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Ökologie – (K)Ein Thema der radikalen Linken?

Gestern war der Earth-Overshoot-Day und zwar so früh wie noch nie zuvor. Eigentlich überrascht es schon gar nicht mehr, beschäftigt viele vielleicht auch nicht so stark.

Mich schon! Gefühlte 1000 Mal habe ich meinen ökologischen Fußabdruck berechnet. Gegrübelt, wie ich ihn verringern kann. Ich nutze öffentliche Verkehrsmittel, ernähre mich weitgehend ohne tierische Produkte, drehe im Winter die Heizung nur selten an, achte darauf, wie ich einkaufe, verschwende keine Lebensmittel, versuche Plastik zu vermeiden usw. Wobei ich zugeben muss, dass Letzteres schwer ist, wenn man sich mal im Supermarkt umsieht.

Dann lese ich Bullshit von Trump der AfD oder anderen geistigen Flachpfeifen, die behaupten, den menschengemachten Klimawandel gäbe es nicht und man müsse dann eben der Sonne sagen, dass sie nicht so viel scheinen soll. So eine Scheiße von sich zu geben, ist einfach zum Kotzen. Dem Thema nicht die notwendige Bedeutung beizumessen, aber auch.

Wenn ich irgendwelche Arschlöcher sehe, die ihren Müll hinschmeißen, möchte ich sie am liebsten mit dem Gesicht in den Mülleimer drücken, der oftmals direkt neben ihnen steht. Wenn ich im Park auf der Bank sitze und mir auffällt, was um mich herum auf dem Boden liegt, fange ich an, die Sachen aufzuheben. Ich nerve die arme Laura, wenn sie müde von der Arbeit kommt und ich sie mit zwei Tüten erwarte, um draußen Müll aufzusammeln und überlege oft, was ich als Einzelperson tun kann: an einem schönen Plätzchen in der Stadt Wildblumen pflanzen, ein Insektenhotel bauen, nach dem Einkaufen all meine Artikel vom Plastik befreien und den Müll im Supermarkt lassen,..(Das wurde übrigens von AktivistInnen in Amsterdam, Brüssel, Bristol, Berlin und weiteren Städten bereits getan: http://www.taz.de/!5500702/ )

Mich beschäftigt das Thema Umweltschutz sehr. Wenn wir eine zweite Erde im Keller hätten, wäre die auch schon kaputt. Nur habe ich das Gefühl, dass das Thema in der radikalen Linken eher stiefmütterlich behandelt wird. Es gibt mal größere Aktionen wie z.B. von Ende Gelände, aber das war’s auch.

Sophie Rot
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Ja, Sophie hat mich tatsächlich öfter dazu gedrängt, Müll sammeln zu gehen. In Berlin. Dann kann man auch mit nem Nudelsieb versuchen, die Weltmeere plastefrei zu bekommen oder auf ner Müllkippe anfangen, den Müll nach Farben zu sortieren. Genauso erfolgsversprechend wirkt das auf mich. Zumal das mit dem Müllsammeln auch nicht wirklich was bringt. Weder schmeißen andere Leute jetzt weniger Müll weg noch ändert sich irgendwas an der Produktionsweise, die immer noch für den Großteil der Umweltbeschmutzung und – belastung zuständig ist. Aber irgendwie hat sie dann doch auch recht, selbst wenn sich mein persönlicher Antrieb, sich mit nem Müllsack in den Tiergarten zu stellen, Richtung absoluter Nullpunkt orientiert.

In der radikalen Linken wird das Thema tatsächlich ziemlich oft nur stiefmütterlich behandelt – wenn überhaupt. Einerseits verständlich, haben wir doch eh schon mit ganz vielen Dingen zu tun. Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Faschismus, Konservatismus, Liberalismus, Kapitalismus, Arbeitskampf und so weiter und so fort. Es ist unmöglich, in all diesen Teilbereichen eine umfassende und tiefgreifende Expertise zu erlangen, die auch noch den aktuellen Forschungs- und Aktivismusstand beinhaltet. Nur fällt der Umweltschutz immer wieder hinten runter. Ebenso wie der Einsatz für Behindertengleichstellung (Notiz an mich selbst). Aber das kann halt nicht der Anspruch sein. Und zu sagen, wir warten bis der Kapitalismus abgeschafft ist, kann es auch nicht sein.

Problematisch ist für mich, wenn man das dann immer wieder nur den Einzelnen anlastet: Dein Fußabdruck, dein Konsumverhalten, dein Haushalt. Du, du, du. Diese Individualisierung ist kein Zufall und verlagert die Schuld des gesamtgesellschaftlichen Wirtschaftens auf eine Einzelperson. Und dann redet man nicht mehr über eine nachhaltige Landwirtschaft, über länger haltbare Produkte, über Nachhaltigkeit vs. Profitrate. Und das kann halt ebenfalls nicht sein. Wenn in Kamerun per Gesetz alle Plastiktüten verboten werden, ist das viel mehr, als eine Einzelperson jemals individuell erreichen kann. Und sich selbst zu beschränken und einzuschränken, ist auch nicht wirklich die Lösung, wir wollen schließlich eigentlich alles für alle. Krieg den Hütten, Paläste für alle! Aber so ganz kann man sich selbst eben auch nicht rausnehmen. Man darf halt nur nicht auf die Idee kommen, mit dem eigenen Verhalten die kapitalistische Produktionsweise zu überwinden. So läuft der Hase einfach nicht. Auch das Thema „bewusster Konsum“ ist ein Teil des kapitalistischen Marktwesens und wird es bleiben.

Trotzdem darf eine radikale Linke mit einem radikalen Anspruch sich hier nicht zurücklehnen und das Feld irgendwelchen sozialdemokratischen oder liberalen Orgas überlassen. Die wollen keine andere Ordnung, nur eine modifizierte Version von dem, was wir jetzt haben. Die Grundprobleme werden dadurch aber nicht gelöst. Eine radikale Linke muss daher sowohl Konzepte als auch Aktionsformen finden, die dem eigenen Anspruch gerecht werden. Die radikale Linke kann sich bei diesem Thema nicht verstecken und muss eigene Akzente setzen. Auch im eigenen Leben.

Laura Stern
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„Think global, act local“ war für mich immer ein guter Handlungsleitfaden. Man muss bei sich selbst anfangen. Natürlich werden wir durch ein wenig Müll aufsammeln nicht das Gift aufhalten, das in unsere Erde gepumpt wird. Daran kann man nur auf andere Weise etwas verändern. In größeren Zusammenhängen.

Aber wie sollen größere Zusammenhänge entstehen, wenn vielen das Bewusstsein fehlt. In der radikalen Linken ist das Thema recht wenig präsent. Ende Gelände und vielleicht noch der Hambacher Forst sind da präsent. Viele radikalere Gruppen sind dann entweder zu militant in ihren direkten Aktionen oder sie zerlegen sich selbst konstant. Damit sind sie auch nicht anschlussfähig an die nicht-radikale Linke.

Es muss sich etwas ändern. Ja, da können auch kleine Dinge helfen. Ja, es ist auch manchmal anstrengend. Aber Vieles ist echt einfach. Damit kann man schonmal anfangen. Und wenn man dann noch sich bei Umweltinitiativen engagiert, umso besser.

Auf lange Sicht wollen wir alle die befreite Gesellschaft. Dies wird aber nicht von heute auf morgen geschehen. Aber natürlich hat auch Laura recht, wenn sie sagt, dass das System die Hauptschuld trägt. Daraus gibt es kein Entkommen. Aber die Schuld komplett von sich zu weisen, ist auch nicht richtig. Ein Bewusstsein dafür zu haben, was mit der Umwelt passiert und dies auch aktiv ausleben und weitergeben. Mir ist es zu einfach, zu sagen, dass wir eh nix tun können. Bei solchen Horrornachrichten, dass wir 5,2 Erden bräuchten, wenn alle so wirtschaften wie Australien, kann man schon mal deprimiert werden.

Erich Schwarz
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Laura, Erich und ich haben das Thema oft diskutiert. In Lauras obigen Erläuterungen sind wir uns einig. Trotzdem reicht mir persönlich das nicht. An der Stelle möchte ich einen sehr weisen Piraten zitieren, Käptn Jack Sparrow: Das, was eine Rolle spielt, „ist, was ein Mann [oder eine Frau] kann und was er [oder sie] nicht kann.“
So sehr ich es mir auch wünsche, ich kann nicht morgen den Kapitalismus abschaffen. Ich werde nicht morgen aufwachen und in einem anarcho-kommunistischen System leben. Was ich aber kann, ist das Nudelsieb sein, das Plastik aus dem Meer fischt. Ein einziges, auch wenn ich mir dafür Hunderttausende wünsche.

Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Ist Ökologie ein Thema für die radikale Linke? Muss das wieder stärker in den Fokus gerückt werden? Was können wir tun in unseren Aktionsgruppen, Plenar oder jede/r für sich?

Sophie Rot

Linksradikaler Uweltschutz – Probleme und Perspektiven

In der Vergangenheit haben wir bereits einen Text anlässlich des Animal Right Days über Fleischkonsum veröffentlicht (https://rambazamba.blackblogs.org/2017/06/04/animal-rights-day/). Doch nur bei der Reflektion über seinen eigenen Fleischkonsum darf es nicht bleiben. Die Erde erlebt schwierige Zeiten: die Pole schmelzen, immer mehr Schadstoffe werden rausgeblasen, unsere Mitbewohner*innen auf der Erde sterben – und der Mensch stört sich kaum daran.

Vorwort

Die Linken haben sich in der vergangenen Zeit verstärkt mit wichtigen Themen auseinandergesetzt. Der Rechtsruck in der ganzen Welt, Migration, der Kampf gegen Kapitalismus und Repression sowie für die befreite Gesellschaft – dies sind alles Themen, die in der (linken) Öffentklichkeit eine große Rolle einnehmen.

Ein klassisches linkes Thema fällt dabei aber neuerdings immer wieder hintenrüber – der Umweltschutz. Dabei war dieses Thema mal einer der Leitgedanken, der in Deutschland in einer linken und grünen Partei kummulierte.

Seitdem sich diese Partei gründete, ist viel passiert. Es wurden auch einige Fortschritte in der Umweltpolitik gemacht – auch auf internationaler Ebene. Dies ist auch in den Zeiten von Klimawandel, Artensterben, Massentierhaltung, Fukushima-Katastrophe, Diesel-Skandal, erhöhtem CO²-Ausstoß, Massentierhaltung etc. nötig.

Rechte und der Umweltschutz

Auch Rechte machen sich dieses Thema zugänglich. Dieses Thema wird positiv von völkischen Rechten aufgenommen wird à la „Umweltschutz ist Heimatschutz“. Dahinter verbirgt sich jedoch nicht ein primäres Interesse am Umweltschutz, sondern eine „Blut und Boden“-Ideologie. Rasse und ihr angeblich angestammtes Siedlungsgebiet verschmilzt hier zu einer überhöhten Einheit. Gerade von Neuen Rechten wird diese Ideologie wieder neu aufgenommen.

Anders sieht es bei neoliberalen Rechten wie Trump und der AfD  aus. Diese leugnen den Klimawandel und Trump gefährdet wissentlich wichtige globale umweltpolitische Ziele. Er steigt aus dem Klimaabkommen aus ohne Folgen fürchten zu müssen. Dafür schiebt er wirtschaftliche Belange vor, da angeblich das Klimaabkommen die Wirtschaft der USA behindert. Gleichzeitig stehen VW-Manager wegen der Diesel-Manipulationen unter Anklage. Aber auch in anderen Ländern mit stramm rechten Regierungen wird der Umweltschutz nicht wirklich ernst genommen.

Alle rechten Ideologien übersehen dabei aber das Umweltschutz nicht an den Landesgrenzen aufhört. CO² oder ein nuklearer Störfall werden sich nicht an den Landesgrenzen in Luft auflösen. Umweltschutz kann nur global angegangen werden. Dies ist zwar eine Binsenweisheit, wird aber nicht von allen so verstanden. Denn selbst wenn der Klimawandel nicht so schlimm ist wie angenommen oder die Massentierhaltung verbessert wird, in einer Welt mit besserer Luft sowie ohne Naturkatastrophen und ohne Massentierhaltung würde es allen besser gehen.

Linke Realitäten und Lösungen

Auch wenn linke Umweltpolitik in der Vergangenheit viel bewegt hat und auch noch weiter bewegt, scheitert sie doch immer wieder an den Realitäten. Jahrelang wurde in Deutschland der Atomausstieg von linker Seite gefordert, umgesetzt hat es dann kurzerhand Merkel nach der Fukushima-Katastrophe. Ähnliche Beispiele lassen sich in der letzten Zeit häufiger finden. Nicht nur in Deutschland sind Parteien, die Umweltschutz groß schreiben, immer mehr in der Opposition und ihre Stimmen werden immer leiser. Die Erfolge, die auf die parlamentarische Arbeit solcher Parteien zurückzuführen sind, bleiben leider zu klein.

Auf linksradikaler Ebene tut sich da schon mehr. Aktionen von „Ende Gelände“ oder anderen zeigen eine spannende Perspektive auf. Auch „alte“ Aktionen wie Proteste gegen Castortransporte zeigen immer noch einen hohen Zulauf. Da muss auch der Weg wieder hingehen. Der Planet lässt sich leider nicht damit retten, wenn Parlamentarier*innen weiter halbherzige Kompromisse schließen. Radikale Lösungen bringen da deutlich mehr.

Auch bürgerliche können sich dieser Form von Protesten anschließen. Militant ist nicht jede Form von radikalen Umweltprotesten, wirksam sind sie aber alle. Sie erregen Aufmerksamkeit, inspirieren andere mögliche Protestierenden und agitieren für die Sache.

Denn da muss es letztlich wieder hingehen – sich verlassen auf die parlamentarische Lösung funktioniert nicht; die Dinge müssen in die eigene Hand genommen werden. Radikaler Protest ist in den heutigen Zeiten bei diesem Thema umso mehr nötig. Überlassen wir dieses wichtige Thema nicht mit einem Achselkzucken den Rechten oder anderen. Dieses Thema muss wieder als das entdeckt werden, was es ist – ein traditionell linkes Thema.