Gestern trafen sich Nazis zu ihrem jährlichen „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ). Als Veranstaltungsort wurde dieses Mal Chemnitz ausgesucht, wohl weil sie glaubten, sich dort in ihrer Wohlfühlzone zu befinden. In den letzten Jahren waren zwar die Teilnahme-Zahlen den TddZ deutlich gesunken, die Faschos versprachen sich aber diesmal eine höhere Beteiligung. Spoiler: da lagen sie falsch.
Für uns ging es von Leipzig aus nach Chemnitz. An dieser Stelle nochmal ein dickes Shoutout an die nette Person, die uns kurzfristig und unkompliziert bei sich aufnahm und die Demo mit uns besuchte. Was eine Antifa-Seite so alles möglich macht.
Wir reisten also mit der Leipziger Gruppe an. Eigentlich sollten wir am Chemnitzer Hbf ankommen, jedoch endete die Reise wegen Bauarbeiten bereits an einem früheren Chemnitzer Bahnhof, an dem direkt ein Empfangskomitee der Bullen auf uns wartet und die Leute nicht weiterlassen wollte. Also wurde flugs von der Leipziger Gruppe eine Sponti angemeldet.
Die zog dann auch lautstark in Richtung Versammlungspunkt der Hauptdemo. Da stressten aber bereits die Cops zum zweiten Mal. Wegen angeblicher Vermummung bzw. dem Verdacht, dass es später dazu kommen könnte, wurde die Sponti angehalten. Aber nachdem dies geklärt war, konnte dann weitergezogen werden.
Der Hammer kam dann als wir kurz vor der Hauptdemo standen. Um durchzukommen, sollten Taschenkontrollen bei „verdächtigen“ Personen durchgeführt werden. Wie viele das genau sein sollten, konnte nicht genannt werden. Nachdem bereits ein Gruppenplenum durchgeführt wurde, um die Optionen abzuwägen, gaben die Bullen doch klein bei und wir konnten bis zur Hauptdemo durch. Auch bei weiteren Gruppen, die anreisten, kam es zu vermehrt zu Problemen, da auch diese zunächst gar nicht erst durchgelassen werden sollten.
Als wir dazustießen, war der Versammlungsort bereits gut gefüllt. Ca. 800 Menschen waren dort. Jedoch stießen immer mehr Menschen dazu. Es war sehr bunt gemischt. Von Bürgi-Gruppen bis zu militanten Antifa-Bündnissen war alles dabei. Am Ende waren es ca. 2.000 Leute, auf der Naziseite etwa 250.
Bevor die Gegendemo losging, gab es aber auch schon die erste Begegnung mit der tddz-Demo. Sie wurden dann auch direkt mit Pyro und Böllerwurfen empfangen. Darauf antworteten sie mit antisemitischen „Nie wieder Israel“-Chören. Spätestens da hätte die Polizei die Fascho-Demo auflösen müssen. Passierte aber natürlich nicht. Die ersten drei Blöcke der Demo waren organisiert und die Demo-Orga teilte mit, einen Durchbruchsversuch zu planen und auf die Strecke der Nazis zu kommen, kurz bevor deren Trauermarsch auf unsere Veranstaltung hätte treffen sollen. Dafür haben sich die Blöcke dann formiert. Erste Sitzblockaden auf der Route der Nazis wurden jedoch von den Cops teils brutal geräumt. Außerdem ließ die Polizei teils Presseleute nicht zu den Demos. Zu einem massiven Durchbruchsversuch kam es dann aber nicht.
Die eigentliche Gegendemo lief dann auch erst los, als die Nazi-Demo vorbei war. Es bildete sich ein recht großer schwarzer Block, der sich sehr lautstark und kraftvoll auf der vorgesehenen Route bewegte, um an einer weiteren Stelle einen neuen Blockadeversuch zu starten. Es wurden Ketten gebildet. Leider misslang auch der zweite Durchbruchsversuch. Z.T. bewegten sich Personen unvermummt im schwarzen Block, wodurch einige Ketten aufgerissen wurden und auch die Polizei tat ihr Übriges, indem sie den nächsten Blockadeversuch zerschlug und sicherte die Faschodemo mit massivem Aufgebot ab, für das sie sich Unterstützung aus mehreren anderen Bundesländern geholt hatte. Die Demo setzte sich erneut in Bewegung. Die Cops waren diesmal dabei recht entspannt, auch wenn die Demo immer mal wieder anhalten musste und es auch ein wenig Pyro auf der Strecke zu sehen gab.
Dafür trafen wir noch ein drittes Mal auf die Fascho-Demo. Leider war ein Durchbrechen dank der massiven Polizeiabsicherung nicht möglich. Aber wenigstens konnte man die Trauergestalten noch etwas bepöbeln.
Auf dem Weg zum Hbf, eskortiert von schweren Polizeikräften, wurden die Faschos dann noch besonders mutig und bepöbelten den Gegenprotest, der ihnen zahlenmäßig mehr als deutlich überlegen war. Wäre die Polizei nicht da gewesen, wäre es wohl nicht nur bei ein paar blauen Flecken für die Nazis geblieben.
Alles hat es das Bündnis Bündnis Chemnitz Nazifreigeschafft, eine gelungene Demo mit starker Antifabeteiligung auf die Beine zu stellen. Besonders motivierend war die Sprecherin im Lauti, die es immer wieder geschafft hat, die DemonstrantInnen anzuheizen, zu motivieren und mit ihrer Art, die Demo zu lenken, sicher zu der kämpferischen Atmosphäre beigetragen hat.
Auffällig war, dass die Zahl der DemoteilnehmerInnen zwar noch angestiegen ist, aber bei weitem nicht in dem Maß, wie es zu erwarten gewesen wäre, wenn Nazis eine solche Veranstaltung in einer Stadt planen, weil sich AnwohnerInnen und Tages-Touris nicht in der Nähe der Gegendemo blicken ließen. An der Route direkt oder an den Fenstern anliegender Wohnhäuser waren kaum Menschen zu sehen, die sich der Demo anschlossen. Die Nazis starteten nahe dem Stadtzentrum, in dem sie viele wiederum viele ChemnitzerInnen aufhielten, Eis aßen, mit ihren Kindern im Brunnen spielten usw. Dass nur ein paar Hundert Meter weiter ein Naziaufmarsch stattfand, interessierte sie nicht. Das ist ein Spiegel der Mentalität bzw. Geisteshaltung, der es dem NSU ermöglichte, dort mehrere Jahre unterzutauchen.
Leider konnten die Nazis zwar laufen, aber Chemnitz hat ihnen gezeigt, dass ihnen deutlich widersprochen wurde und sie falsch lagen, in der Annahme, Chemnitz würde für sie ein Heimspiel werden. Sowohl das zivilgesellschaftliche Engagement als auch das der Antifa machte deutlich, dass der Tag der deutschen Zukunft keine Zukunft mehr hat. Gestern wurde bereits Worms für den TDDZ 2020 als Veranstaltungsort bekannt gegeben. Michi–dein Handy hat immer noch die Antifa-Brück (Rechter Kacklappen) zeigte sich sichtlich enttäuscht und geht davon aus, dass auch dort keine größere Nazi-Demo möglich sein wird. Lassen wir seine Alpträume in Erfüllung gehen,
Zum Abschluss des Tages spielten dann Waving The Guns noch ein sehr gelungenes Gratis-Konzert unter dem Karl-Marx-Monument.
Sophie Rot und Erich Schwarz