Die aktuelle Aktion macht wieder einmal Schlagzeilen und wird auch von Linken durchaus gut bewertet. Im Gegensatz zu vorherigen Aktionen ist das negative Echo dieses Mal aber deutlicher. Dies verwundert nicht, handelt es sich hier doch (erneut) um eine Instrumentalisierung des Holocausts ohne Einbindung der Opfer, deren Angehöriger und Interessenvertretungen. Ähnliches wurde bereits in abgeschwächter Form mit der Aktion bei Höcke mit den auf dem Nachbargrundstück platzierten Kopien der Stelen vom Holocaustmahnmal. Auch damals waren keine Opferinteressen in die Planung involviert, der Holocaust in Form seiner bundesdeutschen Gedenkpraxis (die man auch in vielen Punkten kritisch sehen muss) ist wieder nur ein Mittel zum Zweck, genutzt nach Belieben von Deutschen.
Hier wird damit kokettiert, Asche von Holocaustopfern in der Nähe des Reichstags platziert zu haben. Dazu hat man angeblich Bodenproben von diversen Stellen entnommen und testen lassen, um Holocaustüberreste nachzuweisen. Richtig ist, dass der Punkt der Weiterverwendung oder Entsorgung der menschlichen Überreste öffentich nicht bekannt ist und nicht verhandelt wurde. Ginge es dem ZPS aber darum, auf diesen Fehlstand hinzuweisen, hätte es beim Zentralrat der Juden, beim Auschwitzkomitee und in Yad Vashem angefragt, wie man zusammen darauf aufmerksam machen kann. Ohne Störung der Totenruhe, ohne über die Opfer hinweg zu entscheiden und ohne die Nachfahren mit so einer Aktion zu brüskieren. Denn beim Holocaust geht es um die Juden als Opfergruppe, die nichts zu entscheiden hatten. Deshalb sollte man ihnen zumindest heute die Möglichkeit der Mitgestaltung einräumen und nicht gegen ihren Sinn agieren. Wenn man es schafft, bei Götz Aly und Lea Rosch zu fragen, dann sollte man es auch schaffen, den Zentralrat der Juden und das Auschwitzkomitee zu fragen. Dabei hat das ZPS sowohl bei den Stelen für Höcke als auch jetzt kläglich versagt. Das hat das ZPS inzwischen auch selber einsehen müssen und sah sich gezwungen, eine Entschuldigung abzugeben.
Wiederaufarbeitung darf gerade bei den Verbrechen der Nazizeit nicht GEGEN die Opfer und ihre Angehörigen passieren. Hier haben die Nachfahren der Täter und Täterinnen schön die Füße stillzuhalten und müssen dann auch mal in den sauren Apfel beißen und hinnehmen, wenn ihre Vorstellungen NICHT als maßgeblich betrachtet werden. Für das ZPS mag das dann bedeuten, dass eine Aktion möglicherweise weniger schlagzeilenträchtig ist. Daher stellt sich nun die Frage, worum es dem ZPS im Kern geht. Ist das Aufsehen das Ziel, die Kunst nach eigenem Willen umzusetzen? Geht es um das Erreichen eines politischen Ziels um jeden Preis? Oder will man sich ernsthaft inhaltlich mit einem Thema auseinandersetzen und dieses möglichst nachhaltig bearbeiten?
Das es um das Aufsehen geht, dafür sprechen die behandelten Themen und die gewählten Aktionsformen und -orte. Auch die Darstellung der vergangenen Aktionen auf der Homepage spricht dafür, da sie insbesondere die Reaktionen von Presse, Staat und Gesellschaft ins Zentrum rückt. Um das Erreichen konkreter politischer Ziele jenseits von Aufregern und einer Woche medialer Debatte geht es nicht, denn was genau hat das ZPS erreicht? Dafür, das konkrete Forderungen gestellt werden, hat man keine einzige konkrete Durchsetzung von irgendwas im Kopf, zumindest sind diese nicht ersichtlich bzw. werden in den Handlungen nicht als primäres Ziel kenntlich. Und um in den jeweiligen Aktionsfeldern nachhaltige Aktionen geht es ganz offensichtlich auch nicht. Eigeninszenierung ist das Ziel, Skandalisierung das Mittel.
Hier wurde bereits das Brüskieren der Holocaustopfer und ihrer Angehörigen angesprochen. Aber auch andere Aktionen zeugen nicht davon, dass man sich mit anderen AkteurInnen verständigt. Nehmen wir die Aktion Soko Chemnitz. Mit einer Hoax-Seite tat man so, als wolle man jetzt erstmalig die Nazis identifizieren und anprangern. Angeblich sammelte man dann die Suchergebnisse in der Website und kam so an die Daten von Rechten. Was nirgends während und nach dieser Aktion zur Sprache kam, ist, dass es zig Leute gibt, die ihre Aufgabe in der Nazirecherche sehen und daran arbeiten, Personen, Gruppen und Zusammenhänge zu identifizieren. Rechercheteams gibt es in jeder Region und sie sind ein wichtiger Teil antifaschistischen Aktivismus. Das ZPS hat aber nicht nur nicht auf tatsächliche Recherchetätigkeit verwiesen, es hat die Daten auch noch an die Polizei gegeben:
„“Soko Chemnitz“ leitete den Datenschatz des rechtsextremen Netzwerks mit allen relevanten Daten (Namen, IP-Adresse, Suchbegriffe, automatische Gewichtung) für die weiteren Ermittlungen an den Staat in Form der Polizei Sachsen, dem Bundesinnenministerium und dem LKA 532 Berlin (Staatsschutz Abteilung rechtsmotivierte Kriminalität) weiter. Als nicht relevant eingestufte Suchanfragen wurden direkt nach der Eingabe gelöscht.“
Anstatt mit den Daten tatsächliche Antifaarbeit zu unterstützen, kooperiert man mit den Behörden, die insbesondere in Sachsen mit Rechten durchsetzt sind. Wer ersthaft Vertrauen in Polizei und Verfassungsschutz hat, muss seit Jahrzehnten blind sein. Und man kooperiert mit den Behörden, die konsequente Antifaarbeit behindern und verfolgen. Das ZPS hat, faktisch gesehen, echter Antifaarbeit keinen Millimeter geholfen und stattdessen sich so inszeniert, dass es jetzt mal den Nazis so richtig an den Kragen zu ginge. Auf der Seite wird zudem stolz gezeigt, dass ein Arbeitgeber eine Person gekündigt hätte und es eine Anzeige wegen eines Hitlergrußes gab, die von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde. Beides sind keine Resultate, mit denen man sich sonderlich brüsten müsste. So etwas machen Menschen privat jeden einzelnen Tag. Wenn man seinen Aktionen aber den Anstrich von praktischer Relevanz geben will, muss man das vermutlich derart reißerisch präsentieren.
Alles in allem ergibt sich nach einigen Jahren anhand der Aktionen des ZPS das Gesamtbild, dass es hier vor allem um die Lautstärke geht, nicht um den Inhalt. Wie wenig man sich mit politischen Inhalten auseinandersetzt, zeigt die Einordnung der Aktionen gegen Rechts in die Kategorie „Widerstand gegen den Totalitarismus“. Damit bedient man sich eines der Begriffe, die symptomatisch für die deutsche Schuldabwehr nach Ende des Naziregimes stehen und mit dem darin enthaltenen Antikommunismus als weltanschaulichem Element die Wiedereingliderung der Nazis in sämtliche politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftichen Bereiche der BRD ideologisch den Weg bereitete. Wer vom Totalitarismus spricht, hat vom Faschismus offenbar wenig verstanden. Und das ZPS meint, damit dann auch gleich noch Politik machen zu wollen. Wenn man die aktuelle Aktion auch dort einordnen wird, kann man das als glatten Geschichtsrevisionismus bezeichnen. Denn es war der Nationalsozialismus, die die Jüdinnen und Juden umbrachten, kein überkommenes politiktheoretisches Konstrukt.