AfD im Bundestag auf irgendeine Form der Normalisierung zu hoffen, damit die ruhiger werden. Diese schöne Vorstellung wird nicht klappen. Mit einem religiösen Spinner wie Osama bin Laden kann auch nicht verhandelt werden. Und die klare Kante muss dann auch genauso hart und konsequent gegen nationalistischen und völkischen Spinner gezeigt werden.

Die AfD-Chatprotokolle – keine wirkliche Überraschung

Vor ein paar Tagen wurden auf Indymedia Chatprotokolle aus einer intern WhatsApp-Gruppe der AfD Sachsen-Anhalt um Landeschef Andre Poggenburg geleaked. Im Original nachzulesen hier: https://linksunten.indymedia.org/de/system/files/data/2017/06/3098700935.txt Die grundlegende Echtheit wurde inzwischen bestätigt, unter anderem von Poggenburg selber. Der Leak wird noch ausgewertet, es finden sich aber diverse Schmankerl. Von Todesstrafe für Kinderschänder und Drogendealer über politische Säuberungen im Journalismus nach der Machtergreifung bis hin zu „Deutschland den Deutschen“ und einer möglichen Erweiterung der Grenzen war alles zu finden. Neben Poggenburg sind diverse AfD-Funktionäre, mögliche Bundestagskandidat*innen und auch Angestellte der Bundespolizei in der Gruppe aktiv (gewesen).

Nichts Neues

Das mediale Echo ist inzwischen gewaltig, auf sämtlichen Kanälen wird darüber berichtet. Und in der Tat, diese Protokolle sind ein dicker Fang. Daran darf kein Zweifel bestehen, auch wenn ein früher Kommentar auf Indy den einzigen Nutzen in den Telefonnummern sah. Aber was wird denn hier tatsächlich dokumentiert? Für Menschen, die sich mit der Materie (also der AfD) auseinandersetzen und ein bisschen Ahnung von Faschismus bzw. politischer Theorie im Allgemeinen haben, nichts Neues.

Seit Jahren wird über den Rechtsrutsch der AfD berichtet, die faschistoiden beziehungsweise offen faschistischen Tendenzen wurden immer stärker und sind gut dokumentiert. Auf allen Ebenen der AfD bis hinauf in den Bundesvorstand gibt es waschechte Faschist*innen. Seien es nun Personen wie Höcke oder Nerstheimer, dank der AfD sitzen Faschos in deutschen Parlamenten und werden in den Bundestag einziehen, wenn sich die AfD nicht noch weiter zerlegt. Kontakte zu gewaltbereiten Neonazis sind auch dokumentiert, Sei es zur IB oder als Saalschutz/Security bei z.B. Poggenburg oder Bystron.

Ob nun auf Facebook der Wehrmacht gehuldigt wird, die jüdische Weltverschwörung geteilt werden muss oder im Landtag von Linken als „Wucherung am deutschen Volkskörper“ die Rede ist (schon wieder Poggenburg), wir haben es mit faschistischem Gedankengut zu tun. Und das nicht nur mal hier und da, sondern konstant und wie gesagt auf allen Ebenen. Ob im Ortsverband Wanne-Eickel oder von Höcke persönlich – Faschismus iz da. Die AfD ist noch keine vollkommen faschistische Partei. Die Faschist*innen haben aber das Ruder in der Hand.

No shit Sherlock

Und was machen Faschos? Faschodinge natürlich. Und wie verhalten sie sich, wenn sie sich relativ ungestört wähnen? Wie Faschos eben. Und was für Forderungen werden sie dann haben? Faschoforderungen natürlich. Die Protokolle sind also weder großartig überraschend noch irgendwie besonders – wenn sie im Kontext des Faschismus innerhalb der AfD gedacht werden. Für unbedarfte Bürger*innen mag sich das alles sehr erschreckend anhören, dabei ist das exakt das, was Faschos eben so denken und von sich geben. Wir reden hier schließlich von einer menschenverachtenden totalitären Ideologie, deren Anhänger*innen sich in der Regel auf einer Art heiliger Mission für das eigenen Volk sehen, welches vor dem Untergang bewahrt werden müsse.

Nur weil Onkel Bernd ein guter Sportlehrer war, macht ihn das nicht zwangsläufig zu einem guten Menschen. Die NS-Zeit hat gezeigt, dass das absolute Grauen sich hervorragend mit Benehmen und Anstand im gesellschaftlichen Kontext verbinden lässt. Wenn jetzt also AfD-Mitglieder die Todesstrafe fordern, mal richtig in Deutschland aufräumen wollen oder von der Machtübernahme träumen, dann ist das eben ganz genau das, was faschistisches Denken ausmacht. No shit Sherlock

Und das ist gut so

Jetzt haben wir aber diese ganzen Chatprotokolle. Was bringt uns das jetzt? Es bringt den Nachweis für das, was wir (und viele andere) immer wieder propagiert haben: Die AfD geht intern viel weiter als das, was ihr Programm hergibt. Keine andere große Partei dürfte eine so große Diskrepanz zwischen internen Forderungen und Wünschen sowie dem Wahlprogramm haben. Einige Teile der Linkspartei vielleicht mal ausgenommen. Oft kam in Auseinandersetzungen das Argument, dass die AfD das so gar nicht in ihrem Programm zu stehen habe. Für die Erwiderung, dass große Teile der Partei insgeheim viel weiter als das Programm gehen und knallhart faschistisch seien, gibt es jetzt DEN Beleg.

Die breite Öffentlichkeit und der politische Diskurs kommen jetzt nicht mehr darum, sich mit dem faschistischen Kern der AfD zu beschäftigen. Bundesweit dürften direkt im Anschluss diverse Chatgruppen gelöscht worden sein, um mögliche weitere Leaks zu verhindern. Aber es nützt alles nichts, die Protokolle sind. Und mit ihnen der Nachweis, wie zumindest weite Teile der Partei ticken und was ein Landeschef so alles durchgehen lässt oder selber von sich gibt. Keine Überraschung, aber jetzt nachgewiesen. Und das ist gut so.