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Interview mit dem Kollektiv „IfS dichtmachen“

Was war der Anlass für die Gründung eures Kollektivs?
 
Zum Anlass der „Sommerakademie“ 2016 des sogenannten „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellroda haben sich Aktivist*innen aus dem Saalkreis und aus Halle getroffen, um den ersten Gegenprotest zu planen und durchzuführen. Nach den ersten paar Demonstrationen erschien es uns dann sinnvoll, dem Ganzen auch einen Rahmen zu geben, also eine Gruppe zu gründen, in der weitere Leute aus der Region aktiv werden können.
 
Das IfS wurde im Jahr 2000 gegründet, Antaios und Sezession folgten 2002 und 2003. In welcher Form gab es in der Zwischenzeit Proteste und Aufklärung über Schnellroda in der Region?
 
Wir demonstrieren, wie gesagt, seit September 2016 zu jeder größeren Veranstaltung des „IfS“ bzw. des Verlags Antaios (insbesondere zu den „Winter- und Sommerakademien“). Davor gab es keine organisierten Proteste. Allerdings wissen wir, dass die Anwesenheit der Kubitscheks und ihre politische Tätigkeit seit den ersten größeren Medienberichten zur „Neuen Rechten“ dort schon kritisch diskutiert wurde und auch auf Ablehnung stieß. Es gab also auch vor unserem Engagement Konfliktpunkte bzgl. der faschistischen Agitation im Ort.
 
Welche Relevanz für die radikale Rechte hat Kubitschek mit seinen Plattformen?
 
Kubitschek ist mit seiner Verlagsgruppe (Ellen Schenke, Benedikt Kaiser) ein Stichwortgeber und ein Anheizer. Er ist zwar weit davon entfernt, der große „intellektuelle Strippenzieher“ hinter der AfD zu sein, als der er sich gerne ausgibt oder von diversen Jouralist*innen ausgegeben wird, aber wenn er eine Parole ausgibt, dann wird diese von den „Identitären“, von „Ein Prozent für unser Land“ und auch von manchen AfD-Hetzer*innen aufgenommen und mit voller Überzeugung als neuste brillante Erkenntnis aus Schnellroda vertreten. Auch wenn man das nicht überschätzen darf, stiften Kubitscheks Plattformen also eine gewisse Einheit in Teilen der extremen Rechten, bringen die Vernetzung der Menschenfeind*innen voran und sorgen für den akademischen Anstrich, der aus der Perspektive vieler Medien aus Nazi-Kameradschaftern plötzlich „identitäre Hipster“ macht – auch wenn der Schein da inzwischen endlich gebrochen scheint. Auch wenn die Bedeutung Kubitscheks etwa für die AfD, wie bereits erwähnt, nicht so bedeutend ist wie Kubitschek dies gerne verlautbart, ist darauf hinzuweisen, dass er es war, der einen Tag nach Höckes „Dresdner Rede“ in der Sezession die Verteidigungslinie vorgab. 
 
Was sind die wichtigsten regionalen und überregionalen Vernetzungen von Schnellroda?
 
Also regional möchten wir vor allem darauf hinweisen, dass sich das „IfS“ offensichtlich hervorragend mit der klassischen Neo-Nazi-Szene in Sachsen-Anhalt versteht. Es wurden mehrmals Nazis aus dem weiteren Umland beobachtet, die „das Schäfchen“ (den Veranstaltungsort der „Akademien“) während unserer Demonstrationen auf Befehl von Kubitschek „schützen“ sollten – d.h. davor standen und gepöbelt haben. Bundesweit spielt für die Schnellroda-Gruppe die AfD die größte Rolle: Während man sich früher immer als außerparlamentarisch präsentiert hat, ist man heute absolut auf AfD-Kurs und prügelt sich mit anderen Rechtsextremen um die parlamentarischen Fleischtöpfe. Deshalb waren 2019 auch gleich Alexander Gauland und Alice Weidel als „Stargäste“ auf den „Akademien“, während ansonsten eigentlich nur das Stammpersonal heranzitiert wurde. Über Deutschland hinaus fügt sich das „IfS“ in ein Netzwerk der europäischen extremen Rechten ein, wobei man von einem osteuropäischen Schwerpunkt ausgehen kann, da bereits Faschisten aus Ungarn, Serbien und Kroatien anwesend waren und Kubitschek dort auch schon auf Tour war.
 
Welche unmittelbaren Auswirkungen bzw. welche Wirkmacht auf die nähere Umgebung sind aus eurer Sicht feststellbar seit sich Schnellroda zu einer auch bundesweit relevanten rechtsradikalen Plattform entwickelt hat?
 
Als unmittelbarste Auswirkung ist sicher das sog. „Haus der Identitären Bewegung in Halle“ zu verstehen, dessen gewählter Standort ja unter anderem auf die Nähe zu Schnellroda zurückzuführen ist. Ansonsten lässt sich der Einfluss eher punktuell fassen, etwa wenn bestimmte Kreistagsabgeordnete Kontakte zu Kubitschek pflegen oder die Vermittlung von „Identitären“ oder dem „IfS“ nahestehenden Faschisten als Mitarbeiter von Landtags- oder Bundestagsabgeordneten.
 
In welcher Form seid ihr aktiv, wie klärt ihr auf?
 
Wir bringen jährliche Reader raus, in denen wir die Redebeiträge unserer Demonstrationen und unsere Recherchebeiträge sammeln und dazu ein kleines Fazit verfassen, um über unsere Arbeit zu informieren. Darüber hinaus schreiben wir auch Blogeinträge zu aktuellen Themen rund um die „Neue Rechte“ und bringen demnächst einen Schnellroda-spezifischen Newsletter heraus, der auch an die Anwohner*innen des Dorfes gehen soll. Prinzipiell versuchen wir, unsere Demonstrationen immer mit der Information an die Bevölkerung zu verbinden und starten dementsprechend auch immer mit einem Infostand vor der Demo. Darüber hinaus versuchen wir, uns auch kritisch mit der Ideologie der „Neuen Rechten“ und speziell des „IfS“ auseinandersetzen und bieten Vorträge zu dem Themenbereich an.
 
Merkt ihr, ob und wenn ja in welcher Form sich der Protest in Schnellroda gegen die Akademien auswirkt?
 
Immer wieder konnten die Akademien durch unseren Protest nicht in der geplanten Form stattfinden, da die Rechten sich nicht selten von unserer reinen Anwesenheit haben ablenken lassen. Wir können darüber hinaus bei Kubitschek und seinen Anhänger*innen eine gewisse Resignation beobachten: Während man 2016 noch auf „Defend Schnellroda“ machte, versucht man nun sehr aggressiv so zu tun, als wären wir gar nicht da. Trotzdem verwenden die „Sezession“ und andere Schmierblätter aber immer noch Artikel auf uns, in denen erklärt wird, wie egal wir Kubitschek sind. Wir glauben, dass unsere Demonstrationen dementsprechend dazu beitragen, die Attraktivität der „Akademien“ zu schmälern und dass die Rechten sich inzwischen überlegen müssen, wen sie da einladen und wen nicht.
 
Gab es bereits Bedrohungssituationen und/oder Auseinandersetzungen zwischen euch und AkteurInnen des Schnellroda-Netzwerks?
 
Es gibt immer wieder „aufklärende“ Artikel und Tweets aus dem Umfeld von Schnellroda, die unseren „Linksextremismus“ oder unsere Unterstützung durch diese oder jene vermeintlich super-wichtige Institution „aufdecken“ sollen. Was da dann berichtet wird, ist zwar immer öffentlich einsehbar, aber mit welcher Selbstüberschätzung so getan wird, als hätten die Faschos eine ernsthafte Recherche vorgelegt, ist ganz amüsant. Trotzdem birgt das natürlich auch eine Bedrohungssituation: Die in solchen Berichten namentlich genannten Mitstreiter*innen sollen dem rechtsextremen Mob vorgeworfen werden und auch wenn es oft nicht funktioniert, wissen wir ja inzwischen leider alle, zu was ein digitaler Shitstorm werden kann. Darüber hinaus gab es auf den vergangenen Demonstrationen von uns immer wieder Pöbeleien durch die Faschist*innen. Sie fanden oftmals ihr Akademieprogramm so langweilig, dass sie lieber Stress an unseren Infoständen gemacht und sich sonstwie daneben benommen haben. Insbesondere die „Identitären“ bauen unheimlich gerne Drohkulissen auf und kokettieren mit ihren Gewalttaten, die sie öffentlich dann wieder leugnen.
 
Die IB in Halle hat kürzlich die Aufgabe des Hauses in der Adam-Kuckhoff-Straße 16 bekannt gegeben (wie ernst das real genommen werden muss, wird sich zeigen). Generell sind bei der IB fortwährend Anzeichen des Zerfalls festzustellen. Damit neigt sich ein Aktions- und Bewegungsexperiment Kubitscheks dem Ende entgegen. Was könnte eurer Ansicht nach darauf folgen oder neu gestartet werden?
 
Es bleibt zunächst zu konstatieren, dass die „IB“ zwar offiziell aus dem Haus ausgezogen ist, jedoch weiterhin Kader im Haus wohnen. Auch Antaios und EinProzent betreiben dort weiterhin ein Büro. Derzeit scheinen jedoch Ressourcen und Ideen zu fehlen selbstständig zu agieren. Den Auszug der IB würden wir dahingehend interpretieren, dass versucht wird Druck und somit auch Aufmerksamkeit vom Haus zu nehmen. Man muss daher aufpassen und weiterhin wachsam bleiben, ob es ihnen gelingt, das Haus effektiv nutzen zu können. Die identitäre Ortsgruppe scheint ja ein Revival der „Kontrakultur Halle“ zu versuchen. Dass das für die Gruppe zum Erfolg führt, darf aus unserer Sicht jedoch bezweifelt werden.
 
Anfang Oktober 2019 gab es das versuchte Massaker in der Synagoge in Halle, bei dem ein Rechtsradikaler zwei Menschen erschoss. Als Motivation nannte er typische Elemente rechtsradikaler Ideologien wie z. B. eine sogenannte Umvolkung oder jüdische Weltverschwörung, Feminismus als Zerstörer der Nation/des Volkes: Finden sich diese Inhalte und wenn ja in welchem Umfang auch in den Veröffentlichungen aus Schnellroda wieder? 
 
Der Verlag Antaios fällt seit Jahren dadurch auf, dass er Bücher verlegt, auf die sich Rechtsterroristen aktiv beziehen. Im Verlagsprogramm findet sich das Standardwerk zum „Großen Austausch“ von Renaud Camus, Texte des Bloggers „Fjordman“, an dem sich Anders Behring Breivik orientiert hat und auch das Buch, welches beim Komplizen des Lübcke-Mörders gefunden wurde – in einer Hasstirade gegen Walter Lübcke wurde dessen Name markiert. Zu diesem Thema gab es auch einen Redebeitrag von uns bei der Demonstration gegen die „Sommerakademie“ 2019 den wir aufgrund der Aktualität noch mal für den Anfang Januar erscheinenden Schnellroda-Newsletter aufgearbeitet haben. Natürlich wäre es falsch, das „IfS“ direkt mit dem Anschlag in Halle in Verbindung zu bringen, was jedoch nicht bedeutet, dass es im Umkehrschluss nichts damit zu tun hat. Neben den Bezügen zur publizierten Literatur des „Antaios-Verlages“ bleibt festzuhalten, dass an der „Sommerakademie“ 2019 Kader der „Reconquista Germanica“ teilnahmen, die sich in ihrem „meme-war“ auf dieselben Imageboards wie der spätere Attentäter bezogen.
 
Wie kann man euch vor Ort oder von außerhalb am besten unterstützen?
 
Wir freuen uns in erster Linie über Teilnehmer*innen auf unserer Demo am 11.01. in Schnellroda (oder den nächsten Demonstrationen). Ansonsten finden wir es auch wichtig, dass unsere Inhalte weiter verbreitet werden und dass Menschen das Problem in Schnellroda auf dem Schirm haben. Dazu bieten wir auch Vorträge an.
 
Von wo kann man eure Materialien und Rechercheergebnisse beziehen?
 
Unsere Broschüren erscheinen kostenfrei als PDF auf unserem Blog. Dort stellen wir auch zeitnah Redebeiträge und Analysen online. Ansonsten folgt uns am besten auf Facebook und Twitter. Auf Anfrage verschicken wir auch unser Infomaterial.
 
Welche anderen Anlaufstellen bzw. Materialien zu dem Kubitschek-Komplex könnt ihr empfehlen? 
 
Grundsätzlich möchten wir auf die Rechercheergebnisse von „Sachsen-Anhalt rechtsaußen“ verweisen, in denen viele Informationen zu den Akteur*innen des „IfS“ und der Verstrickung in andere Milieus dokumentiert sind. Allgemein zur „Neuen Rechten“ finden wir die Bücher von Volker Weiß sowie die verschiedenen Publikationen zur Identitären Bewegung empfehlenswert. Das „IfS“ selber scheint ein wenig ein blinder Fleck in einer kritischen Publizistik zu sein, die genannten Empfehlungen reißen das „IfS“ immer nur am Rande an. Wir hoffen daher auch, mit unseren Broschüren und Analysen zu weitgehender kritischer Auseinandersetzung mit der Ideologie und dem Wirken des „IfS“ anzuregen und eine Grundlage dafür bereitzustellen.
 
Welche rechtsradikalen Aktivitäten abseits von Schnellroda und der IB gibt es in Halle und der Region?
 
Es gibt im Saalekreis und in Halle über die sogenannte „Neue Rechte“ hinaus einige klassische Neo-Nazis, rechtsextreme Hooligans und andere gewaltbereite Faschist*innen. Am bekanntesten sind dabei wahrscheinlich die Aufmärsche des Hetzers Sven Liebich, die er regelmäßig in Halle stattfinden lässt. Zwar ist sein Publikum seit Jahren sehr klein, aber er verbreitet beständig faschistische Propaganda, stört Veranstaltungen und stachelt sein Gefolge zur Gewalt an, während Polizei und Justiz scheinbar keinen allzu großen Handlungsbedarf sehen. In der Region kam es vor allem zwischen 2015 und 2017 zu größeren Neonazi-Demos in Querfurt, Bad Lauchstädt, Merseburg, Eisleben und weiteren Orten. Die Oraganisator*innen haben sich jetzt aber anderen Betätigungsfeldern zugewandt wie Kampfsport und Rechtsrock.
 
In welcher Form werdet ihr von Stadt/Land und Zivilgesellschaft unterstützt oder behindert? 
 
Wir haben einige zivilgesellschaftliche Unterstützer*innen aus Halle und der Region, die unsere Veranstaltungen entweder begleiten, bewerben oder materiell supporten. Immer wenn wir aktiv auf Organisationen zugekommen sind, haben wir positives Feedback bekommen. Allerdings würden wir uns natürlich auch wünschen, dass noch mehr antifaschistische, zivilgesellschaftliche Gruppen von sich aus in Schnellroda oder der Umgebung aktiv werden. Von offizieller Seite sieht es da aber deutlich schlechter aus: Ohne jedes Argument stellt der Verfassungsschutz des Landes Sachsen-Anhalt Mutmaßungen in seinem Bericht darüber an, ob wir „extremistisch beeinflusst“ wären. Und die Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen im Saalekreis ist auch eher schwierig. Aber das sind wahrscheinlich Sachen, die inzwischen fast jede antifaschistische Gruppe treffen.

Demobericht Schnellroda 20.01.2018

Viel hört und liest man über Schnellroda und das Anwesen des dort ansässigen Faschisten Götz Kubitschek. Eng verwoben ist der Name mit der Zeitung „Sezession“, dem Antaios-Verlag, der Orga „Ein Prozent“, dem hochtrabend „Institut für Staatskunde“ (IfS) genannten Schulungszentrum für faschistische Kader wie zum Beispiel der Identitären Bewegung. Kein Wunder, ist er doch federführend in allen ivolviert. Kubitschek und Frau Kositza wissen sich zu vermarkten und konnten in den letzten zwei Jahren diverse Fascho Foto Lovestorys in den großen Medien einsacken. Die Realität ist dann so unspektakulär wie der wolkige Samstag mit knapp über null Grad, an dem dort gegen die gerade stattfindende Winterakademie des IfS demonstriert wird.

Schnellroda ist ein Dorf. Und mit Dorf ist hier DORF gemeint. 200 Einwohner*innen dürfte es haben, ohne Kubitschek würde niemand diesen Ort außerhalb eines 10-Kilometer-Radius kennen. Auf den Äckern liegt noch Schnee, der Boden ist moddrig. Von Halle aus hat das Kollektiv „IfS dichtmachen“ die Anreise organisiert. Am Bahnhof laufen grölende Fußballfans ein, der Hallesche FC spielt. Ein paar Cops schauen argwöhnisch, der Dresscode all black everything fällt eben doch auf.

In Schnellroda selber gibt es fünf interessante Punkte. Einmal den Sammel-, Demostart- und Endpunkt sowie die zwei Standorte, an denen Infostände über das IfS und co aufklären. Dann das Gehöft von Kubitschek (auf dem groß Antaios steht) und die Gaststätte „Zum Schäfchen“, in dem die Winterakademie stattfindet. Am Sammelpunkt laufen einem Lothar und Katharina König über den Weg, Antifa bleibt eben Lamdarbeit. An den beiden Infopunkten hängen ein paar Transpis und es gibt Infobroschüren mit Rechercheartikeln aus den letzten beiden Jahren. Viel Aufmerksamkeit bekommen diese aber nicht. Es ist anzunehmen, dass inzwischen eh alle im Dorf wissen, wer ihr Nachbar ist. Aufmerksamkeit erregen sie trotzdem, fahren doch etliche Autos vorbei. Spätestens jetzt weiß man im Dorf, dass wieder einmal eine Schulung stattfindet. Es haben sich wohl schon Anwohner*innen solidarisch mit den Protesten geäußert und gegen Kubitschek positioniert. Es ist allerdings verständlich, wenn man in einem so kleinen Ort darauf verzichtet dies zu öffentlich zu tun, vor allem wenn sich die Person der Ablehnung regelmäßig Schläger wie Mario Müller einlädt.

Viel gibt es in Schnellroda nicht zu sehen. Neben dem Gehöft von Kubitschek und der Gastronomie „Zum Schäfchen“, welche auch schon bessere Zeiten gesehen hat, fällt eigentlich nur eine Südstaatenflagge auf einem Hof auf. Rednecks im Hinterland von Sachsen-Anhalt, was es nicht alles gibt. Ansonsten ist ziemlich viel Polizei aufgefahren, man will mögliche Konfliktsituationen von vornherein unterbinden. Auch zwei Hunde sind dabei. Im Endeffekt waren die Cops aber auch nur untätig. Während beim letzten Mal noch zig Faschos draußen standen und pöbelten, gab es hier bis auf ein paar Versprengte niemanden, der irgendwie Aktionsbedarf hatte. Mario Müller ließ sich zu einer kurzen Provokation verleiten, bei der ihm dann aber die Nase geklaut wurde. Ja, so wie bei dem Kinderspiel. Auf der abschließenden Demo durchs Dorf wurde das dann auch entsprechend mit einigen „Du hast die Nase schön“-Chören von den Antifaschist*innen honoriert. Diese zog einmal durch die kleine Ortschaft, Zwischenkundgebungen beim Schäfchen und hinter Kubitscheks Gehöft. Müller fotografierte die Demo ab, ansonsten passierte nichts. Nach der Demo reiste man dann ungestört ab und kurz nach 18 Uhr war man wieder in Halle.

Was bleibt, ist eine an sich unspektakuläre Veranstaltung. Aber Antifa bleibt Landarbeit und man macht das ja alles auch nicht ausschließlich aus Spaß an der Freude, sondern aus einer Notwendigkeit heraus. Vor allem auf dem Land. Und jetzt hat man das alles mal mit eigenen Augen gesehen – auch wenn es nicht viel war.

Über die Identitäre Bewegung – Mensch Merz im Interview

Am 17.06.2017 will die Identitäre Bewegung in Berlin ihre Hauptdemonstration durchführen. Beginn soll 14 Uhr am S-Bhf Gesundbrunnen sein, der Gegenprotest startet ab 12 Uhr am Leopoldplatz und will die IB blockieren. Organisiert wird der Gegenprotest vom Berliner Bündnis gegen Rechts, weitere Infos dazu findet ihr hier: https://berlingegenrechts.de/

Aus diesem Anlass haben wir ein Interview mit Mensch Merz geführt, eine Gruppe, welche sich auf die IB spezialisiert hat.

Wer sich für unsere Gruppe und unsere Arbeit interessiert:

Wir betreiben einen Blog. Zu erreichen unter dieser Adresse: http://vonnichtsgewusst.blogsport.eu
Ferner einen Twitter-Account, der immer aktuell über neue Entwicklungen bzgl. der "Identitären Bewegung" informiert. Zu erreichen unter: https://twitter.com/MenschMerz

Wer uns gerne live erleben möchte. An folgenden Terminen und Orten gibt es dazu die Gelegenheit:

Berlin: Auf Einladung der Abgeordneten June Tomiak am

Freitag 16.6.
um 19 Uhr
in Raum 107 des Abgeordnetenhauses zu Berlin.

Das ist einen Tag vor der "Großdemonstration" der "Identitären" in Berlin, für die viele Kader aus dem Ausland anreisen werden. 


Die nächste Veranstaltung ist dann am 

Marburg
Montag, 20.06.
um 20 Uhr

im Hörsaalgebäude. Hier die FB Veranstaltung dazu:
https://www.facebook.com/events/1084134401687460/?acontext=%7B%22ref%22%3A%222%22%2C%22ref_dashboard_filter%22%3A%22upcoming%22%2C%22action_history%22%3A%22[%7B%5C%22surface%5C%22%3A%5C%22dashboard%5C%22%2C%5C%22mechanism%5C%22%3A%5C%22main_list%5C%22%2C%5C%22extra_data%5C%22%3A[]%7D]%22%7D
Im deutschsprachigen Raum hat sich die Identitäre Bewegung zuerst in Österreich etabliert. Wieso konnte dieses anfänglich reine Internetphänomen sich ausgerechnet dort real materialisieren? Haben die Anfangskader wie Markovics gute Arbeit geleistet oder lag das eher an glücklichen Umständen?
 
Eine kurze Anmerkung direkt zu Beginn: Ich wäre vorsichtig dabei rechtsextreme Gruppen & Einzelpersonen als „reine Internetphänomene“ zu fassen. Einerseits, weil hinter diesen „Internet-Phänomenen“ immer reale Personen & Personenzusammenhänge stehen, die sich vielfach eben auch real – wenn auch zu Beginn vielleicht klandestin –  organisiert haben und von denen Seiten wie Facebook, Instagram & Co. eben nur der offensichtlichste Beweis der Existenz waren beziehungsweise sind. 
Zum Anderen aber auch, da gerade viele deutsche Landesämter der Verfassungsschutz mit diesem Begriff noch hantierten, als die „Identitären“ schon längst unübersehbar im „realen Raum“ aktiv waren. Meiner Meinung nach wird dieser Begriff auch vielfach von Seiten der Behörden täuschend eingesetzt, um zu verbergen, dass sie wenig bis gar keinen Einblick in Strukturen haben. Und ja, vielfach suggeriert der Begriff „Internet-Phänomen“ auch, dass solche Gruppen weniger gefährlich sind. Das ist und war zu keinem Zeitpunkt der Fall.
 
Zurück aber zur Ursprungsfrage: Vor dem Aufkommen der „Identitären Bewegung Österreich“ war die neonazistische Szene in Österreich mit staatlicher Repression konfrontiert. Hervorzuheben ist hier sicherlich der Prozess um die Seite alpendonau und den Neonazi Gottfried Küssel, in dessen Umfeld sich auch Martin Sellner bewegte. Nach der Zeit der Repression konnten wir auch in Wien erleben, dass die Rechtsextremen mit verschiedenen Organisationsformen „experimentiert“ haben. So gab es z.B. auch kurzzeitig eine „Autononome Nationalisten“-Gruppe, die sich aus dem burschenschaftlichen Milieu speiste. Dazu muss man vielleicht auch erwähnen, dass seit derschwarz-blauen Regierung Anfang der 2000er Jahre Burschenschaften dezidiert nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Sie sind damit ein idealer Nährboden für Experimente jeder Art. Die „Identitäre Bewegung“ ist also keinesfalls spontan entstanden, und muss auch als – sehr erfolgreicher – Versuch verstanden werden, das in Österreich durchaus streng exekutierte Wiederbetätigungsgesetz zu umgehen. 
 
Ein anderer Aspekt muss sich in Bezug auf Österreich immer wieder vor Augen gehalten werden: Die österreichische Gesellschaft lebt vom Mythos das „erste Opfer des Faschismus“ gewesen zu sein. Eine richtige Entnazifizierung und Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus erfolgte bis heute nur begrenzt. Mit der „FPÖ“ exsitiert seit langem eine – immer wieder große Mehrheiten auf sich vereinende – rechtsextreme Partei in Bundes- und Landesparlamenten, die vielen extrem rechten Akteuer*innen ein Zuhause bietet und hervoragend mit außerparlamentarischen rechtsextermen Organisationen und Einzelpersonen vernetzt ist. So schlimm dies klingt: Viele Forderungen der „Identitären Bewegung“, zum Beispiel die nach einer konsequenten Schließung der Grenzen oder ihre überbordenden Deportationsfantasien, sind Positionen, die in Österreich von der FPÖ bis zur ÖVP (Österreichische Volkspartei) mitgetragen werden und deswegen nie sonderlich „extrem“ wirkten. 
 
Was aber ebensowenig zu bestreiten ist, ist die Tatsache, dass führende und zum großen Teil noch heute aktive Kader, allen voran Martin Sellner, extrem viel an persönlichen und materiellen Ressourcen in das Projekt „Identitäre Bewegung“ gesteckt haben. Grade auch unter teils vollkommener Aufgabe privater Bedürfnisse. Der Slogan der „Identitären“ von „der letzten Reihe“ in der „Rettung Europas“ manifestiert sich vielfach in diesem blinden Fanatismus der Kader. Und ja, diese „Vollzeitaktivist*innen“ haben in den letzten Jahren viel an Struktur aufgebaut und sind auch maßgeblich am Aufbau in Deutschland beteiligt. Wobei aber nie vergessen werden darf, dass die Entwicklung der „Identitären“ ohne das starke Milieu rechtsextremer Burschenschaften und deren Personal und Infrastruktur nicht so möglich gewesen wäre.  Grade im Kontext des bürgerlich etablierten Rechtsextremismus stellte und stellt ihr „neu-rechter“ Aktionismus ein gewisses Novum dar, was eben auch zu der umfassenden medialen Beachtung führte. 
Grade aber der persönliche Einsatz scheint schwer zu wiegen und umso schwerer scheint es sie eben auch aktuell zu treffen, dass das „identitäre Projekt“ nicht mehr so auf Kurs ist, wie Martin Sellner jüngst in einem Artikel auf „szession-online“ konstatierte. 
 
 
Warum hat es in Deutschland länger gedauert? Entsprechende FB-Seiten gab es ja zeitgleich im gesamten deutschsprachigen Raum. 
 
In Deutschland hat es auch vor der „Identitären Bewegung“ immer schon eine Vielzahl an unterschiedlichen rechtsextremen Gruppen und Zusammenhängen gegeben, in denen eins sich organisierten konnte. Einerseits würde ich hier einfach von „mangelndem Bedarf“ sprechen. Andererseits: Das die „Identitäre Bewegung“ in Deutschland vielfach von Personen geleitet wird, die schon langjährige Aktivist*innen in rechtsextremen Zusammenhängen sind, ist deswegen auch kein Zufall: Vielmehr können wir hier aktuell erleben, wie sich eine rechtsextreme Szene versucht in Teilen moderater zu geben, um dergestalt ein breite Masse an Menschen anzusprechen. Sie haben in Frankreich und Österreich sehen können, dass genau das – zumindest teilweise – doch ganz gut funktioniert. 
Ich würde auch nicht davon sprechen, dass diese Entwicklung lange gedauert hat. Insgesamt gesehen ist die „Identitäre Bewegung“, gerade im deutschsprachigen Raum, eine sehr junge Form rechtsextremer Organisierung. Und in dieser Zeit haben sie durchaus schon viel an Struktur aufgebaut. Jedoch ist es meiner Meinung nach letztlich auch durchaus unsinnig die Entwicklungen in Deutschland stark von denen in Österreich abzukoppeln. Von Beginn an konnten wir einen regen Austausch erleben und gerade die aktuellen Ereignisse (z.B. der Versuch der „Blockade“ der CDU-Parteizentrale in Berlin [inzwischen zum Hashtag #ibsterblockade geworden, Anmerkung der Redaktion], ihre „Aktion“ im Mittelmeer oder die anstehende Demonstration in Berlin) zeigen, dass die „Identitäre Bewegung“ im deutschsprachigen Raum durchaus international gut vernetzt agiert und starke Synergien entfaltet. 
 
Wie groß war der direkte Einfluss aus Frankreich? Sowohl Name als auch ideologische Basis stammen von dort. Gab es Kontakte und Aufbauhilfe? Im Gegensatz zu Österreich und Deutschland hat die Génération identitaire dort ja direkte Vorläuferstrukturen.
 
Klar, der Einfluss ist, gerade was das Corporate-Design angeht, unverkennbar. Auch ideologisch gibt es diverse Schnittmengen und die Auseinandersetzungen der Nouvelle Droite sind mit Sicherheit von extrem großer Bedeutung für die deutschsprachigen Ableger. Grade in der Verklausulierung ihrer ideologischen Agenden und einer (vermeintlichen) Abgrenzung hin zum deutschen Nationalsozialismus. Volker Weiß hat dies in seinem aktuellen Werk „Die Autoritäre Revolte“ ja sehr gut ausgeführt. Grade aber ideologisch hat die „Identitäre Bewegung“ in Österreich und auch in Deutschland über die Rezeption und Betonung von verschiedenen „Theoretiker*innen“ eine durchaus eigenständige „Identität“ entwickelt. Grade hieran ist aber auch vielfach zu merken, dass es sich bei ihnen doch um eine recht junge Organisationsform handelt, bei der viele unvereinbares (noch) parallel exsistieren kann und die keinesfalls über einen geschlossenen ideologischen „Kanon“ verfügt. Da trifft dann der harte, mit dem russischen Faschisten Alexander Dugin begründete, Anti-Universalismus eines Alexander Markovics auf den völkischen Rassismus eines Luca Kerbl und so weiter. 
Verbindungen und Kontakte zu französischen Gruppen gab und gibt es immer wieder und seit Bestehen auch regelmäßig. Hervorzuheben ist hier sicherlich die Teilnahme vieler österreichischer und deutscher Kader an den französischen Sommer-Camps, sowie den sehr guten Verbindungen der deutschen Gruppe Kontra Kultur zu einzelnen Gruppen in Frankreich. Auch Martin Sellner nimmt hier wieder mit seinen guten französischen Sprachkenntnissen eine wichtige Rolle ein. An der ersten Demonstration der „Identitären“ in Wien 2014 nahmen überdies französische Aktivist*innen teil. 
 

Einen großen Einfluss auf die IB hat ganz offensichtlich das Antifaspektrum gehabt. Aktionsformen, Präsentation, Auftreten, eigene Strukturen, Kongresse, Workshops, der Phalanxshop, jetzt auch noch ein Modelabel. Sellner verkauft in seinem letzten Artikel in der Sezession Einschätzungen aus unter anderem dem Antifaspektrum als seine. Eigentlich fehlt nur noch ein Musikfestival. Wie weit gehen eurer Meinung nach die Analogien, wie viel hat die IB geklaut?

 
Das Rechtsextreme Aktionsformen, Repräsentationsformen und auch Inhalte adaptieren, die eher „Linken“ zugeordnet werden, ist nichts, dass spezifisch für die „Identitäre Bewegung“ oder Rechtsextreme im Allgemeinen ist. Vielmehr lassen sich solche Prozesse der Adaptierung historisch vielfach nachweisen und aufzeigen – für diverse Gruppen und seit Organisation des historischen italienischen Faschismus in den 1920er Jahren. 
 
Auch, dass Rechtsextreme zum Beispiel Kleidung verkaufen, um damit ihre Strukturen zu finanzieren, ist ja keineswegs etwas Neues. Es sei hier nur an Marken wie Ansgar Aryan erinnert. 
Für die „Identitäre Bewegung“ ist aber sicherlich die Professionalisierung solcher Adaptionen und Integration in die eigenen politischen Agenden durch die Gruppe „Casa Pound“ in Italien von besonderer Bedeutung. Auch, wenn Casa Pound sich von Beginn an stramm neofaschistisch positionierte und nie versuchte, wie die „Identitären“, über ihre Gesinnung mit „weder Rechts noch Links“-Slogans hinwegzutäuschen. 
Ich würde bezüglich der Frage sogar soweit gehen und die Hypothese aufstellen, dass die „Identitäre Bewegung“ gar nicht soviel Neues macht. Sie macht nur das, was sie macht, wesentlich professioneller. 
 
Jedoch sollten wir an dieser Stelle auch festhalten, dass es den „Identitären“ zu keinem Zeitpunkt gelungen ist – auch trotz ihres professionellen Auftretens – den eigenen Anspruch eine „Bewegung“ zu sein, einzulösen. Grade aktuell können wir feststellen, dass die „Identitären“ sich vielmehr wieder auf klassische Strategien der extremen Rechten zurückbesinnen und ihre Gruppen viel stärker auf die führenden elitären Kader aufbauen. Ebenso aber auch, dass sie grade massiv versuchen eigene Infrastruktur zu schaffen, die nicht an das burschenschaftliche Milieu geknüpft ist oder sich im Privatbesitz führender Kader befindet. Und das ist eben eine doch sehr „alte“ Strategie. 
 
 
Die Unterschiede zum Antifaspektrum (und anderen rechten Gruppierungen) liegt in der Nutzung der Medienkanäle. Via der nahestehenden Organisation Ein Prozent wird ganz offen Geld gesammelt, unter fast jedem Post und Beitrag prangt ein Spendenaufruf, es gibt Vlogs, mit Info-Direkt ein optisch und inhaltlich ähnlich gelagertes Nachrichtenportal, Sellner stellt regelmäßig Videos online. Die IB bietet individuelle Charaktere an und schafft so Identifikationsmöglichkeiten. Versucht die IB ein ganzheitliches Paket anzubieten und alle Lebensbereiche abzudecken?
 
Hier zuerst auch wieder eine Anmerkung: „Ein Prozent“ (Eigentlich: Ein Prozent für unser Land) und das Magazin „Info-Direkt“ sind keine Organisationen, die direkt unter dem Einfluss der „Identitären“ stehen, sondern eigenständige Akteuere des aktuellen Rechtsextremismus. „Ein Prozent“ ist untrennbar mit dem Institut für Staatspolitik in Schnellroda verbunden und auch „Info Direkt“ wird von gestandenen Akteueren des öst. Rechtsextremismus koordiniert. Auch, wenn diese Organisationen stark mit den „Identitären Bewegung“ kooperieren, haben sie doch auch beide ganz eigene Agenden, die vielfach auch über das, wofür die „Identitären“ stehen, hinausführen. 
Es ist aber wohl symptomatisch, d. die verschiedenen Akteuer*innen der extremen Rechten im deutschsprachigen Raum gerade im letzten Jahr so eng miteinander agieren und kooperieren, dass hier leicht solche Fehlschlüsse entstehen können, sie wären eigentlich alles Ableger ein und derselben Gruppe. Besonders deutlich wurde dies zuletzt 2016 beim Kongress der Verteidiger Europas in Linz, den verschiedenen Organisationen der parlamentarischen und außerparlamentarischen Rechten im deutschsprachigen Raum gemeinsam austrugen.
 
Nun aber zur medialen Inszenierung der „Identitären“. Und auch hier möchte ich davor warnen, die Dinge überzubewerten. Wenn wir von der „medialen Inszenierung“ sprechen, dann meinen wir nur allzu oft die Inszenierung einzelner weniger Kader. Für den deutschsprachigen Raum erfüllen sicherlich Martin Sellners stundenlange und zumeist fast nur selbstreferenzielle Vlogs eine große Rolle in der Konstruktion der professionellen Außenwirkung. Jedoch: Außer Martin Sellner gibt es wenige Kader, deren mediales Auftreten derart stark rezipiert wird. Die Vlogs des Vorsitzenden der „Identitären Bewegung Österreich“, Patrick Lenart, erscheinen zum Beispiel nur äußerst selten und wirken immer unglaublich dilletantisch. 
Auch in Deutschland hat es lange gebraucht, bis sich dem dem Format von „Laut-Gedacht“ etwas etablieren konnte, dass einen gewissen Grad der Eigenständigkeit besitzt und durchaus ungewöhnlich für extrem Rechte Organisationen war und ist.
Ansonsten aber begrenzt sich die Präsentation dieser „Identifikationsfiguren“ zumeist auf umfangreiche Instagram-Profile und Tumblr einiger weniger. Ich habe hier vielfach das Gefühl, dass gerade in der (bürgerlichen) medialen Rezeption einzelne Personen aus den Reihen der „Identitären“ größer und wichtiger gemacht werden, als sie eigentlich sind. Was hierbei dann fast immer in Vergessenheit gerät: Klar, solche Personen wie Melania Schmitz eignen sich hervorragend zur Bebilderung eines neuen Typus der rechtsextremen Aktivistin. Sie bleibt aber letztlich eine fanatisierte und gewaltbereite Rechtsextreme und die mediale (Re)-Inszenierung ist eben auch immer großes Wiederholen des selbstgeschaffenen Mythos. Hier gilt es meiner Meinung nach viel mehr Kritik zu leisten.
 
Vielleicht noch ein letztes Wort zu den Geldsammel-Aktionen: Ja, die „Identitäre Bewegung“ sammelt scheinbar viel Geld. Und es ist davon auszugehen, dass über kleinere Spenden von 5-10 Euro, die sicherlich diverse Menschen leisten, durchaus stattliche Summen zusammenkommen. Wir sollten aber auch hier immer im Auge behalten, dass die „Identitären“ und auch ihr nahestehende Organisationen, wie „Ein Prozent“ logischerweise ein großes Geheimnis um die genauen Ein- und Ausnahmen machen. Es kann hier sicherlich die Hypothese aufgestellt werden, d. viel von den gesammelten Gelder auch erstmal aus den eigenen Reihen fließt. In Anbetracht dessen, dass viele der Aktivist*innen eine großbürgerliche Herkunft aufweisen, darf es nicht verwundern, warum hier immer eine durchaus große Bereitschaft besteht, Geld in derartige Strukturen zu investieren. 
 
Die angesprochenen Flickr- und Instagramm-Profile, allen voran von Wychera, bieten einen recht guten Einblick in das Selbstbild und -verständnis der einzelnen Protagonist*innen. Auffällig dabei ist ein starker Naturbezug und eine gewisse Melancholie. Die Präsentation erinnert oftmals an Werke der Romantik, zum Beispiel die Bilder Casper David Friedrichs. Der Mensch in mitten der großen Natur, hier oft noch verbunden mit der gedachten Traditionslinie von 1000 Jahren (Heimat)Geschichte. Ähnliche Bilder sind teilweise im Gothic- und Metalbereich zu finden. Woher kommt diese Sehnsucht?
 
                                   
Ja, beim Anblick dieser Profile wird schnell klar, d. die Stilepoche der deutschen Romantik zu einem der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte gehört. Ebenso aber auch die deutsche Wandervogelbewegung und andere Lebensreformbewegungen zu Beginn des 20 Jahrhunderts. Auch die Beschäftigung mit frühen Formen bündischer Gruppierungen findet sich immer wieder. Ich will aber betonen, dass diese Beschäftigung hier doch ein eindeutig ideologischen Determination unterliegt: Da wird ein inszenierter und zum Mythos „verkitschter“ Naturraum gegen eine Vorstellung von Moderne in Stellung gebracht, die hier wiederum all das verkörpert, was die „Identitäre Bewegung“ ablehnt. 
Diese „Inszenierung“ von Natur will hier natürlich Ideologie als etwas natürliches erscheinen lassen und es gilt, meiner Meinung nach, grade deswegen immer wieder darauf zu verweisen, dass diese Vorstellung von Natur letztlich primär Produkt reaktionärer Wunschträume ist.
 
Es kann deswegen auch nicht verwundern, dass sich diese Inszenierung ganz im Gestus von Carl Schmitt und dessen Vorstellung der Einheit von Ortung und Ordnung vollzieht. Der Idee nach ist eine konkrete gesellschaftliche Ordnung hier immer von einer konkreten, zumeist geographisch fixierbaren, Ortung abhäng.
Ich denke, es ist grade diese mythologische Verklärung des Naturraums, indem die „Identitären“ eigentlich am offensivsten ihr völkisches Gesicht zu Tage tragen.
Ich habe zu diesem Zusammenhang auf dem Blog vor einiger Zeit einen längeren Text unter dem Titel Weltschschmerz, Wälder, weiße Rasse geschrieben. Er weitet einige der obigen Argumente noch aus.
 
Ich würde deswegen auch nicht das Wort „Sehnsucht“ verwenden, denn vielmehr dazu übergehen, hier von einer klaren Position des „Hasses“ zu sprechen. Einem Hass auf die von ihnen als vollkommen zerstörerisch imaginierte „Moderne“.
 
Aber auch der, von dir bereits angesprochene, subkulturelle Bezugsrahmen ist hier sicher evident. Im Genre des „Gothic“ gibt es seit den 1980er Jahren eine Spielart die sich „Neofolk“ nennt. Viele Kader der „Identitären“ sind große Fans dieser Musik. Im Besonderen deren deutschen Vertretern. Immer wieder finden sich zum Beispiel umfangreiche Texte zu Musik und Musiker*innen oder Akteuer*innen der „Identitären“ versuchen sich in – zumeist eher schlechten – Covern dieser Musikstücke. 
Das Genre des Neofolk ist eben auch primär nicht musikalisch für sie von Interesse, sondern weil in der Musik vieles an Ideologien verhandelt wird. Schon früh finden sich in der Musik Bezüge auf reaktionäre Denker wie Oswald Spengler, Yukio Mishima oder Ernst Jünger
Grade die deutschen Interpret*innen fügten der Musik dann noch eine stark völkische Lesart hinzu. Hier findet sich dann wiederum par exellence die stark ideologisch kontaminierte Verklärung von Natur und einem scheinbar organischen „Heimatboden“, der unmittelbar die Existenz der Menschen prägt. Was natürlich ein völliger Unsinn ist. Beispiele für solche Bands, die auch von den „Identitären“ sehr stark rezipiert werden, sind zum Beispiel die deutsche Gruppe „Darkwood“, der Sänger „Falkenstein“ oder die Band „Forseti“. 
 
 
 
Schaut man sich die Veröffentlichungen und Videos genau an, ist das Themenspektrum eigentlich nicht sonderlich umfangreich. Schlagworte werden immer wieder neu kombiniert und auf tagesaktuelle Thematiken angewendet, eine wirklich tiefgreifende Analyse ist selten zu finden. Martin Sellner glänzt vor allem in seinen Videos oft mit haarsträubend dummen Aussagen, wenn er sich inhaltlich explizit nicht von Neonazis distanziert, die IB aber als stärkste Kraft gegen den Rechtsextremismus bezeichnet oder behauptet, alle Journalist*innen und Historiker*innen wären kommunistisch. Wie ist das intellektuelle Potential der IB einzuschätzen?
 
Die „Identitäre Bewegung“ tut sich sowohl intern als auch extern durchaus schwer damit andere Themen abseits des „Großen Austauschs“ zu besetzen. Öffentlich wurde das sicherlich zuletzt bei der dilletantischen Aktion vor dem deutschen Justizministerium deutlich, die nicht nur unglaublich schlecht ausgeführt wurde, sondern vielmehr auch inhaltlich vollkommen undurchdacht erschien. Dass die „Identitären“ auf einmal „Innenpolitik“ betreiben wollten, erschien mehr als nur obskur. 
Es gab in den letzten Jahren immer wieder Aktionen, bei denen „Identitäre Gruppen“ versuchten auch andere Themen zu besetzen. Große Resonanz fanden diese aber nie. 
 
Es ist die größte Stärke und Schwäche zugleich, dass die „Identitäre Bewegung“ sich auf ein Thema so stark fokussiert und auch zum Teil selbst reduziert. Einerseits bietet ihre wahnhafte Vorstellung eines sich gerade vollziehenden „Bevölkerungsaustauschs“, den es gilt mit allen Mitteln zu verhindern, eine starke Basis, auf die sich viele ihrer Aktivist*innen einigen können. Das ist sozusagen der Minimalkonsens. 
Auf der anderen Seite aber, ist dieser Minimalkonsens vielfach auch das Einzige, auf das sich geeinigt werden kann. Grade in der österreichischen Gruppe waren diese ideologischen Differenzen so offensichtlich und groß, dass der ehemalige Leiter der „Identitären“, Alexander Markovics, erst in eine obskure Theorie-AG verbannt wurde, bis er gänzlich den Hut warf, um sich nun wieder in der studentischen Organisation der FPÖ zu engagieren. Dies war sicherlich ein persönlicher Konflikt, aber eben auch einer der viel damit zusammenhing, dass Markovics ideologisch immer viel umfassendere Agenden auf die Fahnen der „Identitären“ schreiben wollte, als zum Beispiel Martin Sellner. 
Die „Identitäre Bewegung“ profitiert vielfach davon, dass sie als „Single-Issue“ Organisation wahrgenommen wird. Letztlich kann die Parole, dass sich erst um den „Großen Austausch“ gekümmert werden muss und um alles Andere danach im Anschluss, eben auch sehr gut darüber hinwegtäuschen, dass sich über dieses „Andere“ in den eigenen Reihen noch gar nicht soviel an Gedanken gemacht wurde, beziehungsweise gar Einigkeit besteht.
 
Die „Identitäre Bewegung“ produziert – und hier sollten wir uns nicht von den vielen Vlogs Sellners täuschen lassen – recht wenig an eigenen ideologischen Traktaten. Wichtigste Fixierpunkte sind hier immer noch die Texte des „IfS“ und dessen Autor*innen. Es ist gradezu frappierend, dass in ihren eigenen Traktaten oftmals eine krude und für Rechtsextreme doch sehr typische Mischung aus verschiedenen Verschwörungstheorien, antisemitischen Klischees und maskulinistischen Gewaltfantasien vorherrscht. Im Besonderen eben denen, die nicht von den im medialen Fokus stehenden Kadern aufgesetzt werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist sicherlich das aus Deutschland stammende und geleakte Strategiepapier [hier der vollständige Download] der „Identitären Bewegung“, indem ja diese „Verschwörung der Stalinisten in der BRD“ und ähnliche Phantasmen eingestreut werden. Hier sind sie eben doch klassische „Kinder“ des Rechtsextremismus.
Ich möchte mich aber abschließend einer Position dezidiert verschließen, die meiner Meinung nach impliziert in der Frage nach dem „intellektuellen Potential“ der „Identitären“ mitschwenkt: Wir müssen ein für alle Mal mit dem Mythos brechen, dass es sich bei Rechtsextremen um scheinbar „minderbemittelte“ Personen handelt. Grade der Rechtsextremismus in Österreich war immer auch ein Phänomen, dass maßgeblich durch akademisch gebildete Eliten getragen wurde und wird. Auch die „Identitären“ verfügen – bedingt durch ihre burschenschaftlichen Netzwerke – über eine nicht geringe Anzahl von Aktivist*innen aus dem akademischen Milieu und mit hohem formalen Bildungsniveau. Dennoch: Sie vertreten letztlich eine Ideologie, die auf der Ungleichheit der Menschen beruht und daraus tödliche Konsequenzen zieht. Eine solche Ideologie kann „intellektuell“ begründet werden, sie wird dadurch aber nicht intellektuell, sondern bleibt letztlich nur Eines: Menschenverachtend. 
 
 
Kommen wir zu den Kadern und der Struktur der IB. In Österreich hat nach außen ganz klar Sellner das Sagen, auch in Deutschland ist er immer wieder für Aktionen mehrere Tage in den entsprechenden Städten. Es gibt Regionalstrukturen wie zum Beispiel Kontrakultur/Halle. Teilweise kommen die Personen aus Kameradschaftsumfeldern, in Österreich gibt es Verbindungen zu Burschenschaften. Wie ist die IB strukturiert und wie funktioniert die Koordination?
 
 
Ich würde hier vor dem Fehlschluss warnen, Martin Sellner als „Führungsfigur“ zu verabsolutieren. Ja, Martin Sellner ist das mediale Gesicht der „Identitären“ und wird, grade auch abseits der eigenen Szene, medial als Sprecher der deutschsprachigen „Identitären“ inszeniert. Hier sind sich dann die Blaue Narzisse, über die Szession bis zum Spiegel auch alle einig. Obwohl es organisatorisch eine solche Funktion gar nicht gibt und Sellner in Deutschland selbst auch gar keine „offizielle“ Funktion bekleidet. 
Auch, wenn vieles an Struktur und öffentlicher Inszenierung an die Person Martin Sellner gebunden ist, wäre es meiner Meinung nach falsch zu sagen, er allein „habe das Sagen“. Es gibt in Österreich neben ihm durchaus andere Kader, die alle gewisse eigenständige Einflussbereiche haben. Martin Sellner ist hier vielfach auch das Ergebnis der Arbeit dieser Kader und ihrer Gruppen. Zum Anderen aber gibt es grade im ländlichen Raum Österreichs Gruppen, wie zum Beispiel die IB Steiermark, denen es in den letzten Monaten gelungen ist, ein eigenständiges Profil innerhalb der „Identitären“ herauszubilden und ganz andere Personen und Personengruppen in die Organsaition einzubinden. In der Steiermark zum Beispiel bedient die „Identitäre Bewegung“ weitaus stärker völkische Klischees und ist strukturell abseits der Städte durchaus gut aufgestellt. Was auch daran liegt, dass sie hier mit dubiosen Heimatvereinen und anderen eher reaktionären Gruppen durchaus Synergien entfaltet hat. Das sind aber letztlich auch Strukturen, auf die Sellner nur begrenzt Einfluss hat.
In Deutschland würde ich vor allem die, von euch bereits erwähnte Gruppe „Kontra Kultur“ in Halle hervorheben, die mit ihrem viel subkulturell orientierten Auftreten ein eigenständiges Profil als Gruppe herstellen und verbreiten konnte. Es kann deswegen auch nicht verwundern, dass parallel zu Martin Sellner ein Kader aus Halle, Mario Müller, zur Zeit ein Buch über die „Identitäre Bewegung“ schreibt. 
Grundsätzlich kann deswegen wohl festgehalten werden: Die „Identitäre Bewegung“ wäre ohne Personen wie Sellner derzeit nicht auf dem Stand der Entwicklung, den sie aktuell hat. Allerdings davon auszugehen, dass mit einem Wegfallen der Figur Sellner auch die „IB“ Geschichte wäre, halte ich allerdings für falsch. 
 
In Deutschland hat das bereits von mir zuvor erwähnte Strategiepapier der „Identitären Bewegung“ einen recht umfassenden Einblick in ihren Aufbau gewährt. Ohne das jetzt in allen Details auszuformulieren: Für Wundern sorgte inhaltlich in diesen Papieren wenig. Die „Identitäre Bewegung“ ist straff hierarchisch organisiert. Alles, was irgendwie an die Öffentlichkeit gelangen soll, muss vorher groß mit führenden Kadern abgeklärt werden. Selbst kleinere Aktionen werden in dem Papier detailreich beschreiben und unterliegen wiederum in der Verantwortung einzelnen verdienten Kadern. 
In Österreich gab es zuletzt die Versuche einzelne Bereiche des Aktivismus in verschiedenen „Arbeitsgemeinschaften“ auszulagern. Letztlich kann hier aber die Hypothese aufgestellt werden, dass diese Gruppen primär dazu dienten, „alten Kadern“ irgendwelche Posten zu verschaffen. 
Das alles ist letztlich für eine rechtsextreme Organisation auch nichts Besonderes. Verwundert hätte hier eher, wenn die Neo-Faschist*innen auf einmal die Basisdemokratie für sich entdeckt hätten. 
Was die Struktur der „Identitären“ aber dennoch besonders macht, ist der Moment, dass gerade auch ihre führenden Kader derzeit versuchen finanziell irgendwie aus dem Projekt Geld oder Prestige zu holen. Sei es der große Webshop Phalanx Europa, der weitaus kleinere IB-Laden oder das Veröffentlichen von Büchern, die die junge Bewegung retroperspektivisch verhandeln. Was oftmals lächerlich anmutet ist letztlich eben auch ein Moment der alte Kader an die Bewegung bindet.
 
 
 

Die IB versucht sich immer wieder nach ganz rechts abzugrenzen. Der III. Weg hat die IB in einem Artikel hart angegriffen, für die klischeehaften Stiefelnazis scheint sie nur bedingt interessant zu sein. Wie rechts ist die IB in diesem Kontext einzuordnen?

 
Ich tue mich schwer mit der Einordung, wie „Rechts“ die „Identitären“ sind, da eine dergestalte Einordung irgendwie eine Skalierung vorraussetzt, die wiederum so gelesen könnte, dass eine Organisation, die scheinbar „weniger rechts“ ist, als die Andere, zugleich auch weniger gefährlich sei. Ein Gleiches gilt für mich für den Begriff „Neurechts“, der zwar in Deutschland durchaus noch eine größere inhaltliche Tiefe besitzt als in Österreich, zugleich aber immer auch eine Skalierung zwischen scheinbaren Extremen nahelegt. Zumal ich vielfach im deutschsprachigen Diskurs das Gefühl habe, dass alles, was nicht direkt eine Mitgliedsnummer der NSDAP hatte, als „Neurechts“ gilt. 
 
Die „Identitäre Bewegung“ in Österreich bedient sich klar faschistischer Ideologien, nimmt starken Bezug auf eben diese und preist sie prominent in Bildern, Stickern und allerlei anderen medialen Artefakten. Auch deswegen, aber nicht nur allein deswegen, würde ich für die „Identitäre Bewegung Österreich“ die Einordnung „Neofaschistisch“ vorziehen. Für deutsche Gruppen gestaltet sich das etwas schwieriger. Fakt ist aber, dass die „Identitäre Bewegung“ ganz eindeutig im Spektrum des gewaltbereiten außerparlamentarischen Rechtsextremismus zu verorten ist. Immer wieder haben sie in den letzten Jahren bewiesen, dass nicht nur ihre Ideologie der Gewalt frönt und huldigt, sondern ihre Kader immer wieder dazu bereit sind dem vermeintlich politischen Gegner*innen körperlichen Schaden zuzufügen. Ich würde deswegen an dieser Stelle auch stark dafür eintreten, nicht darüber zu diskutieren, wie vermeintlich „Rechts“ die „Identitären“ sind, sondern vielmehr diese stete ideologische und reale Bereitschaft zur gewaltsamen Entgrenzung betonen. 
 
Und ja, dass Auftreten der „Identitären Bewegung“ hat unter anderen rechtsextremen Gruppen immer mal wieder für Unmut gesorgt. Ähnliche Anfeindungen lassen sich auf österreichischer Seite zwischen „Identitärer Bewegung“ und der eindeutig neonazistischen Gruppe Unwiderstehlich nachweisen. Ihre Abgrenzung zum historischen Nationalsozialismus ist eben logischerweise ein Moment, mit dem sie sich nicht nur Freund*innen im eigenen Lager machen. 
Auf der anderen Seite und diese Diskussion halte ich für viel gefährlicher, können wir derzeit beobachten, wie vermeintliche Aketeur*innen des Konservatismus versuchen Momente reaktionärer Ideologien, wie sie sich zum Beispiel die „Identitären“ zu Nutze machen, gegen diese „verteidigen“. Hier wird dann vielfach als Distinktionsmerkmal eine vermeintliche Grenze zum völkischen gezogen, in der die „Junge Freiheit“ aus scheinbar logischen Gründen, wieder auf der Seite eines „guten Konservatismus“ steht, weil sie angeblich sich von den „Völkischen“ abgrenzt.
Egal, wie differenziert rechtsextreme Organisationen und Einzelpersonen sich geben, in den letzten Jahren haben wir vielfach beobachten können, wie der Hass und der Kampf gegen ein Ideal der Gleichheit der Menschen diese Akteuer*innen unter gemeinsamen Fahnen geeint hat. Da hat dann auch ein „ganz rechtsstehender“ Götz Kubitschek für die „Junge Freiheit“ lange Zeit schreiben dürfen.
Die Auseinandersetzung mit Rechtsextremen darf und kann meiner Meinung nach nicht in einer Skalierung eben dieser bestehen, sondern kann nur fundamentale Kritik an der sie einenden Ideologie sein.
 
In Österreich und inzwischen auch in Deutschland sind immer mehr Parteikontakte zu FPÖ bzw. AfD dokumentiert. Wie ist das zu werten und welche Rolle spielen die Pateien und die IB in den Augen der jeweils anderen?
 
Obwohl sowohl „FPÖ“, als auch „AfD“ immer wieder mit durchaus gemischten Statements Stellung zu den verschiedenen „identitären“ Gruppen nehmen, sind die Verbindungen, personellen Überschneidungen und Netzwerke wohl unübersehbar. Seien es die diversen Kader aus Deutschland, die zugleich in der „Identitären Bewegung“ und der „AfD“, beziehungsweise der Jungen Alternative tätig sind. Gerade auch durch die sich überschneidenden Netzwerke zwischen den rechtsextremen Parteien, rechtsextremen Burschenschaften und der „Identitären Bewegung“ werden diese Verbindungslinien nochmal umso deutlicher. Grade in Österreich zeigte der aktuelle Wahlkampf der Österreichischen Höcherschlüer*innenschaft, dass ein Engagement in der „Identitären Bewegung“ nicht das Ende einer rechtsextremen Karriere ist, sondern vielfach eher ihr Anfang. Ich spreche hiervom vorher erwähnten Wechsel Markovics zur studentischen FPÖ-Vorfeldorganisation RFS (Ring Freiheitlicher Studenten).
Grade für die „AfD“ sind die von „Ein Prozent“ mit Unterstützung „identitärer“ Aktivist*innen durchgeführten „Wahlbeobachtungen“ ein nützliches Mittel, um gezielt Stimmung gegen eine parlamentarische Demokratie, wie die Bundesrepublik Deutschland eine darstellt, zu machen. Und auch im österreichischen Bundespräsidentenwahlkampf zeigte sich, dass „Identitäre“, wie Alexander Markovics gerne helfend anpacken dürfen.
 
Auch dem bereits erwähnten rechtsextreme Vernetzungskongress in Linz wurde maßgeblich politisch von der FPÖ der Rücken gedeckt und ihr Generelsekretär, Herbert Kickl, trat sogar als Gastredner in Erscheinung. Der parlamentarische und außerparlamentarische Rechtsextremismus arbeiten hier grade aktuell mehr als gut zusammen. Am Rande sei hier auch noch bemerkt, dass der Kongress nur mit Unterstützung der christlich-konservativen ÖVP stattfinden konnte, deren studentischer Ableger AG (Aktionsgemeinschaft) zuletzt durch antisemitische und antimuslimische Verhetzungen auffiel.
Und letztlich muss ich hier ein Argument vom Beginn dieses Interviews nochmals ausweiten: Anders als zum Beispiel dezidiert neonazistische Gruppen geht es der „Identitären Bewegung“ nicht um einen völligen Umwurf gesellschaftlicher Ordnung. Vielmehr um eine Stärkung rechtsextremer Ideologie im Rahmen der bestehenden herrschaftlichen Ordnung. In diesem Sinne sind sie dann letztens auch mehr als gute Verbündete. 
Nicht unerwähnt bleiben darf und muss an dieser Stelle aber eben auch, dass rechtsextreme Parteien immer schon einen Rückzugsraum für außerparlamentarische Aktivist*innen darstellen. Fraktionen und deren Abgeordnete konnten Jobs verschaffen und dergestalt Existenzen sichern, die es so sicherlich, auch wegen ihrer rechtsextremen Karriere, arbeitstechnisch äußerst schwer hätten. In Österreich nimmt die FPÖ seit langem diese Position ein. In Deutschland können wir grade mit dem Aufkommen und der Etablierung der „AfD“ eben ähnliches feststellen. Eine „AfD“-Fraktion im Bundestag wird hier sicherlich nochmal sehr spannend in der Analyse. 
 
 
 
Sellner und andere sind immer wieder im „Institut für Staatspolitik“ bei Götz Kubitschek in Schnellroda zu Gast und bekommen dort Schulungen und Unterstützung. Wie sieht seine Position aus und wie viel Einfluss hat er?
 
An das „Institut für Staatspolitik“ („IfS“) waren auch schon vor dem großen medialen „Hype“ um die „Identitäre Bewegung“ Personen angeschlossen, die für die Entwicklung der „Identitären Bewegung“ im deutschsprachigen Raum von enormer Bedeutung sind. Allen voran sicherlich Martin „Lichtmesz“ Semlitsch der schon seit Jahren für die „Sezession“ schreibt und für das „IfS“ aktiv war und der, grade auch durch seinen Umzog von Berlin nach Wien bedingt, sicherlich einer der wichtigsten Stichwortgeber und Übersetzer für die „Identitäre Bewegung“ ist und auch starken Einfluss auf sie als Organisation hat. 
Auf der anderen Seite finden sich aber auch schon früh beim „IfS“ solche Akteure, wie Nils Wegner und Felix Menzel, die mittlerweile ja am besten unter dem durchaus flappsigen Begriff „Identitäre-Fan-Boys“ zusammengefasst werden können.
 
Die Position von Götz Kubitschek ist in diesem Netzwerk sicherlich eine, die am schwierigsten zu bewerten ist. Wahrscheinlich auch deswegen, weil Kubitschek mit seiner „Konservativ Subersiven Aktion“ schon Jahre vor Aufkommen der „Identitären“ versuchte mit ähnlichen Methoden für Aufmerksamkeit zu sorgen und hier mehr als kläglich scheiterte. Wie sehr Kubitschek mit Formen rechtsextremer Organisation hardert, die nicht ihn als großen Denker anerkennt, wird gerade in dem Gesprächsband Tristesse Droite sehr deutlich.
Dennoch ist das Verhältnis von Götz Kubitschek und Martin Sellner sicherlich die wichtigste und interessanteste Verbindung. Hier ist es letztlich zwei narzistischen Persönlichkeiten gelungen in Zusammenarbeit etwas zu erschaffen, dass größer ist, als die Summe der einzelnen Teile.
 
Es war Sellner, der Kubitscheks Unternehmen und Auftreten in die Welt der Vlogs, des digitalen Marketing und Co. überführte, und eben auch Sellner, der maßgeblich dafür sorgte, dass das „IfS“ als wichtigster Schulungsort der „Identitären Bewegung“ im deutschsprachigen Raum etabliert wurde. Es muss an dieser Stelle nicht sonderlich groß erwähnt werden, was das primäre Resultat dieser Entwicklungen war: Mehr Kundschaft für den Geschäftsman Kubitschek. Aktuelle Videos von „Akademien“ in Schnellroda zeigen deswegen auch meiner Meinung nach immer primär Eines: Was für ein großes Geschäft diese Akademien für Kubitschek sind. 
 
Auf der anderen Seite ermöglichte Kubitschek der „Identitären Bewegung“ schnell und unkompliziert Vertriebs-und Publikationswege, auf denen die sie eine, für eine solche junge Gruppe durchaus ungewöhnlich große, Anzahl an Menschen erreichen konnten. 
Dennoch bleibt eines: Kubitschek konnte sich, trotz seiner Bemühungen sich zum großen Akteur der außerparlamentarischen Rechten aufzuschwingen, nie vollends zur großen Führungsfigur generieren. Ein Briefwechsel mit Armin Nassehi und ein paar übertrieben seiner eigenen Inszenierung huldigende Print- und Fernsehreportagen mochten zwar kurzzeitig darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei Kubitschek um einen geistigen Zwerg handelt, gebracht hat ihm dies, außer einer treuen Schar „Identitärer Jünger“, aber letztlich reichlich wenig.
Es ist deswegen umso logischer, dass Kubitschek sich in seinem Narzismus denen zuwendet, von denen er weiß, dass sie keine Widerworte für ihn haben: Den „Identitären“.
 
 
Was funktioniert gegen die IB? Wie kann gegen sie vorgegangen werden? Ideologisch ist sie ja schon vielfach analysiert und angegriffen worden.
 
Auf solche Fragen kann und will ich hier keine scheinbar endgültige Antwort geben. Die Auseinandersetzung und das Engagment gegen rechtsextreme Organisationen und Akteuer*innen hängt meiner Meinung nach immer auch maßgeblich mit lokalen Gegebenheiten zusammen. Ich denke und ich weiß, dass es hier in Deutschland und Österreich grade aktuell sehr viele Gruppen und Personen gibt, die hervorragende Arbeit leisten. Und ich kann hier nur sagen: Seit solidarisch zueinander und unterstützt euch, damit diese Arbeit weitergehen kann!
 
 
Welches Potential hat die IB? In Teilen macht es den Eindruck, dass sie – überspitzt formuliert – nur eine rebellische Phase um die 20 abgreift. Wenn die Leute dann aber in den Ernst des Lebens kommen, keine Zeit mehr haben, da die Miete irgendwie reinkommen muss.
 
Ich halte es für einen grundsätzlichen Fehler Rechtsextremismus als ein Phänomen der Jugend zu begreifen. Etwas, dass sich sozusagen „auswächst“. Ja, Menschen, die irgendwann eine Familie versorgen müssen, tun sich vielleicht schwerer damit jedes Wochenende in einer Stadt auf eine Demonstration zu fahren. Ihre Gesinnung aber ändert sich letztlich nicht! So kommt es dann, dass sie sich vielleicht im zunehmenden Alter im Wahlkampf für Björn Höcke einsetzen oder doch lieber den jungen Aktivist*innen der „Identitären“ einen Teil des Monatslohns spenden. Wie gut eben so was funktioniert, zeigt sich in Österreich wohl recht exemplarisch an den rechtsextremen Burschenschaften.
Statistisch gesehen sind Ideologien, die maßgeblich auf der Ungleichheit der Menschen gründen, im zunehmenden Alter sogar verbreiteter und vor allem verfestigter. Ich würde auch deswegen immer dazu übergehen Rechtsextremismus als ein gesamtgesellschaftliches und alle Schichten, Altersgruppen und dergleichen zutiefst prägendes Konglomorat an Ideologien zu definieren. Rechtsextremismus bleibt in seinem Moment der autoritären Rebellion auch keine Rebellion gegen „vermeintlich“ Ältere, denn vielmehr einen gesellschaftlichen Status Quo und diese vermeintliche Rebellion eint. Eben auch, weil sie als Eintrittskarte nicht das Tickt „Jugend“ bedarf, denn vielmehr das Ticket des Hasses. 
 
 
Noch irgendetwas, dass in der Betrachtung der IB zu kurz kommt?
 
 
Es gibt sicherlich vieles, was interessant ist sich anzuschauen und sicherlich auch ganz viele Dinge, die ich hier trotz der Ausführlichkeit meiner Antworten vergessen haben. Deswegen würde ich gerne etwas anbieten und zwar: Liebe Leute, die ihr diesen Text bis hierhin verfolgt habt. Ich würde mich über Fragen, Erweiterungen, Anmerkungen, Kritik, Einwände und Dergleichen sehr freuen! Entweder bei twitter.com/menschmerz oder Mail vonnichtsgewusst@gmx.at

Wie viele Leute werden es in Berlin sein?
 
Ich bin leider kein Hellseher. Da die Demonstration in Berlin aber für die deutschsprachige „Identitäre Bewegung“ das einzige große und internationale Event ist, muss leider davon ausgegangen werden, dass sie dieses Jahr mehr Menschen mobilisieren werden können, als bei ihrem ersten Versuch in Berlin eine Demonstration durchzuführen. Sicherlich werden diverse Personen aus Österreich und andere Kader aus dem benachbarten Ausland anreisen. Hierfür spricht auch, dass sich einzelne Gruppen der „Identitären Bewegung“ im Vorfeld durchaus exzessiv international vernetzt haben. Auch wird das Event in Berlin wohl das Ereignis für alle neuen und alten deutschen Gruppen sein. Und leider sind diese ja in den letzten Jahren nicht gerade weniger geworden. Ich würde an dieser Stelle also davor warnen, ihr Mobilisierungspotential zu unterschätzen, allerdings auch nicht ihren eigenen Lügen auf den Leim zu gehen. Mit mehreren tausenden werden sie wohl nicht durch Berlin spazieren.