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Sozialismus und die heutige Linke

GASTBEITRAG

Die Geschichte hat uns gelehrt, dass Klassenkämpfe der Motor des Fortschritts sind. Von den Händlern, welche die feudale Herrschaft umgeworfen haben, somit den Weg für den Kapitalismus ebneten. Sie nutzten den Staat um die bürgerliche Revolution voranzutreiben. Später, als sozialistische Ideen aufkeimten, nutzten die Faschisten, befeuert und unterstützt von der bürgerlichen Klasse, den Staat, um diese „rote Bedrohung“ auszumerzen. Diese offene Terrorherrschaft zeigt deutlich wozu eine Klasse, die einen Staat beherrscht, in der Lage ist. Sie kann ganz Bewegungen vernichten, mit einem Fingerschnippen die unpolitische Bevölkerung zu ihrer Agenda bekehren.

Die Feinde der Revolution nutzen dieses Werkzeug seit nun schon Jahrhunderten um uns kleinzuhalten. Also wann und warum kam der Wandel weg vom Staatssozialismus bis hin zum unverhohlten, fast schon pubertären Antikommunismus?
Als die „rote Bedrohung“ Ende der 80er endgültig gebannt wurde sah sich die bürgerliche Klasse als Sieger des Kampfes. Antikommunistische Propaganda konnte ohne Zwischenrufe in den Massen verbreitet werden. Die Eltern der neuen Generation lehrten vehement, dass es alternativlos sei. Wir hätten die Wahl zwischen malochen bis man mit Ende 60 in Rente geht, oder man steht jeden Morgen um 5 Uhr in der Schlange für ein Laibbrot. Diese Alternativlosigkeit ist in unserer Generation akzeptiert und nicht hinterfragt. Wenn mal jemand aus dieser Hölle ausbricht geht die Person oft den Weg des Anarchismus.

Wieso auch nicht? Ist doch ein schöner Gedanke. Individuelle Freiheit im freien Kollektiv. Gestützt vom Hass gegen jede Autorität, Jahrzehnte langem Antikommunismus und das gute Gefühl im Bauch das richtige für alle zu wollen. Jedoch, dass individuelle Freiheit mit der Freiheit des Kollektivs nicht immer einher geht wird ignoriert. Ebenso, dass kein geschichtlicher Erfolg zu verbuchen ist.

Man kann mich jetzt falsch verstehen und sagen ich würde aktiv gegen den Anarchismus kämpfen und ein Sektentum aufbauen wollen. Das ist durch und durch falsch. Genossen und Genossinnen, egal ob sozialistisch oder anarchistisch sehe ich als Teil des Gerechten Kampfes. Ohne wenn und aber. Jedoch ist Kritikfähigkeit eines der höchsten Güter des Kampfes. Egal bei wem.

Sollte man Anarchismus auf den Müll der Geschichte werfen? Nein! Sollte man den Leninismus auf den Müll der Geschichte werfen? Nein! Alte Ideen machen neue Ideen. Allerdings ist die kritische Hinterfragung von der Sowjetunion genauso wichtig wie das Hinterfragen der CNT-FAI, den so rund wie nieder geschrieben funktioniert es nie.

Also zurück zum Punkt. Wieso sollte die Linke nicht den Staat als Werkzeug des Klassenkampfes benutzen? Weil die Sowjetunion in eine bürokratische Hölle ausgeartet ist die durch die Angst vor der Konterrevolution am Ende genau das herbeirufte, was sie verschrie? Nein. Es ist nicht schwarz und weiss. Es gibt auch lilablassblau. Rosa Luxemburg zum Beispiel war definitiv eine Staatssozialistin die offen gegen den Leninismus Kritik übte. Ein Staat? Ja. Kontrollgremien? Ja. Sowjets? Auf jeden Fall. An diesen Ideen kann man Anschluss finden wenn man vorher dem Sozialismus abgeneigt war aufgrund von den Fehlern der Sowjetunion.

Uns wird ein Werkzeug geboten um die Revolution auszuführen, zu schützen und letztendlich die Konterrevolution zu schlagen um das kollektiv der Arbeiterklasse zu befreien. Das sollten wir auch nutzen. Denn die Befreiung der Arbeiterklasse ist kein Schenkelklopfer, sondern ein Faustschlag gegen die bürgerliche Klasse. Und dieser Faustschlag muss stark sein.

„Weder Rächer*innen noch Richter*innen, Befreier*innen wollen wir sein!“

Anarchismus und die Frage der Gewalt

– Ein Gastbeitrag –

„Gewalt gehört nicht in die Politik.“
Diese Maxime hat sich im politischen Diskurs als Totschlagsargument durchgesetzt. Sie diskreditiert ganze politische Gedankenkonstrukte aufgrund der gewählten Mittel zur Umsetzung. Wie also gehen wir als Anarchist*innen mit der Gewaltfrage theoretisch um?
Um einer möglichen Antwort auf diese zugegeben amibvalente Situation näher zu kommen, stellen wir uns im folgenden die Frage ob und wenn wie, Militanz zu begründen ist und beginnen mit der Festellung, dass Gewalt ein probates (= geeignetes) Mittel innerhalb eines Staates darstellt um politische, individuelle und kollektivistische Interessen zu verfolgen. Die Gewaltenteilung bzw. Gewaltenverschränkung soll hierbei eine Konzentration und den damit ermöglichten Machtmissbrauch vorbeugen. Durch die Exekutive (= ausführende Gewalt) wird, im Zweifelsfall in Form der „Kollegen in Uniform“, strukturelle Gewalt (= Gewalt, welche weniger mit direktem psychisch/physischem Druck arbeitet sondern durch Umstände und Gegebenheiten seinen Zwang ermöglicht. Z.B. soziale Ächtung, Angst bei Verstößen gegen allgemein anerkannte Gesetze und Verhaltensweisen) physisch umgesetzt.
Gewalt ist hierbei selbstverständlich wenn es darum geht Zwangsmaßnahmen durchzusetzen, denn in der letzten Konsequenz muss das Staatsgebilde sicherstellen, dass der Rahmen erhalten bleibt. Gesetze und politische Entscheidungen werden durchgesetzt – egal ob uns das stört oder nicht.
Okey, wir haben den Rahmen abgesteckt. Gewalt wird als staatliches Mittel zum Zweck des Erhaltes der politischen Ordnung anerkannt. Das Gewaltenmonopol soll dabei sicherstellen, dass die einzige legitime Gewalt innerhalb des Staates die bleibt welche das System schützt und stützt.
Sie ist also als eine kollektivistische Gewalt zu betrachten.
Sie wird vom Kollektiv legitimiert und handelt mit der Sinnrichtung das Kollektiv vor dem Individuum zu schützen.
Aber auch eine Art der individualistischen Gewalt ist im Staatskonstrukt verankert, der Selbstschutz. Das Individuum hat das Recht darauf in erster Linie die eigene Person vor physischen und psychischen Angriffen mit Zuhilfenahme angemessener Mittel zu schützen.
Und hier wird es interessant, denn der persönliche Schutz stellt den Knackpunkt anarchistischer Gewaltausübung dar. Denn bisher war die Dissonanz zwischen Worten und Taten verschiedener Anarchist*innen zum Thema Gewalt bestechend und wird fortwährend diskutiert.

„Müßte man, um zu siegen, auf öffentlichen Plätzen Galgen errichten, so will ich lieber untergehen.“
– (Errico Malatesta)

  1. Wie lässt es sich vereinbaren bewaffnete Aufstände zu führen aber gleichzeitig in seinen Schriften an der Theorie der zwingenden Vereinbarkeit von Mittel und Ziel festzuhalten, laut der die genutzten Mittel niemals konträr zum gewünschten Ziel gewählt werden sollten?
    Dem gehen wir jetzt auf den Grund.
    Der Anarchismus stützt sich auf selbstbestimmte Individuen deren ureigenstes Recht darauf beruht, dass ihm als Mensch kein anderer Mensch etwas gegen den eigenen Willen antut. Das Individuum ist sowohl psychisch als auch physisch nicht zu verletzten. Bereits Kant hat festgestellt, dass „die Freheit des Menschen dort endet wo die des anderen beginnt“ und der Selbstschutz mit verhältnismäßigen Mitteln ist die stringente (= logische) Konsequenz dieser Idee.
    In einer Gesellschaft in der strukturelle Gewalt die Rahmenbedingungen stellt wird die Dilemmasituation bewusst, denn durch Gesetze und den gesellschaftlichen Rahmen entsteht eine Situation von unpersonalisierter Gewalt (= Gewalt, welche nicht direkt zwischen zwei Individuen entsteht sondern ohne konkreten persönlichen Konflikt, obligatorisch gegenüber allen ausgeübt wird). Diese Gewalt wiederum kann ausgeübt werden, ohne dass der geschädigte Mensch direkte Verteidigungshandlungen vornehmen kann. Die strukturelle, unpersönliche Gewalt verhindert bzw. erschwert die Selbstverteidigungshandlung zu gunsten des zu erhaltenden Staatskonstruktes.
    Was nun tun?
    Wie schützt sich das anarchistische Individuum ohne die Mittel/Ziel Kongruenz (=Deckungsgleichheit, bzw. Entsprechung) zu verletzen? In unserer Analyse nimmt der Sachverhalt der strukturellen Gewalt den besonderen Wendepunkt ein.
    Stellen wir uns vor, eine protofaschistische Partei ist im Begriff den politischen Diskurs derart zu beeinflussen, dass die strukturelle Gewalt beginnt die persönliche Unversehrtheit zu tangieren. Faschistische Tendenzen steigen an, Rassismus und anderes diskriminierendes Gedankengut wird in Gesetzen verankert und obwohl die angesprochene Partei möglicherweise niemals selber personalisierte Gewalt ausgeübt hat, ist die Selbstverteidigungshandlung nicht mehr möglich wenn der Diskurs bereits verschoben wurde. Um also angemessen und verhältnismäßig auf die Angriffe gegenüber der persönlichen Freiheit reagieren zu können, muss in diesem Falle vorgebeugt werden. Dabei darf nie vergessen werden, dass Gewalt niemals Selbstzweck sein darf.
    Nazis boxen ist im anarchistischen Modell keine Angriffshandlung sondern eine Form der Verteidigung in der die Gewalt darauf gerichtet sein muss die eigene Freiheit bis zum Rande der Freiheit des Gegenübers zu verteidigen und keinen Schritt weiter.
    Malatesta machte einst klar, dass wir als Anarchist*innen nie den Anspruch haben können zu richten, es muss unsere Aufgabe sein durch große Taten auf zu zeigen was möglich ist. Die große Tat besteht hier darin eine klare Grenze zu ziehen.
    Wir sollten uns nicht dazu erheben über Menschen und ihre Lebensentwürfe zu richten aber mit allen MItteln unsere persönliche Freiheit vor Eingriffen gegen unseren Willen zu schützen.
    Gewalt ist nicht schön, ich verachte Gewalt.
    Aber die Ausübung der selbigen ist legitim. Dies zu verneinen wäre eine Lüge.

No Border, No Nation

Auf den Demos hört man immer wieder den Ruf „No Border, No Nation – Stop Deportation“. Für viele mag das nur eine Parole sein, dahinter verbirgt sich aber mehr.  Es enthält Kernaussagen anarchistischer Denkweise. Natürlich ist diese Parole nicht der Weisheit letzter Schluss, aber schauen wir uns doch mal an, was genau damit gemeint ist.

 

Wir beginnen mit dem letzten Teil der Parole: „Stop Deportation“ Eigentlich recht simpel: hier wird die Abschaffung aller Abschiebungen gefordert. Dies ist der wohl praktischste Teil des Slogans. Immer noch werden „illegale“ Menschen abgeschoben. Immer noch werden Länder willkürlich zu „sicheren“ Staaten erklärt. Immer noch sterben Menschen. Nur weil ein Innenminister Afghanistan für sicher befindet, werden in dieses kriegsgebeutelte Land Menschen abgeschoben. Aus einer privilegierten Lage heraus wird entschieden wer es verdient hat in diesem Land zu bleiben und wer nicht. Die praktische Umsetzung solcher Forderungen sind immer öfter zu beobachten: Leute aus dem Umfeld, die sich für von Abschiebung bedrohte Menschen einsetzen; Blockierung von Abschiebeflügen; öffentlichkeitswirksame Initiativen vom Flüchtlingsrat oder ähnlichen Institutionen. Solche Aktionen sind notwendig in diesen heutigen Zeiten, in einer Welt in der „No Border, No Nations“ gilt, wären sie aber überflüssig.

 

Alle Grenzen weg! Sofort! Es wäre zu schön, wenn  diese Forderung sofort umgesetzt werden könnte. Aus Sicht des Staatsapparats sind Grenzen aber zur eigenen Machtsicherung unerlässlich. Dabei muss man auch im Hinterkopf behalten, dass blutige Kriege geführt wurden, um Grenzen zu sichern und zu erhalten. Grenzen waren schon immer ein wichtiger Faktor bei der Selbstbestimmung selbsternannter Patriot*innen. Der Stolz auf sein Heimatland ist eine zutiefst irrationale Angelegenheit, vor allem vor dem Hintergrund der kulturellen und sprachlichen Unterschiede. Schwaben und Rheinländer*innen sind zwar per definitionem beides Deutsche, könnten aber nicht unterschiedlich sein. Als zwangskollektivierender Faktor muss deshalb die Nationalität herhalten. Es wird sich auf vermeintlich positive Dinge bezogen, die kulturellen Errungenschaften hervorgehoben (Das Land der Dichter und Denker) und negative Dinge einfach ausgeblendet (Das Land der Richter und Henker).

Künstlich geschaffene Grenzen in einer globalisierten Welt sind jedoch ein Paradigma. Während es für reiche Menschen kein Problem ist Grenzen zu überwinden, trifft es vor allem arme und marginalisierte Menschen. Während Deutsche in der Türkei Urlaub machen, ist es Flüchtlingen untersagt die Türkei zu verlassen. Jede Person, die ihnen hilft, wird mit strenger Strafe bedroht. Deshalb müssen Flüchtlinge auf gefährliche und oftmals tödliche Routen zurückgreifen. Schlepper*innen verdienen sich eine goldene Nase daran und nehmen den Tod von Menschen lächelnd in Kauf. Sie sind das Produkt einer Abschottungspolitik, die auf kapitalistischer Verwertungslogik basiert. Hast du Geld, darfst du rein; bist du arm, bleibst du draußen. Die Grenzen dienen heute also vor allem als Sicherung des eigenen Wohlstands und nicht mehr zur Sicherung von äußeren Feinden.

Es gibt bekanntlich Ausnahmen. Das prominenteste Beispiel dürfte wohl Israel sein. Denn dort sind tatsächlich noch äußere Feinden vorhanden, die seine Bewohner am liebsten heute statt gestern tot sehen wollen würden. Aus der anarchistischen Perspektive ist auch diese Grenze eine künstlich geschaffene und trennende Einheit, sie ist jedoch in der heutigen Zeit, in der (Vernichtungs)antisemitismus immer noch existiert, leider (noch) eine reine Notwendigkeit als Schutzmaßnahme. Wir hoffen, dass diese irrige Weltanschauung irgendwann verschwindet und auch diese Grenzen nicht mehr existieren muss. Die Solidarität gilt hier also den Menschen als marginalisierte Gruppe, die ohne den Schutzraum Verfolgung ausgesetzt wäre. Dies ist eine direkte Konsequenz aus der Shoa.

Natürlich können wir nicht darauf hoffen, dass morgen alle Grenzen verschwinden. Aber für unsere Träume lohnt es sich zu kämpfen. Auf dass das Morden an den Außengrenzen aufhört, jede*r seinen Wohnort selbst wählen kann und Herr*in über sein eigenes Schicksal wird.

 

Der letzte Teil der Demoparole fordert, dass es keine Staaten mehr gibt? Wie soll das gehen? Wir leben doch in Deutschland und können doch nicht behaupten, dass es  keinen Unterschied zu bspw. Saudi-Arabien gibt? Natürlich will niemand Saudi-Arabien und Deutschland heute noch verschmelzen lassen (Islamisierung!). Bestimmte kulturelle und sprachliche Unterschiede lassen sich nicht von heute auf morgen auflösen. Ob es gewollt ist ALLE Unterschiede aufzulösen, ist auch noch eine andere Frage. Als allererstes geht es darum Staatskonstrukte aufzulösen. Diese sind, ebenso wie Grenzen, zur Machterhaltung und -erweiterung gedacht. Wir erleben es gerade in Katalonien. Fühlt sich der Staat bedroht, schickt er seine Prügelcops vor, um nicht seine Herrschaftsansprüche zu verlieren. Die Staaten an sich sind nicht faschistisch, doch ein Rückfall in die dunkelsten Zeiten kann immer wieder vorkommen, wenn der Staat sich bedroht sieht.

Viele werden hier einwerfen, dass man ohne Exekutive, Judikative und Legislative nicht überleben kann.  Dass es ohne bestimmte Regeln nicht geht, versteht sich von selbst. Auch dass es eine bestimmte Art von Verwaltung geben muss, ist klar. Wir sind aber dann doch so daran gewöhnt, dass es einen Staatsapparat gibt, der all das vorgibt. Zwar sind wir in der parlamentarischen Demokratie an der Willensbildung beteiligt, dies beschränkt sich jedoch auf das Wählen bestimmter Parteien. Zwar kann jeder in einer Demokratie sich miteinbringen, der Erfolg hängt jedoch von wesentlich mehr ab als dem eigenen Programm. Radikale linke Politik wird sich kaum durch die parlamentarische Demokratie durchsetzen.

Wie sieht also die Alternative aus? Anarchosyndikalistische Gruppen wie in Katalonien unter der CNT oder in Deutschland nach der Novemberrevolution beantworten dies mit einem revolutionären Konzept. Selbstverwaltung, direkte Einflussnahme in Entscheidungen, Basisdemokratie,  Reformen zum Wohle aller stellen dabei die Hauptpfeiler dar. Leider waren diese Konzepte nicht von allzulanger Dauer, wurden sie doch von außen zerschlagen. Zumindest zeigt uns dies aber, dass es eine probate Alternative gibt.

Ein Staatsapparat ist nicht zwangsläufig nötig. Vielleicht hängen wir auch nur zu sehr an dem Konzept der parlamentarischen Demokratie fest, da uns dies von klein auf beigebracht wurde. Es stellt ja auch eine gewisse Erleichterung dar, wenn man weiß, dass sich Papa Staat um alles kümmert. Nur wenn man sich aktiv mit dem auseinandersetzt, was den Staat ausmacht und was für ein Gesicht er zeigt wenn er herausgefordert wird, kann man schon auf den Gedanken kommen, dass die Ansprüche des Staats nicht der Realität hinterherkommen.

 

Es bleibt erstmal eine Utopie, ein Wunschtraum: „No Border, No Nation.“ Aber alles war erstmal ein Traum, bis es Realität wurde. Wir träumen und kämpfen weiter. Das Ziel ist eine Welt, in der Staatsgrenzen und Staaten in ihrer heutigen Form und Definition nicht mehr notwendig sind. Man darf nicht so blauäuigig sein und denken, wenn wir sofort alle Staaten und Grenzen auflösen, wäre das Ziel erreicht. Im Gegenteil, „no border, no nation“ meint etwas viel Größeres. Es meint eine Welt und künstliche und trennende Kollektivzuschreibungen, eine Welt ohne Diskriminierungen, seien sie nun direkt oder strukturell. Es ist der Traum von der befreiten Gesellschaft, in der wir alle gleichgestellt sind und Staaten und Grenzen schlichtweg nicht mehr brauchen. Diese Parole soll nicht nur auf Demos erklingen, sondern praktisch werden. Wir zeigen uns solidarisch mit allen, die Geflüchteten helfen Grenzen zu überwinden; jede*m, der/die Alternativen zu diesem System entwickelt; jeder Person, die nicht nur die Parole brüllt, sondern dies im Bewusstsein tut mehr erreichen zu wollen. In einer Welt, in der Menschen immer noch dank Frontex sterben oder dank staatlich-kapitalistischer Interessen marginalisiert werden, gilt es praktische Alternativen zu entwickeln und umzusetzen. Es gilt sämtliche diskriminierenden Strukturen anzugreifen – auch bei sich selbst. Der Kampf für die befreite Gesellschaft ist kein einfacher, im Gegenteil. Aber was sollen wir tun, wenn nicht die Utopie aufzeigen, wie es sein könnte? Und uns dafür einsetzen, dass sie ein Stück näher kommt