Bei den aktuellen „Hygienedemos“ treiben sich auch Personen des linken Spektrums herum. Auch wenn man dies gern leugnen möchte, ist es so. Zugegebenermaßen gehören sie zu einem linken Spektrum, das man schon vorher etwas belächelt hat. So mobilisierte die MLPD bereits für diese Demos. In München organisierte sie eine Querfrontveranstaltung, auf der auch ein Redner des faschistischen III. Wegs auftreten durfte. Auch andere Splittergruppen aus dem autoritär-marxistischen Bereich warben nicht nur dafür, sondern nahmen auch daran teil.
Die größte linke Gruppe, die sich auf den „Hygienedemos“ herumtreibt und deshalb als Querfront bezeichnet werden kann, sind jedoch wohl die „Altlinken“, die die 68er Bewegung maßgeblich mitprägten. Natürlich sind nicht alle Altlinken so. Im Gegenteil: viele warnen vor jenen, die jetzt zusammen mit Nazis, die sie früher noch gehasst haben, gegen die Maßnahmen zur Eindämmung von Corona protestieren.
Klaus der Geiger, der sonst im Hambi oder davor bei Castorprotesten spielte, tritt nun für die „Hygienedemo“ in Köln auf. Er ist beileibe kein Einzelfall, sondern wahrscheinlich nur der prominenteste Fall. Fragt man selbsternannte Linke, warum sie bei diesen Querfront-Veranstaltungen sind, bekommt man oft als Antwort, dass „es ja um die Sache ginge“. „Die Sache“ ist wohl in diesem Falle die ablehnende Haltung „gegen die da oben“. „Die da oben“ schränken unnötigerweise unsere Handlungsfreiheit ein, so heißt es. Natürlich ist es erstmal aus linker Sicht ablehnenswert, wenn die Freiheit eingeschränkt wird. Jedoch wird die Freiheit aktuell nicht grundlos und willkürlich eingeschränkt, sondern um Infektionen vorzubeugen und so Menschen zu schützen, besonders Risikogruppen.
Schwurbeleien sind bei den 68ern nix Neues und weit verbreitet. Sinnsuche und Spiritualität waren dort schon immer Teil des Ganzen. Die politische Arbeit war sinnstiftend und identitätsbildend. Die Hippie-Bewegung mit ihren esoterischen und anti-rationalen Inhalten verband sich mit der politischen Arbeit. Es überrascht daher nicht, dass die 68er auch heute noch offen sind für „alternative“ Denkmodelle. Ein gefundenes Fressen für Leute wie KenFM oder andere „Truther“, die so auch Nicht-Rechte für ihre Denkweise begeistern können. Denn auch bei Ken Jebsen, Attila Hildman und Xavier Naidoo finden sich einfache Erklärungen für komplexe Probleme, garniert mit einem Hauch Esoterik. Denn nur wenige erleuchtete Eingeweihte wissen, was wirklich geschieht. Genauso sahen sich auch die 68er damals und auch heute noch und finden sich heute bei einem gescheiterten Journalisten, Koch oder Sänger wieder, die jetzt munter Verschwörungstheorien verbreiten.
Denn auch das Kapitalismusverständnis der 68er-Bewegung war in der Masse simpel. Ausgehend von einer antiimperialistischen Grundhaltung wurde die Welt in „gut“ und „böse“ eingeteilt. Gut waren in jenem Falle die unterdrückten Völker, schlecht die kapitalistischen Unterdrücker. Eine komplexe Realität wie der Kapitalismus lässt sich jedoch nicht so leicht in ein Gut/Böse-Schema pressen. Zumal es einen strukturell antisemitischen Grundton aufweist, da bestimmten Ländern ein kapitalistischer aka ausbeutender Charakter oder eben ein antikapitalistischer bzw. ausgebeuteter Status zugeschrieben wird. Der Kapitalismus wird nicht als komplexes System verstanden, sondern personalisiert.
Der Antisemitismus eint die 68er mit den Verschwörungsheinis. Auch wenn sie selbst vielleicht nicht verstehen, warum ihr Denken antisemitisch ist. Selbst ohne direkten Hass gegen jüdische Menschen ist es das. Unterkomplexe Lösungen werden von Jebsen und co. vorgekaut und die Hippies käuen sie wieder. In ihren Köpfen und auch in ihrem politischen Selbstverständnis macht das Sinn. Es ist daher wenig verwunderlich, dass Altlinke, Hippies und 68er auf den „Hygienedemos“ auftauchen. Name und auch ihr (damaliger) Aktivismus war vielleicht links, aber ihre Ideologie nie, da sie auf regressiven Grundprämissen fußt. Man wird solche Leute auch nicht mehr vom Gegenteil überzeugen können.
Hier sind es halt nicht mehr die USA oder jüdische Menschen, die als der personifizierte Kapitalismus verstanden wird, sondern Bill Gates, der mit Hilfe eines finsteren Plans die Welt unterjochen wird. Hier verbindet sich die unterschwellige Anfälligkeit für Verschwörungstheorien mit einem flachen Verständnis von Kapitalismus. Schon können sich selbst als Linke verstehende Menschen für ein Querfront-Projekt gewonnen werden.
Für Linksradikale, die wirklich diesen Namen verdienen, gilt es daher sich scharf öffentlich von diesen Querfront-Linken abzugrenzen. Sie haben mit ihrem strukturell antisemitischen Denken, ihrer regressiven Kapitalismuskritik und ihrer spirituell angehauchten Sinnsuche nichts mit uns gemeinsam. Dies muss auch öffentlich deutlich werden. Ich will nicht mit solchen Hippies in einen Topf geworfen werden, die unsolidarisch Menschen opfern wollen, um sich die Haare schneiden lassen zu dürfen.