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Merkel muss weg – über Sinnlosigkeit eines Slogans

Angela Merkel hat ihren Rückzug angekündigt. Sie wird nicht mehr als Parteichefin kandidieren und steht auch nicht für eine weitere Legislaturperiode zur Verfügung. 2021 ist also spätestens Schluss bei ihr, sofern nicht vorher schon Neuwahlen anstehen. Wirklich überraschend ist der Abschied nicht, eine weitere Legislaturperiode hätte sicher niemand erwartet. Einzig die Ankündigung, jetzt schon auf den Parteivorsitz zu verzichten kommt unerwartet. Andererseits gibt es nun drei Jahre, um die Nachfolge richtig aufzubauen. 
Mit dem Rückzug erfüllt sich eine Kernforderung der Rechten und Rechtsradikalen der letzten Jahre: „Merkel muss weg!“ Auf so ziemlich jeder Demonstration der Besorgten gab und gibt es lautstarkes „Merkel muss weg!“-Rufe zu vernehmen – sowohl von den RednerInnen auf der Bühne als auch aus dem Publikum. Insbesondere Pegida ist für diesen Slogan bekannt, da er jeden Montag durch die Straßen Dresdens gebrüllt wird. Dabei ist dieser Slogan an Dämlichkeit kaum zu überbieten. Er ist vielmehr ein Beweis für mangelnde politische Kompetenz, fehlendes Abstraktionsvermögen und die pure Unfähigkeit, komplexere Sachverhalte zu verstehen und zu analysieren. Was wird sich denn ändern, wenn Merkel weg ist? Werden die Kreisläufer in Dresden dann aufhören, die Innenstadt unsicher zu machen? Werden die Angriffe auf migrantische Personen abnehmen? Wohl kaum. 
Die Unfähigkeit zur Abstraktion lässt sich am besten in den Bildern erkennen, die online zu Tausenden geteilt werden. Gemeint sind die Art von Bildern, die Merkel (gerne mit antisemitischen Implikationen) als mörderisch, als Puppenspielerin etc. darstellen. Solche Bilder gibt es über vermutlich so ziemlich alle Führungspersonen von Staaten und sie unterscheiden sich oft nur im konkreten Aussehen der dargestellten Person. Die Struktur der Bilder bleibt gleich. Ob die Republikaner jetzt Obama oder Clinton mit einer Karikatur verunglimpfen, ist egal. George Soros nimmt inzwischen den Platz des verstorbenen Rockefellers in antisemitischen Bildern ein und man kann anhand des abgebildeten französischen Präsidenten genau den Erstellungszeitraum einer Karikatur bestimmen. Und auch in zehn Jahren werden diese Bilder genau so aussehen, nur eben mit anderen Gesichtern in der gleichen Szenerie.
Was nicht verstanden wirdist die Funktionsweise des politischen Betriebs und der sozioökonomischen Abläufe und Gesetzmäßigkeiten. Wer ernsthaft behauptet, die Flüchtlingssituation von 2014-16 hätte irgendwie den eigenen Wohlstand gefährdet, hat schlicht keine Ahnung. Hartz IV wurde nicht gesenkt, der Arbeitsmarkt war vorher schon prekär und mit Ausnahme von Einzelfällen haben Migration und Flucht nach Deutschland wirklich niemandem hier was weggenommen. Der Abbau der Sozialsysteme ist ein Trend, der seit den 80ern zu bemerken ist. Am wirtschaftlichen Wachstum Deutschlands profitieren vor allem die einkommensstarken Schichten. In den Einkommensschwachen gibt es seit 20 Jahren Reallohneinbußen und es sieht nicht so aus, als würde sich dieser Trend in den nächsten drei Jahren entscheidend ändern. Auch das politische System wird durch den Abgang Merkels nicht verändert. Unbestritten ist, dass man als Kanzlerin einen Einfluss auf die politische Ausrichtung hat. Aber wirklich strukturell wird sich nichts ändern. Vor allem nicht aus rechtsradikaler Sicht.
Mach es dir einfach
Wer auf einer AfD-Demo „Merkel muss weg!“ ruft und vom „Merkel-Regime“ fabuliertvereinfacht sich das Leben nur dadurch, dass man viele bis alle Probleme Angela Merkel (und ihrer Bagage) andichtet. Davor war es Schröder, danach wird es Merz/Kramp-Karrenbauer/Spahn sein. Ob das tatsächlich stimmt, ist für die eigene Befindlichkeit unerheblich. Man ist auch an keiner Analyse interessiert, denn dies würde Aufwand bedeuten. Man müsste sich informieren, man müsste die bisherigen eigenen Annahmen in Frage stellen und man müsste sich inhaltlicher Kritik stellen. Und sich möglicherweise eingestehen, falsch gelegen zu haben. Ganz oft ist es ja eben nur ein ungefähres Gefühl, welches man hat und welches dann auf Merkel gerichtet wird. Geht es um Details, wird es schnell schwammig und man trifft auf Abwehrmechanismen, die diesen Umstand überspielen sollen. Eine tatsächliche Analyse liegt nicht vor, also kann man auch keine konkreten Antworten erwarten. Man hat keine Antwort auf die Frage, was passieren sollwenn Merkel dann weg ist. Oder die ganze Bagage. Von Elitenbildung hat man keine Ahnung, vom Kapitalismus noch weniger. Also hangelt man sich von Person zu Person zu Person zu Person. Einige mag man, andere müssen weg. Aber man kann sich hier an etwas Konkretem orientieren und muss nicht auf abstrakte Muster, Strukturen und Verhältnisse achten.
Ein Blick auf das Personalkarussell der AfD zeigt eindrucksvoll, wie wenig konkrete Personen mit der Popularität der Partei zu tun haben. Der Abgang des wirtschaftsliberalen Flügels um Parteigründer Lucke mag zwar organisatorisch einige Arbeit verursacht haben, geschadet hat es der Partei nicht. Neben Lucke konnte man sich schon mit Frauke Petry anfreunden, die man danach zwei Jahre als Gallionsfigur durch die sozialen Netzwerke postete und inzwischen komplett vergessen hat. Ihr Rücktritt führte weder zu einer Spaltung der Partei noch zog sie großartig Stimmpotential ab. Und die AfD-Fanbase? Hat jetzt Alice Weidel bekommen, welche vor der Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl öffentlich kaum in Erscheinung getreten ist. Damit steht die AfD kurioserweise überhaupt nicht in faschistischer Tradition der charismatischen Herrschaft nachMax Weber. Vielmehr scheint hier die Partei als Ganzes die nationalistische Fantasie zu beflügeln. Faiererweise muss hier aber auch gesagt werden, dass die rechtsradikalen Schwergewichte der Partei bisher noch nicht innerparteilich herausgedrängt wurden, mit Poggenburg als Ausnahme. Bystron und vor allem Gauland und Höcke prägen seit Langem den faschistischen Flügel der Partei. Dennoch waren bisher alle Personen ohne Stimmverluste austauschbar. 
Und was ist mit der Kritik?
Ähnlich stumpf wie der Slogan „Merkel muss weg“ ist allerdings auch die Häme der letzten Tage über genau jenen. Viel zu oft wurden Schenkelklopfer auf Mario Barth-Niveau von den Brechstangen des platten Humors, der Heute Show und etwas schwächer Extra3, geteilt. Der Tenor ist grob zusammenzufassen mit einem: „Merkel ist weg, die AfD/Pegida können sich auflösen.“ Hihi huhu haha. Was haben wir gelacht. Analyse der Verhältnisse? Fehlanzeige. Man bewegt sich auf demselben plakativen Niveau wie der Spruch selbst. Als ob es der „Merkel muss weg“-Menge wirklich nur um Merkel ginge. Nein, die wollen in der Regel schon den Systemumsturz, haben aber selten den Schneid, dies öffentlich zuzugeben. Oder können dies aufgrund der ganzen Begriffsverklärung in den „alternativen“ Medien eh nicht mehr, da Begriffe völlig ihrer ursprünglichen Bedeutung entfremdet und umgedeutet wurden. Man verkennt auch, warum die AfD so erfolgreich ist. Nicht weil Merkel Kanzlerin ist. Merkel ist nur die Projektionsfläche der autoritären Wünsche nach dem guten alten Deutschland, in dem alles noch seine Ordnung hatte und den Deutschen gehörte! 
Die AfD stellt nämlich genau diese Wünsche dar. Und zwar für eine breite Palette an Personen. Weidel, Meuthen und Pazderski bedienen diejenigen, die eher so auf die Adenauerzeit stehen und zwar den Krieg verloren hatten, dafür aber immer anständig geblieben sind. Höcke, Bystron und Gauland sind dann für die 33er zuständig, die irgendwas von nem semiabsolutistischem Staat nach Kaiserreichsmanier bis hin zum Vierten Reich wollen. Antisemitismusbeauftragter ist Gedeon, obwohl sich die gesamte Parteivom Ortsverband bis zum Bundesvorstand, da durch die Bank weg in irgendeiner Weise antisemitisch betätigt. Die infantilen Witze über das Ende von „Merkel muss weg“ würden selbst einem Fips Asmussen schlecht zu Gesicht stehen. Und verschleiern dabei die Gefährlichkeit der Partei und der Sehnsüchte, die sich tatsächlich hinter dem kollektiven „Merkel muss weg!“ von rechts verbergen. 

Demoaufruf für Chemnitz, Samstag den 01.09.2018

Die Ereignisse aus Chemnitz sind allen bekannt: Der rechte Mob hatte Sonntag und Montag die Stadt zumindest teilweise in der Hand, der bürgerliche Staat hat versagt und war effektiv nicht handlungsfähig. Am Montag stellten sich über 1000 Menschen den Rechten entgegen, die bis zu 6000 Menschen mobilisieren konnten und zu ca. einem Drittel gewaltbereit bis gewalttätig waren. Die Polizei und das Bundesland Sachsen haben auf ganzer Linie versagt und marodierenden Männergruppen die Straße überlassen. Die Jagdszene, die Angriffe auf Migranten, Journalist*innen und Antifaschist*innen sind durch die Medien gegangen, ebenso die Hitlergrüße und die rechten Parolen.

Für den Samstag hat sich nun ein Bündnis aus Pegida und AfD angekündigt, die Landesverbände Sachsen + Anhalt sowie Thüringen mobilisieren. Höcke wird reden, mehr oder weniger das gesamte rechtsradikale Spektrum ruft zur Teilnahme auf. Nach den Mobjahren 2014 bis 2016 hat man inzwischen mit der AfD eine Partei im Rücken und nutzt Chemnitz als Anlass um wie in Kandel und Cottbus die lokale rechtsradikale Szene zu bündeln und einen direkten Kanal zwischen Partei und rechtem Mob herzustellen. Man probt den Aufstand gegen die BRD, man will schauen wie weit man gehen kann und dann analysieren wie man beim nächsten Mal nocj weiter kommt.

Aus diesem Grund ist es absolut notwendig am Samstag so zahlreich wie es nur irgendwie geht nach Chemnitz zu reisen. Die bis zu 6000 vom Montag können locker gerissen werden, es ist Wochenende und die AfD fährt große Kaliber auf. Im Zeiten wie diesen ist eine militante und zahlreiche Antifa bitter notwendig. Was im Chemnitz auf der Straße zu sehen war ist die Keimzelle des Faschismus, die gewalttätigen Männerbünde. Fahren wir nach Chemnitz und bieten diesem Mob Einhalt!

Aktuelle Infos bekommt ihr beim Bündnis Chemnitz Nazifrei

Demobericht Chemnitz 27.08.2018 – Kaltland in Kaltland

Man weiß eigentlich gar nicht wo man anfangen soll. Vielleicht die wenigen positiven Dinge vorweg: Es waren sehr viel mehr Antifaschist*innen auf der Demo als erwartet. Die Hoffnung ging Richtung 500, vor Ort waren es dann etwa 1200. Und der zweite „positive“ Punkt: Es hätte schlimmer kommen können als gekommen ist. Aber der Reihe nach. Am Sonntag trudelten die Nachrichten eines rechten Mobs aus Chemnitz ein. Um die 1000 Rechte zogen pöbelnd durch die Stadt, völlig unzureichend von der Polizei begleitet und machten Jagd auf alles was nicht nach Biokartoffel aussah. Das befürchtete Pogrom blieb aus, es gab dennoch Verletzte und das rechte Spektrum mobilisierte deutschlandweit für den kommenden Tag, Montag den 27.08. Für 17 Uhr wurde eine Gegenkundgebung angemeldet um den Rechten zumindest ein bisschen was entgegenzusetzen. Auf allen verfügbaren Kanälen wurde mobilisiert, die Reise nach Chemnitz war dennoch mit einem großen Fragezeichen über die Situation vor Ort versehen.

 

Eine direkte Anreise wäre zu gefährlich gewesen, daher wurde ab Leipzig die gemeinsame Anreise wahrgenommen. Mit den etwa 150 Antifaschist*innen bewegt es sich dann doch erheblich sicherer als auf eigene Faust. Ausgehend von den bisherigen Erfahrungen rechneten eigentlich alle mit starken Vorkontrollen am Bahnhof und einem Wanderkessel zur Kundgebung. Stattdessen gab es ein loses Geleit von ca 15 Cops. Auf dem Weg zur Kundgebung gab es immer wieder kleine Gruppen Rechter zu sehen und an einer Stelle hatten die Cops Mühe eine größere Gruppe von ca 30 Faschos abzudrängen. Angekommen auf der Kundgebung gab es dann wie bereits geschrieben die positive Überraschung, dass so viele Antifaschist*innen zur Kundgebung gekommen sind. Die innere Anspannung ließ erst einmal nach.

 

Die linke Kundgebung fand direkt gegenüber des Karl-Marx-Monuments statt, an dem sich die Rechten sammelten. Hier machte sich von Anfang an die völlige Fehleinschätzung der Polizei bemerkbar: Es gab nicht mal Hamburger Gitter. Nirgends. Man fuhr dann eine Reihe Wannen zwischen die beiden Kundgebungen, mehr als einzelne Copgrüppchen waren aber nicht zu sehen. Man konnte auch problemfrei die Seiten wechseln wenn man sich etwas links hielt, egal ob Presseausweis oder nicht. Ab 18 Uhr füllte es sich dann bei den Rechten und insgesamt fanden sich 2500 bis 3000 am Monument ein, dazu noch etliche im Stadtgebiet. Insgesamt schätzen wir etwa 4000 Rechte, bedingt durch die unübersichtliche Lage lässt sich das schwer sagen. Es können auch mehr gewesen sein.

 

Als Bild bot sich ein harter Kartoffelacker, der von den besorgten Feierabendrassist*innen und (nicht so vielen) patriotischen Muttis bis hin zu Neonazis, Kameradschaftlern und Hools so ziemlich alles bot. Circa ein Drittel davon ist als gewaltbereit bis gewalttätig einzuschätzen gewesen. Insgesamt waren erstaunlich wenig Fahnen und Flaggen zu sehen, man hielt ein paar Banner hoch und brüllte sonst lieber alkoholgeschwängert oder zugestofft rechte Parolen. Ein merklicher Teil der Rechten war nicht nüchtern. War die Lage anfangs noch entspannt und passierte nichts von großer Relevanz außer gegenseitigem Anbrüllen und einigen inzwischen hinlänglich bekannten Hitlergrüßen wurde es ab ca 20 Uhr kritisch. Faschos fingen an Böller und Pyros auf den Gegenprotest zu schmeißen, die Cops taten nichts weiter als die zwei vorhandenen Wasserwerfer aufzufahren und nicht zu benutzen. Dabei gab es die absurde Situation, dass die Ordner der Rechten die eigenen Leute härter angingen als die Cops. Die ließen sich untätig von den Rechten bewerfen. Dann kam es zu mehreren Angriffen auf den Gegenprotest. Einige Male versuchten die Faschos es von vorne, was wegen mangelnder Gitter und Cops auch halbwegs klappte. Zum anderen griffen die in den Seitenstraßen versammelten Hools die Demo von hinten an. Auch dies stellte kein großes Problem für die Rechten dar, gab es doch keine Polizei hinter der Kundgebung. Antifas konnten die Attacken jeweils abwehren, es gab allerdings einige Verletzte und ein Ordner musste wahrscheinlich ins Krankenhaus.

 

Ab etwa 20 Uhr liefen auch Verhandlungen mit der Polizei über eine sichere Abreise vom Kundgebungsort, die Auswärtigen hatte Züge zu erwischen. Bis um 21 Uhr war aber noch immer nichts von einer Art Geleit zu sehen und so entschloss man sich geschlossen als Demo zum Bahnhof zu gehen. Auf dem Weg wurde die Demo dann von diversen rechten Gruppen angegriffen und es ist nur der mangelnden Koordination der Faschos zu verdanken, dass hier nicht Schlimmeres passiert ist. An einer Stelle wäre die Demo beinahe gesplittet worden. Dann trafen irgendwann die ersten Cops ein – und knüppelten auf die Antifas ein, die gerade die Reihen neu sortierten um sich auf Angriffe von allen Seiten wehren zu können. Völlig überfordert von der Gesamtsituation prügelten die Cops erst mal auf alles ein was ihnen vors Tonfa kam und trieben Teile der Demo fast in die umstehenden Faschogruppen. Auf dem weiteren Weg zum Bahnhof trafen dann langsam immer mehr Cops ein und ein paar hundert Meter vor Erreichen des Bahnhofs kann man von einer halbwegs akzeptablen Präsenz sprechen. In der Zwischenzeit griffen die Rechten immer weiter mit Steinen und Pyros an, gingen auf die Demo und die Cops los. Es gab mehrere Verletzte. Gegen 21:40 erreichte die Demo dann den Bahnhof und fuhr mit den wartenden Zügen aus Chemnitz weg, während der Rechte Mob die Straßen fast nach Belieben kontrollierte.

 

Was bleibt zu sagen? Polizei und Politik haben auf ganzer Linie versagt. Und zwar so richtig. Die Drecksbullerei stand mit 300 Leuten völlig überfordert und ohne irgendeine Art von Konzept kurz vor dem Zusammenbruch, der Mob konnte fast ungehindert Leute angreifen und auf die Cops scheißen, die nichts machen konnten. Schon am Sonntag war die Polizei rechtzeitig gewarnt worden und gnadenlos unterbesetzt. Und genau das Gleiche passierte gestern auch wieder. Es ist hier völlig egal pb das jetzt eine falsche Einschätzung der Lage war (Polizeisprecher) oder nach bewusster Unterlassung aussieht (da tendieren wir zu), die Cops haben auf ganzer Linie versagt und als Sahnehäubchen haben die Bullen dann auch noch ordentlich in die Antifas reingeholzt. Wir bedanken uns bei allen Antifaschist*innen vor Ort und wünschen allen Verletzten eine gute Besserung. Sachsen ist einfach ein verlorenes Bundesland. Und zwar vom Nazidreck über die Bullen bis hin zur Landespolitik und –regierung. Danke für nichts.

Dresden – Opfer oder Opfa?

Jedes Jahr aufs Neue versuchen Faschos und andere Geschichtsverdreher in Dresden ein großes Mimimi unter die Leute zu bringen. Letztes Jahr zeichnete sich die Stadt Dresden durch ein besonderes Ereignis aus. Vor der Frauenkirche wurden drei Busse aufgerichtet und erinnern an entsprechende Straßenbarrikaden in Aleppo, mit der Schutz vor Snipern des Assad-Regimes geschaffen wurde. Dresden ist aber nicht ohne Grund Hauptstadt von Sucksen. Auch in diesem Jahr versucht das nationalistische Spektrum die Bombardierungen für sich zu vereinnahmen, Dresden stellt wie immer mit dem in der DDR begonnen Opfermythos das Zentrum des Geschichtsrevisionismus dar.

Unter lautstarker Wortführung von Lutz Bachmann wurde gegen diese Installation protestiert, gegeifert und gehetzt. Bachmann ist schon lange wieder die regionale Randfigur geworden, die er immer war. Im Zuge seines unvermeidlichen Abstieges in Richtung Bedeutungslosigkeit wurde sein Tonfall immer offener faschistisch. Letztes Jahr hatte er den Revisionismus um die Dresdner Bombardierung für sich entdeckt und ließ alles vom Stapel: „alliierte[r] Bombenterror“ (1) und „Bombenholocaust“ (2) waren dabei, die Installation nannte er „die Schande von Dresden“ (3) und benutzte doch glatt IB-Sprache mit dem Wort „Remigration“ (3) Gegen die Installation wollte er Klage einreichen (2), wie so viele andere großmundige Ankündigungen von ihm ist daraus nichts geworden. Zusammengefasst: Bachmann opferte rum. Was er natürlich nicht versteht (wie all die anderen Geschichtsrevisionist*innen), ist die tatsächliche Symbolbedeutung von Dresden – wenn es denn unbedingt Dresden sein muss.

Back in the days

 

Rollen wir die ganze Angelegenheit mal von vorne auf und gehen zurück ins Jahr 1936. Mit dem Angriff der Luftwaffe auf Guernica hat das Deutsche Reich erstmals ein Flächenbombardement mit Bomberstaffeln durchgeführt (4). Die spanische Stadt wurde im Zuge dessen fast vollständig zerstört, von Picasso in einem seiner berühmtesten Werke verewigt und ist das Auftaktfanal der menschenverachtenden Kriegsführung des Deutschen Reiches. Die erste Kriegshandlung des Zweiten Weltkrieges war dann die Bombardierung von Wieluń ab 4:37 am 01.09.1939 – vor offiziellem Kriegsbeginn. Von den etwa 16.000 Einwohner*innen starben bis zu 1200 und die Stadt wurde mehr oder weniger komplett zerstört. (5) Als erste Großstadt bekam dann Warschau über Wochen hinweg ein durchgehendes Bombardement zu spüren und wurde als erste Großstadt teilweise zerstört. Weitere bekannte deutsche Bombardierungen sind die von Rotterdam, „the Blitz“ in London, Belgrad und Coventry. Hitler rief die „Luftschlacht um England“ aus und verlor sie bis Anfang 1941.

Die deutsche Kriegsführung sah großräumige Städtebombardierungen von Anfang an vor. Diese waren Teil des Vernichtungskrieges des Deutschen Reiches. Dieser traf vor allem die östlichen und südöstlichen Gebiete des europäischen Schlachtfeldes mit voller Härte und gipfelte schließlich in der industriellen Massenvernichtung von Menschen durch Menschen in den KZs und Vernichtungslagern, hauptsächlich von Juden, aber auch von Sinti, Roma und anderen „minderwertigen“ Menschen, politischen Feinden und Kriegsgefangenen. Nebenbei hat Hitler auch diverse Länder angegriffen , die nicht am Krieg partizipieren wollten. Das britische Empire und Frankreich hatten dem Deutschen Reich nach dem Angriff auf Polen den Krieg erklärt. Im Jahr 1940 griff Hitler folgende Länder an: Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Dänemark, Norwegen, im Jahr 1941 dann: Jugoslawien, Griechenland, Sowjetunion. Mit Ausnahme Frankreichs waren das übrigens alles einseitige Kriegserklärungen, sprich Angriffskriege.

Nach der Niederlage der Luftwaffe über dem englischen Luftraum setzte Hitler auf die Entwicklung seiner Wunderwaffen. Großangelegte Bombardements auf die britischen Inseln waren nicht mehr möglich. Bis Kriegsende wurden etwa 12.000 Flügelbomben des Typs V1 abgefeuert, etwa 3.200 Raketen des Typs V2. Die meisten davon waren auf London und Antwerpen gerichtet. Diese Sprengkörper waren ungelenkt und konnten somit überall runtergehen und alles treffen.


Total und radikal


Der deutsche Krieg wurde im Verlauf immer brutaler, Goebbels rief in seiner Sportpalastrede den totalen Krieg aus. In den besetzten Gebieten wurde der Fiebertraum der arischen Herrenrasse und des Lebensraums im Osten menschenverachtend umgesetzt, Zwangsarbeit und Erschießungen bestimmten den Alltag. Nach der Wannsee-Konferenz wurden die industrielle Vernichtung der Juden beschlossen und mit deutscher Gründlichkeit und bürokratischer Präzision in die Tat umgesetzt. Der Tod war eben ein Meister aus Deutschland. Und gestört hat es die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit offenbar nicht. Es gab genügend Leute, die in den Konzentrationslagern gearbeitet haben, der Rassenwahn war offizielle Staatsdoktrin. Selbst bei immer härter werdender Brutalität auch der eigenen Bevölkerung gegenüber regte sich kein nennenswerter Widerstand. Gab es zum Ende des Ersten Weltkrieges die Novemberrevolution, gab es jetzt den Kadavergehorsam. Das NS-Regime wurde von der Bevölkerung bis zum bitteren Ende mitgetragen. Keine meuternden Matrosen, keine revoltierenden Wehrmachtsverbände, keine streikenden Fabriken, nichts. Aus diesem Grund wird auch mit Fug und Recht von den Deutschen als Tätervolk gesprochen. Weil die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit das schlimmste aller Verbrechen von Menschen an Menschen zugelassen und mitgetragen hat – den Holocaust.

Wer ist dran schuld?

 

Und was hat dieser historische Ausflug jetzt mit Dresden zu tun? Ganz einfach: Hier wird von rechter Seite versucht, die Deutschen als Opfer darzustellen. Über Sinn und Unsinn der alliierten Flächenbombardements von Städten, des sogenannten „moral bombing“, lässt sich streiten. Es war auch damals in der britischen Generalität nicht unumstritten. Aber wer trägt die eigentliche Schuld daran? Ist es nicht etwa das Deutsche Reich selber, dass diese Taktik mit Guernica und Wieluń eingeführt hat und den Grundstein für alle späteren Aktionen dieser Art legte? Es ist einzig und allein dem Sieg des Empires in der Luftschlacht um England zu verdanken, dass die deutsche Luftwaffe ihrerseits die Flächenbombardements nicht weiterentwickeln konnte. Später verhinderte die enorme Frontlänge verbunden mit Produktions- und Nachwuchsproblemen größere Bomberaktionen des Deutschen Reiches. Das zivile Opfer den Deutschen egal waren, zeigen die V1 und die V2 unwiderruflich, es ging einzig um Zerstörung und Chaos.

Der Zweite Weltkrieg wurde vom Deutschen Reich begonnen und zwar ab der ersten Minute mit einer unvorstellbaren Menschenverachtung und -vernichtung auf allen Ebenen. Es war ein Vernichtungskrieg. Es gab keine „edle Wehrmacht“, wie sie von vielen Faschos heute gerne stilisiert wird. Das Deutsche Reich hat die Brutalität selbst in diesen Krieg eingeführt und ihn dann auch noch für „wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt erst vorstellen können“ erklärt. Wer denkt, dass ein Land, welches den Holocaust mit stillschweigender Billigung der Bevölkerung durchführt, in einem derartigen Krieg das Opfer ist, der hat so Einiges nicht verstanden. Wenn dann auch noch die Einmaligkeit des Holocaust auf das Tätervolk umgemünzt wird („Bombenholocaust“), dann sind endgültig alle Sicherungen durchgebrannt. Die Schuld an den Toten in Dresden trägt Nazideutschland. Und niemand sonst. Dresden ist somit eines der Symbole für den totalen Krieg. Du kannst nicht einfach einen Vernichtungskrieg starten, ohne dafür eine Antwort zu bekommen. Und genau dieses Symbol ist Dresden: Das Resultat der eigenen Menschenverachtung.

(1) http://archive.is/1Ql7L
(2) Bachmann sagt „Bombenholocaust“ bei Minute 2:20 https://www.youtube.com/watch?time_continue=139&v=TOodEjvCECE
(3) http://archive.is/T2ZeJ
(4) Darstellung des Angriffs auf Guernica mit vielen Quellenbelegen: http://www.bits.de/public/articles/ami/ami07+08-03.htm
(5) http://www.spiegel.de/einestages/kriegsbeginn-1939-a-948468.html