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Demobericht „Nazis mattsetzen“ – Erfurt 01.05.2018

Für den gestrigen Dienstag hatte sich die NPD in Erfurt angekündigt. Zum Tag der Arbeit wollte man an den nationalsozialistischen Vereinnahmungsversuch des klassisch linken Arbeitskampftages anknüpfen. 12 Uhr war offiziell als Startzeitpunkt angegeben. Der Gegenprotest sammelte sich früher, um 10 begann eine Demonstration des DGB, die dann gegen 11 zum offiziellen Gegenprotest dazustieß. Rund um die Naziroute waren angemeldete Kundgebungen platziert, somit gab es immer Anlaufpunkte im Zielgebiet.

Während die Gegendemo pünktlich an Hauptbahnhof ankam, gab es bei den Nazis Verspätungen. Das Problem: Es gab zu wenig Ordner und so musste Sebastian Schmidtke tatsächlich auf der Bühne nach Leuten ohne Vorstrafen fragen, andernfalls hätte die Demonstration nicht starten können. In der Zwischenzeit versuchten diverse Kleingruppen auf die Strecke zu kommen und diese zu blockieren, die überschaubare Straßenbreite und -anzahl entlang der Route ermöglichte es der Polizei jedoch, relativ problemfrei dies frühzeitig zu unterbinden.

Vom Gegenprotest lösten sich viele Personen und versuchten, über den Stadtpark auf die Route zu kommen. Die Polizei blockierte daraufhin den Protrest und kesselte ihn effektiv in Richtung der Nazis ab. Die abgeflossenen Gruppen wurden teilweise mit Pfefferspray und Knüppel angegriffen, es gab einige Verletzte. Diese mussten zum Teil ins Krankenhaus und auch die Polizei sah sich genötigt entgegen der sonst üblichen Kommunikation offiziell von Verletzten Demonstrierenden zu schreiben. Es wurde auch eine zivile Person verletzt.

Mit etwas Verzögerung konnte die NPD-Demo dann starten. Zu sehen gab es das übliche Spektrum aus JN, Kameradschaftsstrukturen und Parteikadern. Auch die Sektion Nordland aus Hamburg war wieder vertreten, ebenso ein paar autonome Nationalisten. Inhaltlich gab es auch keine großen Überraschungen, jedoch war es wieder erstaunlich wie offen man zu den eigenen Ansichten stand. So gab es mit „Antisemiten kann man nicht verbieten!“ und „Nie nie nie wieder Israel!“ ein ganz offenes Bekenntnis zum antisemitischen Vernichtungswahn. Auch die von der Identitären Bewegung popularisierte Parole „Jugend, Europa, Reconquista“ gab es in der Abwandlung „Jugend, Europa, Widerstand“ zu hören.

Der Gegenprotest durfte dann irgendwann zum Kundgebungsort am südlichen Ende der Naziroute, auch hier gab es einige Ausreiß- und Blockadeversuche, die Polizei konnte aber alle unterbinden. Den meisten Teil der Strecke konnten Nazis ohne Gegenprotest laufen, eine Blockade mit ca 20 Leuten wurden schnell geräumt. Zum Schluss schafften es noch einige Aktivist*innen auf die Nordseite des Bahnhofs, der Hauptteil des Gegenprotestes wurde aber auf der Südseite am direkten Gegenprotest gehindert. Insgesamt gab es zwei Ingewahrsamnahmen, die NPD konnte relativ ungestört die Route ablaufen.

Demobericht Heßmarsch 19.08.2017 in Berlin

30 Jahre nach dem Selbstmord von Rudolf Heß im Naziknast in Berlin-Spandau wollten Faschos aus ganz Deutschland anreisen und einen „Gedenkmarsch“ abhalten. Angemeldet auf 500 Personen, war recht schnell klar, dass es eher doppelt so viele werden würden. Es wurde deutschlandweit mobilisiert, die revisionistische Legende um den angeblich guten Deutschen Heß zieht immer noch. In der Tat etwas verwunderlich ist, dass es keine Aufrufe und Gegenmobilisierung aus anderen Städten gab. Zur IB-Demo am 17.6. gab es gemeinsame Anreisen aus Leipzig und Hamburg, dieser knallharte Naziaufmarsch wurde dagegen Berlin allein überlassen. Die Antifa Nordost ließ sich nicht lumpen und hat dann auch mal eben einen der besten Mobiclips der letzten Jahre zusammengeschraubt.

Ein Tag voller positiver Überraschungen

Nach Spandau ging es eigentlich mit nicht so großen Erwartungen. Der rot-rot-grüne Senat hatte den Naziaufmarsch mit ein paar Auflagen erlaubt, was einzelne Abgeordnete nicht daran hinderte, sich vorher als große Naziaufmarschverhinderer zu inszenieren. Es wurden einige Gegenkundgebungen angemeldet, eine Demo zum Zusammenschluss wurde aber verweigert. Das Outfit wurde dieses Mal zivil gewählt, was sich in fehlenden Taschenkontrollen und generell weniger Aufmerksamkeit von Seiten der Cops bemerkbar machte. Auf dem Weg nach Spandau dann die erste gute Nachricht: Signalstörungen bei der Bahn. Irgendwer hatte einen Kabelbrand verursacht und etliche Faschos saßen im Zug fest. Hupsi.

Vor Ort ging es nach einem kurzen Blick auf Gegenkundgebung und Startpunkt der Nazis – jeweils auf der anderen Seite des Bahnhofs Spandau – auf die Strecke. Die Cops hatten massiv gegittert und nach zwei Querstraßen auf Höhe der Altonaer Straße alles mit Wannen dicht gemacht. Weiter sollten die Faschos später auch nicht kommen. Dann ein paar hundert Meter weiter die nächste positive Überraschung: Da ist ja schon eine Sitzblockade! Fotos, Pixeln, Tweet nach Support gesetzt – läuft. Wer auch immer die Idee hatte, sich über 20 Minuten vor offiziellem Beginn der Faschoveranstaltung auf die Straße zu setzen, dem sei hier noch einmal ausdrücklich gedankt! Denn um diese Blockade herum bildete sich stabil mit Zufluss und zweiter Reihe ein Knotenpunkt früh auf der Faschostrecke.

Und diese präsentierte sich als nächste positive Überraschung. Bis zur Stelle des abgerissenen Gefängnis war alles mit Plakaten, Graffiti, Adbusting und Transpis voll. Auf den Häuserwänden gab es Slogans wie „Nazis boxen“ oder“Klasse statt Rasse“ zu lesen, immer wieder hingen Transpis aus Fensters, irgendwer hatte die Werbeflächen an den Bushaltestellen umgestaltet und die PARTEI und die Jusos haben auf jede fucking Laterne Antinaziplakate gehängt, erstere natürlich die legendären „Hier könnte ein Nazi hängen“. Auch die Plakate der Gegenmobilisierung waren überall zu sehen. Auf Höhe des abgerissenen Gefängnis hatte Exit Deutschland dann auch noch mal plakatiert: Spandau hatte ganz offensichtlich keinen Bock auf Nazis.

Blockieren wir Nazis

In der Zwischenzeit hatte es sich eine weitere große Blockade kurz hinter der ersten gemütlich gemacht, auch weiter vorne sind noch Leute auf die Strecke gekommen. Der Aufmarsch der Faschos verzögerte sich ordentlich die Störungen im Bahnverkehr zwangen über 200 Nazis, vor allem aus dem Rheinland und dem Pott, in Falkensee auszusteigen und ein paar Mal im Kreis zu laufen, da sie nicht wegkamen. Aus Frust musste dann die Scheibe des örtlichen Grünenbüros dran glauben. Nachdem dann irgendwann der letzte Bus aus Sachsen eingetroffen war, ging es gegen 13:00 los – aber dank der Blockaden nicht weit. Nach kanpp 200 Metern war erst einmal Feierabend. Die große Frage jetzt war: Wird die Polizei durchknüppeln? Es gab mehrere Blockaden, die alle für sich genommen ok in der Größe waren. Kurz nach 13:00 hatten sich zudem 40 weitere Antifas hinter die letzte Blockade gesetzt. Es schwärmten dazu noch unzählige Kleingruppen umher, weitere Blockaden wären wahrscheinlich. Auf der anderen Seite standen um die 800 sehr mies gelaunte Nazis.

Die Entscheidung fiel dann eine halbe Stunde später. „Wir kommen jetzt mit 1000 Leuten!“ hieß es via Twitter. Ja ja, schon klar. Verarschen können wir uns selber. Wo sollen denn jetzt bitte 1000 Leute herkommen? Keine 10 Minuten später kamen dann aber tatsächlich von hinten hunderte Leute mit Fahnen, guter Laune und Kinderwagen im Gepäck. Irgendwer muss die ganzen Bezugsgruppen und interessierten Anwohner*innen unterwegs eingesammelt und Richtung Blockade gebracht haben. Und damit war klar: Dieser Aufmarsch ist blockiert.

Umso ziemlich genau 15 Uhr dann auf einmal Bewegung: Die Faschos werden umgeleitet. Und zwar ziemlich verwirrend: eine Runde um den Block, um dann über eine Brücke eine sehr lange Ausweichroute nehmen zu können. Nächste Überraschung: Nächste Blockade! Irgendwer hatte die Voraussicht, dass die Faschos so umgeleitet werden könnten und ist mit dutzenden Leuten die sehr lange Ausweichroute zu den Nazis gelaufen. Damit war der Tag endgültig gelaufen für die Faschos. Diese drehten dann um, machten noch eine Stunde Kundgebung am Bahnhof und verpissten sich dann in die Dreckslöcher, aus denen sie gekommen waren.

Was bleibt

Ein absolut positiver Blick auf den Tag. Anreise behindert, in Rathenow wurden zwei Faschos vor der Anreise ins Krankenhaus kritisiert, eine super präparierte Strecke, stabile Blockaden mit vielen Leuten aus der Gegend und angepissten Nazis, die eine Runde um den Block drehen konnten. Und das alles ohne großen Support von außerhalb. Nach der erfolgreich blockierten IB die zweite Naziblockade innerhalb von zwei Monaten. Danke Spandau, danke Berlin!

Wenn die „Guten“ so richtig lästern – das Elend des Lookismus

Am Samstag fand in Themar ein inzwischen wohlbekanntes Neonazikonzert statt. Etwa 6000 Personen aus dem neonazistischem und faschistischem Spektrum kamen zusammen und präsentierten gut dokumentiert, wie das gewaltbereite Neonaziklientel so aussieht. Unter dem Schutze des Demonstrationsrechts wurde dann auch in trauter Runde ordentlich dem deutschen Gruß gefrönt, die Polizei sah keine Veranlassung, die Veranstaltung zu beenden oder einzugreifen. Einige Fotos der Veranstaltung machen seit dem die Runde. Neben einem Polizisten bei einem vermeintlichen persönlichen Kontakt mit Faschos und diversen Nazi-Motiven und Slogans inklusive Liebeserklärungen an Hitler macht vor allem das Bild eines sehr korpulenten Mannes die Runde, auf dessen T-Shirt der Aufdruck „Nationalstolz kann man nicht zerbrechen“ auszumachen ist.

Scheinheilig auf der richtigen Seite

Was sich in den Kommentarspalten zu diesem Bild beobachten lässt, zeigt wieder einmal das massive Problem zwischen Anspruch und Wirklichkeit der eigenen vermeintlichen moralischen Überlegenheit, die sich im Zweifelsfall aber doch nur in dumpfester Überheblichkeit äußert. Vor allem schnelle Medien wie Facebook oder Twitter laden dazu ein, unreflektiert in die Tasten zu hauen und sich am bundesweiten Diffarmierungswettbewerb zu beteiligen. Nazis sind ja scheiße, also immer feste druff. Das dabei der eigene Anspruch flöten geht, ist egal. Jede Ingroup braucht offensichtlich ein Objekt, an dem dann mal lustvoll sämtlicher Anstand ins Gegenteil gekehrt und so richtig gelästert werden kann. Da man sich ja auf der richtigen Seite wähnt – gegen Nazis ist ja immer gut – kann ruhig das Niveau der schlimmsten Boulevardpostillen unterboten werden. Über die man sonst am Besten immer noch schimpft ob ihrer stupiden Triebbefriedigung auf Kosten anderer.

Machen wir uns nichts vor, wir haben alle in gewissem Maße schon selber an diesen Beleidigungsolympiaden teilgenommen. Und natürlich kokettieren viele Seiten, Accounts und Medien zu einem gewissen mit Empörung bzw. Zielgruppenbefriedigung. Hier geht es aber nicht um ein Kokettieren, hier geht es um die Masse an unterirdischen Kommentaren, die sich von Menschen auf der „richtigen“ Seite Bahn bricht – und berechtigte Zweifel aufkommen lässt, wie viel beim Thema Antifaschismus verstanden wurde. Wie konsequent setzt man die eigenen Ansprüche an sich selber um, wenn man sich wegen eines übergewichtigen Faschos ähnlich hetzend und diskriminierend geriert, wie das Objekt des Spottes? Es gibt ganze Seiten, die sich auf das Vorführen von Menschen stützen – und einen inhaltlichen Mehrwert über den Moment der Empörung hinaus oftmals vermissen lassen, von wirklich tiefgreifenden Analysen ganz zu schweigen.

Verteidigungsreflexe

Die Parallelen zur Causa Nazischlampe mit Alice Weidel sind offensichtlich. Ist der Ausdruck im direkten satirischen Kontext als Erwiderung auf ihre Forderung vom Ende der politischen Korrektheit zu verteidigen, da er die logische Konsequenz aus eben dieser Forderung darstellt und mit der daraufhin eingereichten Klage die Scheinheiligkeit Weidels offenbarte, nahmen ihn viele Leute einfach nur zum Anlass, endlich ungehindert eine Frau als „Schlampe“ bezeichnen zu können. Emanzipatorisch ist daran nichts, im Gegenteil. Es werden nur alte Muster unter dem scheinheiligen Deckmantel der „richtigen Seite“ repliziert. Und so verwundert es nicht, dass sich auch hier ein Autor findet, der den ganzen Lästerbros, -sis, inbetween und else einen Persilschein genau dafür ausstellt. Stefan Laurin mimt hier in einem Kommentar bei den Ruhrbaronen die Kronkartoffel gegen den eigenen Anspruch.

Wirklich anspruchsvoll fällt seine Verteidigung nicht aus, es solle hier das Ideal der Nazis (Herrenmenschen dies das) mit ihrer Wirklichkeit konfrontiert werden. In welche Tradition er sich damit stellt, kann in diesem Kommentar nachgelesen werden. Was Laurin weiterhin geflissentlich übersieht oder übersehen will – die meisten Kommentare geben sich ja nicht einmal den Anschein, hier irgendwie einen vermeintlichen Anspruch der Nazis und dessen Scheitern aufzuzeigen. Eine ideologische Auseinandersetzung findet nicht statt, da sie gar nicht gewollt ist. Hier wollen einfach nur Menschen ihrem Lästertrieb nachgeben, den sie sonst ja leider nicht so ausleben können. Es geht den meisten Kommentierenden bei diesem Bild um nichts anderes als Selbstbefriedigung und Circle Jerk. Und auf diese Doppelmoral kann konsequenter Antifaschismus nun wirklich gut verzichten.