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Demobericht Heßmarsch 19.08.2017 in Berlin

30 Jahre nach dem Selbstmord von Rudolf Heß im Naziknast in Berlin-Spandau wollten Faschos aus ganz Deutschland anreisen und einen „Gedenkmarsch“ abhalten. Angemeldet auf 500 Personen, war recht schnell klar, dass es eher doppelt so viele werden würden. Es wurde deutschlandweit mobilisiert, die revisionistische Legende um den angeblich guten Deutschen Heß zieht immer noch. In der Tat etwas verwunderlich ist, dass es keine Aufrufe und Gegenmobilisierung aus anderen Städten gab. Zur IB-Demo am 17.6. gab es gemeinsame Anreisen aus Leipzig und Hamburg, dieser knallharte Naziaufmarsch wurde dagegen Berlin allein überlassen. Die Antifa Nordost ließ sich nicht lumpen und hat dann auch mal eben einen der besten Mobiclips der letzten Jahre zusammengeschraubt.

Ein Tag voller positiver Überraschungen

Nach Spandau ging es eigentlich mit nicht so großen Erwartungen. Der rot-rot-grüne Senat hatte den Naziaufmarsch mit ein paar Auflagen erlaubt, was einzelne Abgeordnete nicht daran hinderte, sich vorher als große Naziaufmarschverhinderer zu inszenieren. Es wurden einige Gegenkundgebungen angemeldet, eine Demo zum Zusammenschluss wurde aber verweigert. Das Outfit wurde dieses Mal zivil gewählt, was sich in fehlenden Taschenkontrollen und generell weniger Aufmerksamkeit von Seiten der Cops bemerkbar machte. Auf dem Weg nach Spandau dann die erste gute Nachricht: Signalstörungen bei der Bahn. Irgendwer hatte einen Kabelbrand verursacht und etliche Faschos saßen im Zug fest. Hupsi.

Vor Ort ging es nach einem kurzen Blick auf Gegenkundgebung und Startpunkt der Nazis – jeweils auf der anderen Seite des Bahnhofs Spandau – auf die Strecke. Die Cops hatten massiv gegittert und nach zwei Querstraßen auf Höhe der Altonaer Straße alles mit Wannen dicht gemacht. Weiter sollten die Faschos später auch nicht kommen. Dann ein paar hundert Meter weiter die nächste positive Überraschung: Da ist ja schon eine Sitzblockade! Fotos, Pixeln, Tweet nach Support gesetzt – läuft. Wer auch immer die Idee hatte, sich über 20 Minuten vor offiziellem Beginn der Faschoveranstaltung auf die Straße zu setzen, dem sei hier noch einmal ausdrücklich gedankt! Denn um diese Blockade herum bildete sich stabil mit Zufluss und zweiter Reihe ein Knotenpunkt früh auf der Faschostrecke.

Und diese präsentierte sich als nächste positive Überraschung. Bis zur Stelle des abgerissenen Gefängnis war alles mit Plakaten, Graffiti, Adbusting und Transpis voll. Auf den Häuserwänden gab es Slogans wie „Nazis boxen“ oder“Klasse statt Rasse“ zu lesen, immer wieder hingen Transpis aus Fensters, irgendwer hatte die Werbeflächen an den Bushaltestellen umgestaltet und die PARTEI und die Jusos haben auf jede fucking Laterne Antinaziplakate gehängt, erstere natürlich die legendären „Hier könnte ein Nazi hängen“. Auch die Plakate der Gegenmobilisierung waren überall zu sehen. Auf Höhe des abgerissenen Gefängnis hatte Exit Deutschland dann auch noch mal plakatiert: Spandau hatte ganz offensichtlich keinen Bock auf Nazis.

Blockieren wir Nazis

In der Zwischenzeit hatte es sich eine weitere große Blockade kurz hinter der ersten gemütlich gemacht, auch weiter vorne sind noch Leute auf die Strecke gekommen. Der Aufmarsch der Faschos verzögerte sich ordentlich die Störungen im Bahnverkehr zwangen über 200 Nazis, vor allem aus dem Rheinland und dem Pott, in Falkensee auszusteigen und ein paar Mal im Kreis zu laufen, da sie nicht wegkamen. Aus Frust musste dann die Scheibe des örtlichen Grünenbüros dran glauben. Nachdem dann irgendwann der letzte Bus aus Sachsen eingetroffen war, ging es gegen 13:00 los – aber dank der Blockaden nicht weit. Nach kanpp 200 Metern war erst einmal Feierabend. Die große Frage jetzt war: Wird die Polizei durchknüppeln? Es gab mehrere Blockaden, die alle für sich genommen ok in der Größe waren. Kurz nach 13:00 hatten sich zudem 40 weitere Antifas hinter die letzte Blockade gesetzt. Es schwärmten dazu noch unzählige Kleingruppen umher, weitere Blockaden wären wahrscheinlich. Auf der anderen Seite standen um die 800 sehr mies gelaunte Nazis.

Die Entscheidung fiel dann eine halbe Stunde später. „Wir kommen jetzt mit 1000 Leuten!“ hieß es via Twitter. Ja ja, schon klar. Verarschen können wir uns selber. Wo sollen denn jetzt bitte 1000 Leute herkommen? Keine 10 Minuten später kamen dann aber tatsächlich von hinten hunderte Leute mit Fahnen, guter Laune und Kinderwagen im Gepäck. Irgendwer muss die ganzen Bezugsgruppen und interessierten Anwohner*innen unterwegs eingesammelt und Richtung Blockade gebracht haben. Und damit war klar: Dieser Aufmarsch ist blockiert.

Umso ziemlich genau 15 Uhr dann auf einmal Bewegung: Die Faschos werden umgeleitet. Und zwar ziemlich verwirrend: eine Runde um den Block, um dann über eine Brücke eine sehr lange Ausweichroute nehmen zu können. Nächste Überraschung: Nächste Blockade! Irgendwer hatte die Voraussicht, dass die Faschos so umgeleitet werden könnten und ist mit dutzenden Leuten die sehr lange Ausweichroute zu den Nazis gelaufen. Damit war der Tag endgültig gelaufen für die Faschos. Diese drehten dann um, machten noch eine Stunde Kundgebung am Bahnhof und verpissten sich dann in die Dreckslöcher, aus denen sie gekommen waren.

Was bleibt

Ein absolut positiver Blick auf den Tag. Anreise behindert, in Rathenow wurden zwei Faschos vor der Anreise ins Krankenhaus kritisiert, eine super präparierte Strecke, stabile Blockaden mit vielen Leuten aus der Gegend und angepissten Nazis, die eine Runde um den Block drehen konnten. Und das alles ohne großen Support von außerhalb. Nach der erfolgreich blockierten IB die zweite Naziblockade innerhalb von zwei Monaten. Danke Spandau, danke Berlin!