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Die Vergesslichkeit der Deutschen

Letztens schrieb uns ein Leser anlässlich eines Posts über die AfD, ob man denn noch überhaupt die AfD auseinandernehmen müsste. Tatsächlich muss man das auch eigentlich nicht mehr. Es ist schon längst bekannt, wofür diese Partei steht und was ihre einzelnen Mitglieder so von sich geben. Vom Nachwuchs-Fascho Höcke über Beatrix „ich schieße auch auf Kinder“ von Storch bis hin zum Rassisten-Opa Gauland. Sie alle haben schon lange gezeigt, wofür sie stehen. Dies wurde bereits vielfach analysiert und sollte weder die Gegner*innen noch die Befürworter*innen der AfD überraschen.
So ist es mit den meisten dieser Themengebiete. Es ist bekannt, warum die IB nur eine „Blut und Boden“ Gemeinschaft mit schlechten Haarschnitten ist, PEGIDA keine „Islamkritiker*innen“ sind und Kubitschek kein neurechter Intellektueller ist. Warum machen wir das also weiterhin? Warum schreiben wir weiter Analysen und bekämpfen sie, wo es nur geht? Es liegt schlicht daran, dass es nach wie vor notwendig ist. 
Im besten Fall zieht mediale Aufmerksamkeit irgendwelche Konsequenzen nach sich. Jemand wird aus einer Partei geworfen bzw. tritt zurück, z.B. bei der causa Poggenburg. In den meisten Fällen passiert aber nichts. Ein Selbstreinigungsprozess innerhalb der AfD oder anderen Organisationen fand nicht statt. Dafür werden sie aber nicht etwa verurteilt, sondern werden gar in den Bundestag gewählt und laufen mit hunderten anderer Idiot*innen im Kreis und brüllen gegen eine angebliche  „Islamisierung“ an. 
Vergessen um des Vergessens willen
Wie aber ist zu erklären, dass sie das immer noch tun? Sind sie alle begeistert vom Gedanken eines neuen Faschismus? Kann man da alles immer noch auf Angst und Protest gegen „die da oben“ schieben? Nicht jede*r Anhänger*in dieser Organisationen ist ein Fascho. Aber sie machen sich mit Faschos gemein. Die Rezeption des medialen Echos wird dabei entweder komplett negiert („Lügenpresse“) oder es kommt eine besonders deutsche Eigenschaft zum Vorschein – die Vergesslichkeit.
Wie ist es anders zu erklären, dass das Medienspiel, das sich seit Jahren auf unterschiedlichen Kanälen hinwegzieht, keine Wirkung auf diese Klientel zeigt? In der Echokammer der Rechten werden gerne Meldungen gebracht, die schon Jahre oder Jahrzehnte alt sind. Da haben sie ein gutes Erinnerungsvermögen. Da werden schließlich all ihre Vorurteile bestätigt. Da kann der Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, etc. sich Bahn brechen. 
Mein Weltbild gehört mir
Wenn aber Nachrichten aufkommen, die nicht in die eigene Filterblase passen, werden sie entweder negiert oder sie werden nach kürzester Zeit wieder aus dem Gedächtnis gedrängt. Für einfache Weltbilder gibt es nun mal nur einfache Erklärungen. Da ist halt der Ausländer an den Zuständen in dieser Welt schuld. Da taucht kein Jeff Bezos oder die Steuerhinterziehung, die durch die Panama Papers  aufgedeckt wurden, auf. Kritik an den Zuständen endet beim „die Islamisten vergewaltigen unsere Frauen“. Die Kapitalismuskritik endet zumeist in antisemitischen Verschwörungstheorien. 
Dabei spielt das Ausblenden der negativen Meldungen für die eigene Meinung eine große Rolle. Nur so kann das eigene Weltbild aufrecht erhalten werden. Das Weltbild beruht eben nicht auf einer kritischen Analyse, sondern einem Haufen Rassismus gepaart mit einem Hass „auf die da oben“. Das eigene Medienverständnis ist darauf fixiert, die eigene Meinung bestätigt zu bekommen. Abweichungen davon werden als lästige Störungen wahrgenommen und so ganz schnell wieder verdrängt.
Die Echokammer funktioniert. Und damit sie auch weiter funktioniert, wird sie von den Medienschaffenden der Rechten auch weiter befeuert. Dabei ist es völlig egal, ob diese Storys erlogen oder uralt sind. Hauptsache das Weltbild stimmt. Dabei ist das schlechte Gedächtnis ihrer Fanbasis ihr bester Freund. Um das zu verdrängen, was nicht in das eigene Weltbild passt, wird das gierig aufgesogen, was ihr eigenes Weltbild bestätigt. Denn wie damals kann man dann dank des schlechten deutschen Gedächtnis wieder sagen: wir haben von nix gewusst. Wir haben nix davon gewusst, als wieder Mollis auf Unterkünfte für Flüchtlinge flogen. Wir haben nix davon gewusst, dass schwangere schwarze Frauen zusammengeschlagen werden. Wir haben nix davon gewusst, dass Faschos wieder durch die Straßen marschieren. Aber natürlich haben sie davon gewusst. Sie haben es ja sogar noch gefeiert. Sie haben ja noch gegröhlt. Nur nach dem kollektiven Gedächtnisverlust folgt dann ja wieder das kollektive Jammern der Deutschen.

Erlebnisbericht zu Rock am Ring und der Terrorwarnung

von Tom Lewis

Das Thema wurde im Netz ja von vorne bis hinten ordentlich diskutiert und alles und jede/r sah sich gezwungen seinen/ihren Senf dazu zu geben. Was dabei zu wenig gehört wurde: Die Leute, die dabei waren Dabei sollte man gerade denen zuhören, um ein gutes Bild zu bekommen.

Nun trifft es sich, dass ich selbst dabei war. Schön weit vorne bei den Broilers an der Hauptstage, als die Veranstaltung unterbrochen werden musste.

Zum Ablauf

Auch wenn sich der Veranstalter Lieberberg offenbar sehr darüber aufgeregt hat, dass die Polizei das Gelände räumen lassen wollte, fand ich persönlich dass das richtig war. Wie ich heute (nach Tagen ohne Internet) gelesen habe, gab es eine reelle Bedrohung und Festnahmen.

Auch die Security auf dem Gelände hat sich gut verhalten und alle ganz ruhig nach draußen geleitet. Die Securities waren aber eh verdammt cool drauf. An der Stelle also mal ein Lob an diese Leute!

Die Räumung selbst war dann absolut ruhig. Nach dem ersten Schock wandten sich alle langsam Richtung Ausgänge (bzw. zum nächsten Bierzelt; könnte ja das letzte Bier sein) und verließen das Gelände. Die meisten Leute waren enttäuscht. Wirklich jemanden mit Angst im Gesicht habe ich kaum gesehen. Viele sangen dabei und es sah nicht aus, als hätten wir gerade eine Terrorwarnung bekommen. Eher als sei gerade ein Konzert zu Ende gegangen.

An dieser Stelle muss ich jetzt auch die Band Broilers loben, denn die haben das Ganze einfach nur souverän gemeistert. Der Sänger Sammy wurde zweimal Backstage gerufen und die Band spielte instrumental weiter. Ich gehe also davon aus, dass die Veranstalter ihm bereits vorher Bescheid gegeben haben. Das letzte Lied, das vor dem Abbruch gespielt wurde, war dann ein langsames Lied, in dem es darum geht, wie wir derer gedenken, die von uns gegangen sind (Broilers – „Ihr da oben)“. Das war kein Zufall und es war gut ausgesucht.

Wir waren also schon, was die Stimmung angeht ruhiger, als wenn man vorher einen Song gespielt hätte, zu dem man nen ordentlichen Moshpit eröffnet hätte. Diese Gelassenheit verflog auch nicht, als wieder alle auf den Zeltplätzen ankamen. Dort wurde weitergefeiert und Lauter Grüppchen zogen mit eilig gebastelten „Saufen gegen Terror“ Schildern umher.

Die Berichterstattung

Als ich mir dann am nächsten Morgen mühsam einen Platz mit Internetverbindung gesucht hatte, las ich dann u.a. die Artikel von der Welt und vom Focus. Schlechte Quellenwahl für solche Themen. In den Kommentaren wütete „das Folk“™ und ich habe nach kurzem counter-pöbeln mein Handy wieder ausgemacht. Konnte mir den rechten Auflauf nicht geben und habe mich meinem Frühstücksbier gewidmet.

Die mediale Berichterstattung insgesamt, auch jetzt noch einmal nachträglich betrachtet, fand ich persönlich viel zu reißerisch. Wenn man sich den Welt Artikel und die Schlagzeile dazu durchliest, vermutet man eine Massenpanik. Das Ganze wurde dann schön hochgeschaukelt und scheinbar haben sich wieder alle den Mund fusselig geredet, während wir am Ring einfach gechillt weiter gefeiert haben.

Natürlich muss darüber berichtet werden. Aber man hätte das ganze auch ohne reißerische Titel machen können. Hier appelliere ich an journalistische Sorgfaltspflicht. Wir auf den Zeltplätzen waren einfach mal weitaus ruhiger und gelassener, als alle, die an ihren Computern saßen und da irgendeinen Müll in die Tastatur gekloppt haben.

Wie gesagt, die meisten waren einfach enttäuscht. Vor allem weil Rammstein nicht spielen konnte, viele jedoch genau für diese Band überhaupt gekommen sind.

Die Zeit danach

Was macht man nach einem Terroralarm?
Es muss weitergehen. Immer. Und genau das ist passiert. Wir saßen morgens auf dem Zeltplatz und haben auf die Nachricht gewartet, dass es weitergeht. Die Broilers wurden dann Samstag Abend nochmal für eine Stunde ins Programm eingeschoben und am Sonntag spielte auch Marteria, dessen Show ebenfalls ausfiel, für eine Stunde. Und das obwohl er Abends dann, vier Stunden später, bei Rock im Park aufgetreten ist. Respekt also an alle, die das möglich gemacht haben, dass wenigstens diese beiden noch auftreten konnten.

Auch hier wieder spezielles Lob an die Broilers. Am Tag nach dem Abbruch haben zwar viele Künstler etwas dazu gesagt (Ingo von den Donots und Campino von den Toten Hosen z.B.) und dabei fand ich das, was Sammy von den Broilers zu sagen hatte verdammt gut formuliert und sehr wichtig:(https://www.youtube.com/watch?v=yQJIsoCXANw ab 03:38)

Heute habe ich mich dann mit allen möglichen Leuten auseinandergesetzt, die nicht dabei waren, aber meinten das ganze für ihren rassistischen Dreck instrumentalisieren zu müssen. Schlauer bin ich nun, nach Diskussionen mit AfDlern nun nicht. Nur Kopfschmerzen habe ich. Ich kann es einfach nicht lassen denen zu widersprechen. Auch wenn es mühsam ist, muss es doch sein…