Am Samstag fand in Themar ein inzwischen wohlbekanntes Neonazikonzert statt. Etwa 6000 Personen aus dem neonazistischem und faschistischem Spektrum kamen zusammen und präsentierten gut dokumentiert, wie das gewaltbereite Neonaziklientel so aussieht. Unter dem Schutze des Demonstrationsrechts wurde dann auch in trauter Runde ordentlich dem deutschen Gruß gefrönt, die Polizei sah keine Veranlassung, die Veranstaltung zu beenden oder einzugreifen. Einige Fotos der Veranstaltung machen seit dem die Runde. Neben einem Polizisten bei einem vermeintlichen persönlichen Kontakt mit Faschos und diversen Nazi-Motiven und Slogans inklusive Liebeserklärungen an Hitler macht vor allem das Bild eines sehr korpulenten Mannes die Runde, auf dessen T-Shirt der Aufdruck „Nationalstolz kann man nicht zerbrechen“ auszumachen ist.
Scheinheilig auf der richtigen Seite
Was sich in den Kommentarspalten zu diesem Bild beobachten lässt, zeigt wieder einmal das massive Problem zwischen Anspruch und Wirklichkeit der eigenen vermeintlichen moralischen Überlegenheit, die sich im Zweifelsfall aber doch nur in dumpfester Überheblichkeit äußert. Vor allem schnelle Medien wie Facebook oder Twitter laden dazu ein, unreflektiert in die Tasten zu hauen und sich am bundesweiten Diffarmierungswettbewerb zu beteiligen. Nazis sind ja scheiße, also immer feste druff. Das dabei der eigene Anspruch flöten geht, ist egal. Jede Ingroup braucht offensichtlich ein Objekt, an dem dann mal lustvoll sämtlicher Anstand ins Gegenteil gekehrt und so richtig gelästert werden kann. Da man sich ja auf der richtigen Seite wähnt – gegen Nazis ist ja immer gut – kann ruhig das Niveau der schlimmsten Boulevardpostillen unterboten werden. Über die man sonst am Besten immer noch schimpft ob ihrer stupiden Triebbefriedigung auf Kosten anderer.
Machen wir uns nichts vor, wir haben alle in gewissem Maße schon selber an diesen Beleidigungsolympiaden teilgenommen. Und natürlich kokettieren viele Seiten, Accounts und Medien zu einem gewissen mit Empörung bzw. Zielgruppenbefriedigung. Hier geht es aber nicht um ein Kokettieren, hier geht es um die Masse an unterirdischen Kommentaren, die sich von Menschen auf der „richtigen“ Seite Bahn bricht – und berechtigte Zweifel aufkommen lässt, wie viel beim Thema Antifaschismus verstanden wurde. Wie konsequent setzt man die eigenen Ansprüche an sich selber um, wenn man sich wegen eines übergewichtigen Faschos ähnlich hetzend und diskriminierend geriert, wie das Objekt des Spottes? Es gibt ganze Seiten, die sich auf das Vorführen von Menschen stützen – und einen inhaltlichen Mehrwert über den Moment der Empörung hinaus oftmals vermissen lassen, von wirklich tiefgreifenden Analysen ganz zu schweigen.
Verteidigungsreflexe
Die Parallelen zur Causa Nazischlampe mit Alice Weidel sind offensichtlich. Ist der Ausdruck im direkten satirischen Kontext als Erwiderung auf ihre Forderung vom Ende der politischen Korrektheit zu verteidigen, da er die logische Konsequenz aus eben dieser Forderung darstellt und mit der daraufhin eingereichten Klage die Scheinheiligkeit Weidels offenbarte, nahmen ihn viele Leute einfach nur zum Anlass, endlich ungehindert eine Frau als „Schlampe“ bezeichnen zu können. Emanzipatorisch ist daran nichts, im Gegenteil. Es werden nur alte Muster unter dem scheinheiligen Deckmantel der „richtigen Seite“ repliziert. Und so verwundert es nicht, dass sich auch hier ein Autor findet, der den ganzen Lästerbros, -sis, inbetween und else einen Persilschein genau dafür ausstellt. Stefan Laurin mimt hier in einem Kommentar bei den Ruhrbaronen die Kronkartoffel gegen den eigenen Anspruch.
Wirklich anspruchsvoll fällt seine Verteidigung nicht aus, es solle hier das Ideal der Nazis (Herrenmenschen dies das) mit ihrer Wirklichkeit konfrontiert werden. In welche Tradition er sich damit stellt, kann in diesem Kommentar nachgelesen werden. Was Laurin weiterhin geflissentlich übersieht oder übersehen will – die meisten Kommentare geben sich ja nicht einmal den Anschein, hier irgendwie einen vermeintlichen Anspruch der Nazis und dessen Scheitern aufzuzeigen. Eine ideologische Auseinandersetzung findet nicht statt, da sie gar nicht gewollt ist. Hier wollen einfach nur Menschen ihrem Lästertrieb nachgeben, den sie sonst ja leider nicht so ausleben können. Es geht den meisten Kommentierenden bei diesem Bild um nichts anderes als Selbstbefriedigung und Circle Jerk. Und auf diese Doppelmoral kann konsequenter Antifaschismus nun wirklich gut verzichten.