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Deontologische und teleologische Ethik und ihre Anwendung im antifaschistischen Bereich

Bei der Überschrift werden sich viele radikale Linke wohl fragen was das mit dem Antifaschismus zu tun hat. Kritiker*innen werden uns ohnehin vorwerfen Antifaschist*innen würden grundsätzlich nicht nach ethischen Gesichtspunkten handeln. Ein Vorwurf, der sich leicht entkräften lässt, wenn man sich ein wenig mit Ethik und ihren verschiedenen Standpunkten befasst.

Deontologie und Teleologie – wtf?

Es gibt deontologische und teleologische (wird heutzutage eher als Konsequentialismus bezeichnet) Handlungsethiken. Bei einer teleologischen Handlungsmaxime wird die Handlung alleine nur am Erwirken eines bestimmen Ziels bemessen, während bei der deontologischen Ethik („Pflichtethik“) vor allem die Handlung an sich bewertet wird. Teleologisches Handeln zeichnet sich dadurch aus, dass kein Handeln ausgeschlossen werden kann, solange es der Erfüllung des Zwecks dient. Handlungsweisen können deshalb nach deontologischer Sichtweise in verschiedenen Kategorien nach „gut“ oder „schlecht“ qualifiziert werden. Aus deontologischer Sicht hingegen werden bestimmte Handlungsweisen von vorneherein als schlecht qualifiziert werden können, da sie einer vorher bestimmten Regel zuwiderlaufen.

Ein klassisches praktisches Beispiel: Ein volles Flugzeug wurde entführt. Terrorist*innen drohen damit mit den Tausenden von Passagieren in ein bewohntes Gebiet hineinzufliegen. Angeblich haben sie sogar noch Sprengkörper an Bord, die den Vernichtungsradius noch deutlich erhöhen würden. Nur diese Dinge sind bekannt, eine Kontaktaufnahme mit den Entführer*innen nicht mehr möglich. In wenigen Minuten werden sie ihr Ziel erreicht haben. Was also ist zu tun?

Zieht man die beiden oben genannten ethischen Aspekte in Betracht gibt es eine Bandbreite von Handlungsoptionen. Menschen, die aus teleologischen Aspekten handeln, könnten das Flugzeug abschießen lassen und trotzdem diese Handlungsweise als gut rechtfertigen, da somit deutlich weniger Tote in Kauf genommen werden als wenn das Flugzeug im Wohngebiet zum Absturz gebracht worden wäre. Selbst wenn im Nachhinein entdeckt wird, dass keine Sprengkörper an Bord waren, könnte es aus teleologischer Sicht als gut gerechtfertigt werden, da vorher nur anzunehmen war, dass sich tatsächlich Explosionsmittel an Bord befanden. Aus deontologischer Sicht hingegen können bestimmte Handlungen von vorneherein als schlecht qualifiziert werden. Wenn beispielsweise das Gebot „Du sollst nicht töten“ als Handlungsmaxime ausgegeben wird, wäre das Abschießen des Flugzeugs aus dieser Sicht grundsätzlich schlecht. Es könnte nur Schadensbegrenzung betrieben werden, beispielsweise durch Evakuierung des Gebiets.

Deontologische Ethiker*innen legt also Wert darauf welche Maxime für sie gilt und ordnen dem auch das Ziel unter, während Teleolog*innen moralisch flexibler sind. Solange das angestrebte Ziel erreicht wird, können auch scheinbar grausame Taten gerechtfertigt werden. Auch der Hedonismus oder der Machiavellismus lassen sich unter der Teleologie zusammenfassen. In der modernen Ethik-Diskussion werden aber sehr wohl auch Aspekte allgemeines Moralverständnis wie die Wahrung der Menschenwürde mit einbezogen. Handeln wird also nach den Jünger*innen dieser Strömung nur dann auch als nicht schlecht qualifiziert, wenn sie bestimmte Grundkriterien erfüllt.

Was hat das jetzt mit Antifaschismus zu tun?

 Wir erleben immer wieder in Diskussionen verschiedene Sichtweisen. Gerade bei umstrittenen Themen wie z.B. der Militanz-Debatte gibt es immer wieder heftige verbale Auseinandersetzungen. Dabei kann es doch recht einfach sein. Bedienen wir uns doch der oben genannten ethischen Prinzipien. Menschen, die grundsätzlich Gewalt ablehnen, werden Militanz nicht billigen. Sie sind leicht als Deontolog*innen identifizierbar. Es kann in einer Debatte deshalb nur darum gehen, dieses Prinzip der Gewaltlosigkeit an sich anzugreifen. Würde diese Person mit einer ethisch deontologischen Sichtweise denn auch weiterhin gewaltfrei bleiben, wenn er direkt angegriffen wird? Inwiefern unterscheidet sich die Selbstverteidigung gegenüber einem präventiven Angriff auf Faschisten, behält man im Hinterkopf, dass sie aufgrund ihrer faschistischen Ideologie grundsätzlich gewaltbereit gegenüber Andersdenkenden sind?

Menschen mit teleologisch geprägter Sichtweise dürften eher positiv zur Militanz stehen. Der Zweck heiligt die Mittel. Faschist*innen, die mit gebrochener Nase im Krankenhaus liegen, werden keine Angriffe auf Migrant*innen in dieser Zeit verüben können. Wenn ihre Autos brennen, werden sie keine Möglichkeit haben – vor allem in der Provinz – zu Treffen zu fahren, an Aktionen weiter weg teilzunehmen, etc. Dies darf jedoch nicht zu einem reinen Gewaltfetisch verkommen. Was davon abhalten kann, ist das allgemeine Moralverständnis. Der Kampf um die befreite Gesellschaft darf nicht über Gulags führen.

Die Schwierigkeit liegt also für ethisch-orientierte Antifaschist*innen darin nicht die Mittel dem Zweck völlig unterzuordnen und bestimmte Grundprinzipien aufrechtzuerhalten. Welche das genau sind und wie diese zu erreichen sind, wird in den verschiedenen radikalen linken Gruppen ausgiebig diskutiert. Gruppen mit unterschiedlicher Prägung werden dazu auch unterschiedlich Antworten finden. Wo andere nicht vor Mord oder Internierungslagern zurückschrecken, werden andere wiederum vor Waffeneinsatz – selbst als Selbstverteidigung – zurückschrecken.

Was heißt das nun für uns?

 Es muss ein Mittelweg gefunden werden. Aus unserem Selbstverständnis heraus, aus dem wir weder Mao noch Stalin feiern, aber durchaus zum #TeamNzsBxn gehören, ist ein Militanz ein Mittel des Antifaschismus. Es ist gewiss nicht das einzige oder gar immer das beste Mittel. Aber in ihrer Ideologie gefestigte Faschos verstehen teilweise keine andere Sprache. Sollte man aber direkt bei jede*m 12-Jährigen, der aus Provokation Hitler-Witze reißt, ein solch ideologisch gefestigtes Weltbild annehmen? Wo liegen die Grenzen? Wer bestimmt dies?

Eine genaue Trennschärfe ist da schwierig. Die Fragen müssen aber gestellt werden. Ab wann verkommt der Antifaschismus zum bloßen Gewaltfetisch und wann ist die Militanz ein probates Mittel? Insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Repression und der Diskreditierung der Bewegung sollte sich jede*r diese Frage stellen.