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AfD drittstärkste Kraft – wie geht’s weiter?

Ein Gastbeitrag von Oliver Kube

Nach dem Wahlerfolg der AfD überschlagen sich die Reaktionen im Alltag, in der Politik und in den sozialen Medien. Während die einen sich schon halb im „Vierten Reich“ wähnen, setzen andere darauf, dass sich die AfD schon „irgendwie von selbst“ erledigen würde. Doch Hysterie hilft nicht, Verharmlosung auch nicht. Der Abgang von Frauke Petry und Markus Pretzell sowie die Spaltung der AfD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern mögen zu Spott und Häme einladen, sind aber noch gewiss kein Grund zu jubeln. In der Vergangenheit hat weder die Abspaltung des national-marktradikalen Flügels um Bernd Lucke noch die zeitweilige Spaltung der Landtagsfraktion in Baden-Württemberg der AfD geschadet. Ganz im Gegenteil, sie hat letztlich davon profitiert – und sitzt nun als drittstärkste Kraft im Bundestag. Das beschert ihr nicht nur Einfluss im Parlament, sondern auch Geld, Angestellte und Wahlkreisbüros sowie mehr Selbstvertrauen für ihre menschenfeindliche Politik in Wort und Tat.

Mit AfDlern diskutieren?

Soll man mit AfD-Anhänger*innen, Rassist*innen, Antisemit*innen, Sexist*innen diskutieren? AfD-Gegner*innen debattieren diese Frage sehr kontrovers. Ich beantworte sie mit einem klaren „Kommt drauf an“. Zunächst muss klar sein, was mit „diskutieren“ gemeint ist: Wir verhandeln nie und nirgends „ergebnisoffen“, ob Flüchtlingsunterkünfte anzuzünden oder den Schießbefehl nicht vielleicht doch in Ordnung wäre. Sondern wenn wir überhaupt mit einem AfDler diskutieren, dann erklären und begründen wir, warum wir seine Ansichten für grundverkehrt halten. Diskutieren kann sich hier nur lohnen, wenn die andere Person offen für Argumente ist. Wir werden – selbst mit den besten Argumenten – nur eine begrenzte Zahl an Personen erreichen oder gar überzeugen können. Das sind meist Menschen, die ideologisch noch nicht zu tief im blau-braunen Sumpf stecken. Zudem stößt jede Aufklärung dort an ihre Grenzen, wo sie auf ein wirtschaftliches oder politisches Interesse prallt. Funktionär*innen, Mandatsträger*innen und Kandidat*innen der AfD werden kaum ein Interesse daran haben, sich überzeugen zu lassen, denn sie profitieren von ihrer politischen Funktion in der AfD. Es kann auch auf die konkrete Situation ankommen: Wer auf eine Demo geht, möchte seine Ansichten nicht ändern, sondern sie aktiv nach außen tragen. In einer anderen Alltagssituation ist es jedoch zumindest theoretisch denkbar, dass eine Person für inhaltliche Kritik zugänglicher ist. Wenn wir das im persönlichen Gespräch feststellen, dann kann es sich durchaus lohnen, sich auf die Diskussion einzulassen. Denn wenn wir es schaffen, jemanden von seinen rassistischen, antisemitischen und/oder sexistischen Ressentiments abzubringen, dann ist der*die Rassist*in, Antisemit*in und Sexist*in nämlich wirklich weg – und nicht nur woanders.

Es ist jedoch eine Illusion zu glauben, man könne die AfD bekämpfen, indem man mit ihr gemeinsam auf Podiumsdiskussionen oder in Talkshows geht, um sie dort zu „demaskieren“ zu können.

  1. Es gibt es bei der AfD nichts mehr zu demaskieren, sie haut ihre Ideologie und Absichten ja ständig selbst raus.
  2. Stärkt, normalisiert und legitimiert man die AfD, wenn man ihr eine öffentliche Plattform für ihre Hetze bietet.
  3. Podiumsdiskussionen und Talkshows sind nicht dafür geeignet, eine fundierte Kritik anzubringen. Die Zeit reicht höchstens für Parolen und polemische Zuspitzungen.
  4. Menschen, die wirklich eine fundierte Kritik an der AfD formulieren könnten, werden kaum auf’s Podium oder vor die Kamera gesetzt.
  5. Wir haben am Wahlabend gesehen, wohin diese Strategie des „Integrierens“ der AfD durch die Medien im Wahlkampf geführt hat.

Falsche Argumente weglassen, richtige Argumente verwenden

Das Paradebeispiel für ein falsches Argument gegen die AfD ist die Aussage: „Die AfD ist eine Schande für Deutschland“. Wer so redet, nimmt einen nationalistischen Standpunkt ein und beurteilt die AfD nach dem Kriterium, was sie zum Ansehen der Nation beiträgt. Im Umkehrschluss heißt das: Rassismus, der dem Ruf Deutschlands nicht schadet, wäre in Ordnung. Und so sieht auch die herrschende Politik aus: Unterkünfte anzünden schadet dem nationalen Ansehen, die Leichen im Mittelmeer (offenbar) nicht.

Ein richtiges Argument gegen Nationalismus, also die Grundlage für die Ideologie der AfD (ob auch anderer Parteien, dürfen die Leser*innen selbst beurteilen) wäre: Der Erfolg Deutschland basiert vor allem auf dem wirtschaftlichen Erfolg (Profit) deutscher Unternehmen. Dieser wiederum setzt die möglichst effiziente Ausbeutung der abhängig Beschäftigten voraus, denn je niedriger die Löhne und Gehälter, desto höher der Profit, von welchem alles andere (z.B. auch die Steuereinnahmen des Staats) abhängt. Rente, Arbeitslosengeld und andere „Sozialleistungen“ belasten den Staatshaushalt unmittelbar. Das heißt, der Erfolg der erwerbsabhängigen und erwerbslosen Bevölkerung mindert den Erfolg der Nation. Wer – als „Nicht-Eigentümer“ von Produktionsmitteln – den Erfolg Deutschlands zu seinem persönlichen Anliegen macht, treibt also letztlich seine eigene Schädigung voran.

Der Gegenpol zum Nationalismus der AfD ist keineswegs ein angeblich „bunter Patriotismus“ (der genauso die Einteilung in das nationale „Wir“ und „die anderen“ kennt, auch wenn er in freundlicherem Gewand daherkommt), sondern eine Absage an die Nation selbst.

Widerstand ist notwendig

Doch der Staat ist kein Debattierclub, sondern politische Gewalt. Die AfD gewinnt immer mehr Einfluss darin, während die anderen Parteien dabei sind, ihre asylpolitischen Forderungen zum Teil schon in die Tat umzusetzen (Abschiebe- und Abschottungspolitik). Täglich sind Migrant*innen, Menschen muslimischen oder jüdischen Glaubens, Homosexuelle, Transmenschen*, Geflüchtete und auch Linke Angriffen von rechts ausgesetzt. Diese Situation verschärft sich, je weiter der gesellschaftliche Rechtsruck fortschreitet und je stärker die AfD ist. Unabdingbar ist die strömungsübergreifende Solidarität bei solchen Angriffen, ohne wenn und aber. Umso erschreckender, dass dies leider nicht selbstverständlich ist, wie der Fall Sarah Rambatz zeigt.

Wenn die politische Linke in Deutschland das nicht gebacken bekommt, kann sie gleich kapitulieren. Ebenso wichtig ist, im Zuge konkreter Aktionen gegen die AfD die Streitigkeiten untereinander für einen Tag ruhen zu lassen und sich weder von der Polizei, noch von der Presse und schon gleich gar nicht von der AfD selbst gegeneinander aufhetzen lassen – etwa in der Frage nach der geeigneten Aktionsform. Doch selbstverständlich müssen wir über Strategien und Aktionsformen diskutieren. Ob man nun die Hälfte oder „nur“ ein Drittel der künftigen AfD-Bundestagsfraktion als Nazis bezeichnen kann und wie weit die AfD auf dem Weg hin zu einer faschistischen Partei schon fortgeschritten ist, sei an dieser Stelle mal offen gelassen: So oder so können wir es uns nicht leisten, dass jeder sein identitätspolitisches Selbstbestätigungs-Süppchen kocht, sondern wir müssen in Fragen der Analyse und Strategie um die besten und wirkungsvollsten Ansätze streiten.

Ich sehe den zivilen Ungehorsam als eine der wirksamsten Methoden zur Bekämpfung von rechtsradikalen Umtrieben, ob Nazis, AfD oder Pegida. Warum? Ganz einfach, weil er Wirkung zeigt. Der jährliche Nazi-Aufmarsch in Dresden ist dank mehrerer erfolgreicher Blockaden innerhalb weniger Jahre in sich zusammengeschrumpft. Mehrere lokale Pegida-Bündnisse haben sich aufgelöst – ebenfalls nachdem Gegendemonstrant*innen die rechten Aufmärsche blockiert hatten. Ein AfD-Landesparteitag in Esslingen wurde gar abgesagt, nachdem einerseits ein großes, bunt gemischtes Bündnis zur Gegendemonstration rief und die Stadt andererseits militante Antifa-Aktionen befürchtete. In Heidelberg haben sich Aktivist*innen in eine AfD-Veranstaltung geschleust und diese durch kontinuierliche Sprechchöre schlichtweg unmöglich gemacht.

Dort, wo der AfD entschlossener und breiter Widerstand entgegenschlägt, fällt es ihr schwerer, Strukturen aufzubauen und sich breit zu machen. Dort wo man sie unter dem Deckmantel der Toleranz „einfach machen lässt“ (wie manche besonders geschichtsvergessene Zeitgenoss*innen ja propagieren), breiten sie sich ungehindert aus und machen denen, die in ihr Feindbild passen, das Leben zur Hölle.

Natürlich ist ziviler Ungehorsam nicht das Allheilmittel, sondern muss Teil einer Gesamtstrategie sein, zu der beispielsweise auch Zivilcourage und Solidarität im Alltag sowie Öffentlichkeitsarbeit gehören müssen. In dem Vortrag „AfD drittstärkste Kraft – wie geht’s weiter?“ werden die in diesem Artikel genannten Punkte vertieft, weitere Argumente und strategische Ansätze beleuchtet und natürlich anschließend zur Diskussion gestellt.

 

Demobericht Heßmarsch 19.08.2017 in Berlin

30 Jahre nach dem Selbstmord von Rudolf Heß im Naziknast in Berlin-Spandau wollten Faschos aus ganz Deutschland anreisen und einen „Gedenkmarsch“ abhalten. Angemeldet auf 500 Personen, war recht schnell klar, dass es eher doppelt so viele werden würden. Es wurde deutschlandweit mobilisiert, die revisionistische Legende um den angeblich guten Deutschen Heß zieht immer noch. In der Tat etwas verwunderlich ist, dass es keine Aufrufe und Gegenmobilisierung aus anderen Städten gab. Zur IB-Demo am 17.6. gab es gemeinsame Anreisen aus Leipzig und Hamburg, dieser knallharte Naziaufmarsch wurde dagegen Berlin allein überlassen. Die Antifa Nordost ließ sich nicht lumpen und hat dann auch mal eben einen der besten Mobiclips der letzten Jahre zusammengeschraubt.

Ein Tag voller positiver Überraschungen

Nach Spandau ging es eigentlich mit nicht so großen Erwartungen. Der rot-rot-grüne Senat hatte den Naziaufmarsch mit ein paar Auflagen erlaubt, was einzelne Abgeordnete nicht daran hinderte, sich vorher als große Naziaufmarschverhinderer zu inszenieren. Es wurden einige Gegenkundgebungen angemeldet, eine Demo zum Zusammenschluss wurde aber verweigert. Das Outfit wurde dieses Mal zivil gewählt, was sich in fehlenden Taschenkontrollen und generell weniger Aufmerksamkeit von Seiten der Cops bemerkbar machte. Auf dem Weg nach Spandau dann die erste gute Nachricht: Signalstörungen bei der Bahn. Irgendwer hatte einen Kabelbrand verursacht und etliche Faschos saßen im Zug fest. Hupsi.

Vor Ort ging es nach einem kurzen Blick auf Gegenkundgebung und Startpunkt der Nazis – jeweils auf der anderen Seite des Bahnhofs Spandau – auf die Strecke. Die Cops hatten massiv gegittert und nach zwei Querstraßen auf Höhe der Altonaer Straße alles mit Wannen dicht gemacht. Weiter sollten die Faschos später auch nicht kommen. Dann ein paar hundert Meter weiter die nächste positive Überraschung: Da ist ja schon eine Sitzblockade! Fotos, Pixeln, Tweet nach Support gesetzt – läuft. Wer auch immer die Idee hatte, sich über 20 Minuten vor offiziellem Beginn der Faschoveranstaltung auf die Straße zu setzen, dem sei hier noch einmal ausdrücklich gedankt! Denn um diese Blockade herum bildete sich stabil mit Zufluss und zweiter Reihe ein Knotenpunkt früh auf der Faschostrecke.

Und diese präsentierte sich als nächste positive Überraschung. Bis zur Stelle des abgerissenen Gefängnis war alles mit Plakaten, Graffiti, Adbusting und Transpis voll. Auf den Häuserwänden gab es Slogans wie „Nazis boxen“ oder“Klasse statt Rasse“ zu lesen, immer wieder hingen Transpis aus Fensters, irgendwer hatte die Werbeflächen an den Bushaltestellen umgestaltet und die PARTEI und die Jusos haben auf jede fucking Laterne Antinaziplakate gehängt, erstere natürlich die legendären „Hier könnte ein Nazi hängen“. Auch die Plakate der Gegenmobilisierung waren überall zu sehen. Auf Höhe des abgerissenen Gefängnis hatte Exit Deutschland dann auch noch mal plakatiert: Spandau hatte ganz offensichtlich keinen Bock auf Nazis.

Blockieren wir Nazis

In der Zwischenzeit hatte es sich eine weitere große Blockade kurz hinter der ersten gemütlich gemacht, auch weiter vorne sind noch Leute auf die Strecke gekommen. Der Aufmarsch der Faschos verzögerte sich ordentlich die Störungen im Bahnverkehr zwangen über 200 Nazis, vor allem aus dem Rheinland und dem Pott, in Falkensee auszusteigen und ein paar Mal im Kreis zu laufen, da sie nicht wegkamen. Aus Frust musste dann die Scheibe des örtlichen Grünenbüros dran glauben. Nachdem dann irgendwann der letzte Bus aus Sachsen eingetroffen war, ging es gegen 13:00 los – aber dank der Blockaden nicht weit. Nach kanpp 200 Metern war erst einmal Feierabend. Die große Frage jetzt war: Wird die Polizei durchknüppeln? Es gab mehrere Blockaden, die alle für sich genommen ok in der Größe waren. Kurz nach 13:00 hatten sich zudem 40 weitere Antifas hinter die letzte Blockade gesetzt. Es schwärmten dazu noch unzählige Kleingruppen umher, weitere Blockaden wären wahrscheinlich. Auf der anderen Seite standen um die 800 sehr mies gelaunte Nazis.

Die Entscheidung fiel dann eine halbe Stunde später. „Wir kommen jetzt mit 1000 Leuten!“ hieß es via Twitter. Ja ja, schon klar. Verarschen können wir uns selber. Wo sollen denn jetzt bitte 1000 Leute herkommen? Keine 10 Minuten später kamen dann aber tatsächlich von hinten hunderte Leute mit Fahnen, guter Laune und Kinderwagen im Gepäck. Irgendwer muss die ganzen Bezugsgruppen und interessierten Anwohner*innen unterwegs eingesammelt und Richtung Blockade gebracht haben. Und damit war klar: Dieser Aufmarsch ist blockiert.

Umso ziemlich genau 15 Uhr dann auf einmal Bewegung: Die Faschos werden umgeleitet. Und zwar ziemlich verwirrend: eine Runde um den Block, um dann über eine Brücke eine sehr lange Ausweichroute nehmen zu können. Nächste Überraschung: Nächste Blockade! Irgendwer hatte die Voraussicht, dass die Faschos so umgeleitet werden könnten und ist mit dutzenden Leuten die sehr lange Ausweichroute zu den Nazis gelaufen. Damit war der Tag endgültig gelaufen für die Faschos. Diese drehten dann um, machten noch eine Stunde Kundgebung am Bahnhof und verpissten sich dann in die Dreckslöcher, aus denen sie gekommen waren.

Was bleibt

Ein absolut positiver Blick auf den Tag. Anreise behindert, in Rathenow wurden zwei Faschos vor der Anreise ins Krankenhaus kritisiert, eine super präparierte Strecke, stabile Blockaden mit vielen Leuten aus der Gegend und angepissten Nazis, die eine Runde um den Block drehen konnten. Und das alles ohne großen Support von außerhalb. Nach der erfolgreich blockierten IB die zweite Naziblockade innerhalb von zwei Monaten. Danke Spandau, danke Berlin!