Bislang war ich bei jeder Wahl. Immer brav Kreuzchen gemacht und gespannt auf das Wahlergebnis gewartet. Dabei hab ich noch nie geglaubt, dass die Wahlen tatsächlich etwas ausrichten. Woran das liegt? Parlamentarismus war für mich immer nur ein Ausgeburt von faulen Kompromissen und leeren Versprechungen. Es ging mir immer nur darum das kleinere Übel zu wählen. Zuerst die NPD und andere Rechte und inzwischen die AfD zu verhindern. Continue reading Warum ich nicht mehr wählen gehen werde →
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Linksradikaler Uweltschutz – Probleme und Perspektiven
In der Vergangenheit haben wir bereits einen Text anlässlich des Animal Right Days über Fleischkonsum veröffentlicht (https://rambazamba.blackblogs.org/2017/06/04/animal-rights-day/). Doch nur bei der Reflektion über seinen eigenen Fleischkonsum darf es nicht bleiben. Die Erde erlebt schwierige Zeiten: die Pole schmelzen, immer mehr Schadstoffe werden rausgeblasen, unsere Mitbewohner*innen auf der Erde sterben – und der Mensch stört sich kaum daran.
Vorwort
Die Linken haben sich in der vergangenen Zeit verstärkt mit wichtigen Themen auseinandergesetzt. Der Rechtsruck in der ganzen Welt, Migration, der Kampf gegen Kapitalismus und Repression sowie für die befreite Gesellschaft – dies sind alles Themen, die in der (linken) Öffentklichkeit eine große Rolle einnehmen.
Ein klassisches linkes Thema fällt dabei aber neuerdings immer wieder hintenrüber – der Umweltschutz. Dabei war dieses Thema mal einer der Leitgedanken, der in Deutschland in einer linken und grünen Partei kummulierte.
Seitdem sich diese Partei gründete, ist viel passiert. Es wurden auch einige Fortschritte in der Umweltpolitik gemacht – auch auf internationaler Ebene. Dies ist auch in den Zeiten von Klimawandel, Artensterben, Massentierhaltung, Fukushima-Katastrophe, Diesel-Skandal, erhöhtem CO²-Ausstoß, Massentierhaltung etc. nötig.
Rechte und der Umweltschutz
Auch Rechte machen sich dieses Thema zugänglich. Dieses Thema wird positiv von völkischen Rechten aufgenommen wird à la „Umweltschutz ist Heimatschutz“. Dahinter verbirgt sich jedoch nicht ein primäres Interesse am Umweltschutz, sondern eine „Blut und Boden“-Ideologie. Rasse und ihr angeblich angestammtes Siedlungsgebiet verschmilzt hier zu einer überhöhten Einheit. Gerade von Neuen Rechten wird diese Ideologie wieder neu aufgenommen.
Anders sieht es bei neoliberalen Rechten wie Trump und der AfD aus. Diese leugnen den Klimawandel und Trump gefährdet wissentlich wichtige globale umweltpolitische Ziele. Er steigt aus dem Klimaabkommen aus ohne Folgen fürchten zu müssen. Dafür schiebt er wirtschaftliche Belange vor, da angeblich das Klimaabkommen die Wirtschaft der USA behindert. Gleichzeitig stehen VW-Manager wegen der Diesel-Manipulationen unter Anklage. Aber auch in anderen Ländern mit stramm rechten Regierungen wird der Umweltschutz nicht wirklich ernst genommen.
Alle rechten Ideologien übersehen dabei aber das Umweltschutz nicht an den Landesgrenzen aufhört. CO² oder ein nuklearer Störfall werden sich nicht an den Landesgrenzen in Luft auflösen. Umweltschutz kann nur global angegangen werden. Dies ist zwar eine Binsenweisheit, wird aber nicht von allen so verstanden. Denn selbst wenn der Klimawandel nicht so schlimm ist wie angenommen oder die Massentierhaltung verbessert wird, in einer Welt mit besserer Luft sowie ohne Naturkatastrophen und ohne Massentierhaltung würde es allen besser gehen.
Linke Realitäten und Lösungen
Auch wenn linke Umweltpolitik in der Vergangenheit viel bewegt hat und auch noch weiter bewegt, scheitert sie doch immer wieder an den Realitäten. Jahrelang wurde in Deutschland der Atomausstieg von linker Seite gefordert, umgesetzt hat es dann kurzerhand Merkel nach der Fukushima-Katastrophe. Ähnliche Beispiele lassen sich in der letzten Zeit häufiger finden. Nicht nur in Deutschland sind Parteien, die Umweltschutz groß schreiben, immer mehr in der Opposition und ihre Stimmen werden immer leiser. Die Erfolge, die auf die parlamentarische Arbeit solcher Parteien zurückzuführen sind, bleiben leider zu klein.
Auf linksradikaler Ebene tut sich da schon mehr. Aktionen von „Ende Gelände“ oder anderen zeigen eine spannende Perspektive auf. Auch „alte“ Aktionen wie Proteste gegen Castortransporte zeigen immer noch einen hohen Zulauf. Da muss auch der Weg wieder hingehen. Der Planet lässt sich leider nicht damit retten, wenn Parlamentarier*innen weiter halbherzige Kompromisse schließen. Radikale Lösungen bringen da deutlich mehr.
Auch bürgerliche können sich dieser Form von Protesten anschließen. Militant ist nicht jede Form von radikalen Umweltprotesten, wirksam sind sie aber alle. Sie erregen Aufmerksamkeit, inspirieren andere mögliche Protestierenden und agitieren für die Sache.
Denn da muss es letztlich wieder hingehen – sich verlassen auf die parlamentarische Lösung funktioniert nicht; die Dinge müssen in die eigene Hand genommen werden. Radikaler Protest ist in den heutigen Zeiten bei diesem Thema umso mehr nötig. Überlassen wir dieses wichtige Thema nicht mit einem Achselkzucken den Rechten oder anderen. Dieses Thema muss wieder als das entdeckt werden, was es ist – ein traditionell linkes Thema.
Recherche: Einprozent und die rechten Ausschreitungen in der Bremer Straße in Dresden
24. Juli 2015: Nazis in der Bremer Straße
Heute vor zwei Jahren mündete eine NPD-Demonstration in Dresden in schwere Ausschreitungen, bei denen Flaschen und Böller auf Gegendemonstrant*innen geworfen wurden. Die vollkommen überforderte Polizei konnte kaum etwas gegen die etwa 200 Nazis und Rassist*innen ausrichten. Drei Menschen wurden verletzt, unter anderem erlitten zwei Teilnehmerinnen der Gegendemonstration Kopfverletzungen durch geworfene Glasflaschen.
Die Gewalt richtete sich einerseits gegen linke Demonstrant*innen, andererseits gegen Asylbewerber*innen, deren Einzug in das Zeltlager in der Bremer Straße für diesen Tag angekündigt war. Es war ein Angriff auf die Freiheit Andersdenkender und Andersaussehender.
Gerade in diesem Zusammenhang kann es nur als blanker Hohn verstanden werden, wenn mindestens zwei der damals Beteiligten am 17. Juli 2017 gegen einen Vortrag von Heiko Maas und gegen die angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit protestieren.
17. Juli 2017: Überschneidungen mit „Dresden 5k“ beim Anti-Maas-Protest
Heute vor einer Woche gelangten während des Vortrags von Heiko Maas sechs männliche Personen auf die Bühne. Sie hatten schwarze Tücher mit der Aufschrift „Stasi 2.0“ vor den Mündern, einer hielt ein Transparent mit der Aufschrift „Maas = Stasi“ in die Kameras. Nach Ende der Veranstaltung wurden mindestens zwei von ihnen vom russischen Sender „RT Deutsch“ interviewt.
Nach Angaben des Netzwerks „Ein Prozent für unser Land“ ist die Aktion der Einprozent-Gruppe „Dresden 5k“ zuzuordnen.
Einer der sechs Beteiligten war Ronny Thomas (1). Thomas kann auf eine langjährige Karriere in der lokalen Naziszene zurückblicken: 1997 NPD-Kreisverbandsvorsitzender, bis er wegen eines brutalen Angriffs auf Jugendliche zurücktreten musste. Er ist mehrfach vorbestraft, hat zwei Haftstrafen verbüßt. Zudem galt er jahrelang als Führungsfigur der „Freien Kräfte Dresden“ und betrieb die Website des „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“, das sich für die Naziaufmärsche zum 13. Februar verantwortlich zeichnete. Nach deren Aufkommen beteiligte er sich an den sich bürgerlich gebenden rassistischen Initiativen in Dresden und Umgebung, etwa am 22. Oktober 2015 an der Blockade einer Geflüchtetenunterkunft in Dresden-Übigau und am 14. April 2016 an einer Demonstration des „Demokratischen Aufbruchs Sächsische Schweiz“ in Sebnitz.
Neben Ronny Thomas war mindestens eine zweite Person (2) der „Dresden 5k“-Truppe an den Ausschreitungen in der Bremer Straße beteiligt. In einem Video ist zu sehen, wie der blonde Mann in rotem Hemd von einer erhöhten Position aus Wasser an die anwesenden Nazis verteilt. Ob er und Thomas sich damals schon kannten, ist unklar.
Am dritten Oktober posierte er zusammen mit Edwin Wagensveld und Tatjana Festerling in einem Schlauchboot mit den Aufschriften „Und wer rettet uns?“ & „Wer Merkel wählt, wählt den Krieg! Es lebe EINPROZENT u. Festung Europa!“
Auch zu weiteren Veranstaltungen trat er als Einprozent-Mitglied auf, so am 3. April 2017, zusammen mit dem oben erwähnten Nazi Ronny Thomas. An diesem Tag hielt er auch das Pegida-Fronttransparent, direkt neben Bachmann Senior.
Ein Foto vom 26. Juni 2017 zeigt ihn zusammen mit zwei weiteren „Dresden 5k“-Mitgliedern, die sich an der Aktion gegen Maas beteiligt hatten.
Am 10. Juli 2017, der ersten Pegida-Demo nach dem G20-Gipfel in Hamburg, brachte unser „Dresden 5k“-Mann anwesenden Polizisten Geschenke, die sie aus Korruptionsgründen allerdings nicht annehmen konnten.
Als dritter an der Aktion gegen Maas Beteiligter sei der „Pfarrer Hans“ (3) erwähnt. Unter diesem Namen jedenfalls trat er am 10. April 2017 als Redner bei Pegida auf. Dort schürte er Hass gegen Muslime und Geflüchtete, die seiner Meinung nach Christen kreuzigen würden. Außerdem verglich er das Vorgehen von „Linksideologen“ mit den Taten der Nationalsozialisten 1933 bis 1945 und unterstellte unter anderem der Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, zu „versuchen, das deutsche Volk auszulöschen oder zu Arbeitssklaven für hereinströmende Herrenmenschen zu machen“.
Einer Verlautbarung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens zufolge ist Hans „kein Pfarrer und hat auch nie bei der sächsischen Landeskirche gearbeitet.“
Fazit
Im Netzwerk „Ein Prozent für unser Land“ sind zahlreiche Gruppen organisiert, die, finanziell ausgestattet, zu größeren und kleineren Aktionen befähigt werden. Man versteht sich als „Bürgernetzwerk“ von „unzufriedenen Demokraten“, als „seriöse Lobbyorganisation für verantwortungsbewusste, heimatliebende Bürger“. Artikel wie dieser zeigen allerdings: Beim genaueren Hinschauen stecken unter der bürgerlich-demokratischen Fassade oft extreme Rechte und Menschen, die mit ihnen und ihren Ideen paktieren.
Quelle Beitragsbild: Frank Stollberg @ Twitter
Amerika und der Antifaschismus
Antifaschistische Gruppen haben in Europa eine lange Tradition. Dies liegt vor allem an dem europäischen Faschismus in der 30ern in Italien und Deutschland vor allem, dem ein direkter Konterpart entgegen gesetzt werden musste. In Amerika gab es zwar auch faschistische Bewegungen mit positivem Bezug auf Nazi-Deutschland in dieser Zeit, diese waren aber eher klein.
Hinzu kommt, dass Amerika zur damaligen Zeit selbst noch mehrheitlich rassistisch und diskriminierend gegenüber Minderheiten war. Die Rassentrennung war Alltag (auch nach der offiziellen Aufhebung 1964), ultrakonservative Politiker im Amt bestärkten diese noch. Gruppen wie der KKK hatten 6 Millionen Mitglieder. Gerade mal hundert Jahre zuvor war ja auch erst die Sklaverei abgeschafft worden.
Nennenswerte militante Gegenwehr gab es erst in den 60ern mit Gruppen wie der „Black Panthers Party“ oder „Nation of Islam“. Zwar gab es auch schon vorher Vorreiter der Bürgerrechtsbewegung wie Martin Luther King oder Rosa Parks. Auffällig dabei ist, dass sich alles rund um PoC dreht. Andere Themen wie Homophobie, Sexismus, etc. waren eher Randphänomene.
Jedoch unterscheiden sich die Gruppen eklatant voneinander, sowohl in der Ideologie als auch in der Umsetzung. Martin Luther King engagierte sich nicht-gewalttätig und eher agitatorisch. Er versuchte Diskriminierungen zu beseitigen. Die Black Panthers Party dagegen schreckte nicht vor Gewalt zurück. Sie war maoistisch ausgelegt, im weiteren Verlauf wurden aber auch nationalistische Thesen vertreten. Noch kruder wurde es bei der Nation of Islam, die eine Vorstellung von „Black-Supremacy“ mit einem aggressiven Islamismus verband. Daran zeigt sich schon wie unterschiedlich die Vorstellungen vom Kampf gegen Unterdrückung war.
Alle Bewegungen litten unter massiver Kriminalisierung und Verfolgung durch die Behörden. Hinzu kam die Ablehnung durch die mehrheitlich weiße Gesellschaft. Auch heutzutage müssen PoC in Amerika noch stark Alltagsrassismus erfahren.
Eine neue Welle der Diskriminierung kam durch die „Alt-Right“-Bewegung auf. „White Supremacy“ und andere Ideologien dürfen wieder offen gezeigt werden. Diese waren zwar nie verschwunden, jedoch trauten sich die meisten Anhänger nicht dies in Zeiten von „political correctness“. Dies änderte sich jedoch rund um die Zeiten der Wahl von Donald Trump. Rassistische Gruppierungen witterten Morgenluft und griffen offen Andersdenkende, PoC, Muslime, Juden, LGBTIQ*-Personen an und fühlten sich sicher.
Um diesem etwas entgegenzusetzen, bilden sich neuerdings verstärkt antifaschistische Gruppen. Diese stellen sich rassistischen „Rallies“ entgegen. Dabei kommt es des Öfteren zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit „Alt-Right“-Anhängern – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Der Antifaschismus ist also aus purer Notwendigkeit entstanden.
Das größte Ereignis dieser neuen antifaschistischen Bewegung in Amerika war wohl der Protest rund um die Vereidigung von Donald Trump. Antifaschistische Gruppen riefen zum Protest auf, der gewaltig ausfiel. Autonome Gruppen ließen ihrer Wut in den Straßen von Washington freien Lauf. Auch dort wurden wieder gewaltige Repressionsmaßnahmen durchgeführt. Aktivist*innen wurden zu 3 Jahren Haft verurteilt wegen „Vermummung, Sachbeschädigung und Angriffen auf Polizeibeamte“. Hier zeigt sich, dass der Staat keine Gnade zeigt, wenn es um Linke geht – woran uns das wohl erinnert.
Ideologisch zeigen sich einige Unterschiede, was sich jedoch historisch erklären lässt. Der antifaschistische Kampf in Amerika war immer auf Verteidigung ausgelegt und auf die Anti-Diskriminierungs-Agenda von Minderheiten. Eine vollständige ideologische Agenda gibt es nicht. Meist orientieren sich die Aktivist*innen eher an maoistischen/stalinistischen Ideen. Ausgeklügelte anarchistische Elemente – abseits des Sprühens des A – finden sich eher selten.
Dies muss jedoch auch ein Auftrag an amerikanische Aktivist*innen sein. Eine Selbstverteidigungshaltung ist gut und wichtig, dort darf es jedoch nicht aufhören. Auch ideologische Schulung und das Entwickeln einer tragfähigen Zukunftsvision gehören dazu. Dabei sollten sie jedoch darauf achten sich nicht in totalitären System zu verlieren, die sie ja gerade versuchen zu bekämpfen.
Autonome – Antifa – Schwarzer Block – Militanz – Extremismus
Im Zuge der ganzen Ereignisse rund um den G20-Gipfel und den Nachwehen hier noch mal ein paar Begriffserklärungen. In den Medien und in weiten Teilen der Gesellschaft werden einige Begrifflichkeiten synonym verwendet – daher ein paar Richtigstellungen.
Der Schwarze Block
DEN Schwarzen Block gibt es nicht, es ist schlichtweg nur eine Demotaktik. Schwarze Kleidung ohne auffällige Merkmale, die zur Identifizierung dienen könnten, hat sich als äußerst praktisch im Demoalltag erwiesen.Sowohl Polizei als auch Nazis wird dadurch die Identifizierung von Personen erschwert bis verunmöglicht. Und da es vor allem im Winter früh dunkel wird, ist dunkle Kleidung noch mal praktischer, um unauffällig zu bleiben. Außerdem macht schwarze Kleidung nach außen hin am meisten Eindruck – siehe Titelbild zum Artikel hier.
Diese ganzen Punkte sind auch kein großes Geheimnis, im Gegenteil. Es hat schon seine Gründe, warum Polizei- und Spezialeinheiten weltweit dunkel und vermummt auftreten. Die Taktik des Schwarzen Blocks war so erfolgreich, dass Faschos sie dann irgendwann kopiert haben und es so stellenweise auch auf Faschoverantstaltungen einen Schwarzen Block zu sehen gibt, z.B. in Plauen letztes Jahr. Da es sich hier um eine Taktik handelt, können dem Schwarzen Block auch keine Eigenschaften kollektiv zugeschrieben werden. Theoretisch könnte es beim nächsten Kirchentag oder beim CSD einen Schwarzen Block geben. Historisch kommt auch noch dazu, dass in den 60ern und 70ern die Cops gerne mal einfach so in Demos reingeprügelt haben und sich deshalb Personen dazu entschieden haben, sich vorne gegen die Polizei zu stellen, damit die Personen weiter hinten in der Demo nicht so im Fokus der Polizei stehen und sicher bleiben.
Antifa
Eigentlich recht einfach erklärt, der Name sagt alles: Personen oder Gruppen, die gegen Faschismus aktiv sind. Die Formen sind vielfältig und reichen von parlamentarischen Antifaschismus, Recherchearbeit, Stickerkleben und das Organisieren von Gegendemo bis hin zu Hausbesuchen und Automobilkritik. Wirklich einheitlich ist Feld nicht und es gibt auch nicht DIE Antifa. Antifa ist nur ein Label, den jede*r für sich selber mit Bedeutung füllen muss. Deshalb finden sich unter diesem Wort auch eigentlich komplett gegensätzliche Gruppierungen wie Stalinfans, undogmatische Kommunist*innen, Anarch@s und Bürgerliche zusammen – ob sie wollen oder nicht. Die jeweils zugrunde liegende Ideologie und Faschismusdefiniton führt dann neben der Militanzfrage gerne mal dazu, dass sich Personen oder Gruppierungen darüber streiten, wer jetzt die wirklich richtig echte Antifa sei. (Die Antwort ist dabei eigentlich ganz einfach: Wir oder gar nichts.)
Gesellschaftlich wird Antifaschismus immer gerne auf dumme Randalekiddies reduziert und von jeglichem politischen Inhalt getrennt. Die Gründe dafür sind vielfältig, einer der wichtigsten dürfte die eigene Bequemlichkeit sein. Die Bequemlichkeit, sich nicht mit komplexen Zusammenhängen und politischer Theorie zu beschäftigen, das eigene Verhalten zu reflektieren und zu verändern, die Gesellschaft und das eigene Umfeld kritisch zu sehen, unangenehmen Realitäten ins Auge zu blicken und natürlich auch die Bequemlichkeit, nichts machen zu müssen. Also schlichtweg die Bequemlichkeit, im eigenen Saft zu schmoren. Dabei ist Antifaschismus eine leider immer noch bittere Notwendigkeit und bildet eine Schnittstelle für mehr oder weniger alle Themenbereiche aus dem radikal linken Spektrum.
Autonome
Autonome Personen oder Gruppierungen wollen ganz simpel dem Namen nach autonom von der derzeitigen Gesellschaft sein. Das ist natürlich schwer, da es bis auf absolut selbstversorgende Einsiedler*innen keine Möglichkeit gibt, nicht am Kapitalismus teilzunehmen. Gesellschaft und Staat werden also von unten aus in Frage gestellt, was sich dann auch über autonome Strukturen und Räume äußert. Zum Beispiel besetzte Häuser, Arbeitskampf, genossenschaftliche Projekte und eine Stadt von unten. Alles ist hier unweigerlich mit dem Überwinden des Kapitalismus verbunden. Wie genau das dann im Detail aussehen soll, kann durchaus variieren. Autonom zu sein bedeutet für diese Personen meist auch Militanz. Aktiv zu sein gegen Nazis oder Kapital kann durchaus handfester werden. Generell ist dies aber ebenfalls ein heterogenes Feld. Wo es bei vielen bei Sitzstreiks aufhört, haben andere Personen aus diesem Spektrum auch kein Problem Waffen einzusetzen.
Militanz
Militanz ist nicht das Gleiche ist wie Gewalt. Militanz ist eine Grundhaltung, die Gewalt im Zweifelsfall nicht ausschließt und auch einen gewissen Organisierungsgrad beinhalten kann. Es muss sich dabei auch nicht um körperliche Gewalt handeln. Es geht vielmehr um eine Geisteshaltung, eine Bereitschaft. Du kannst theoretisch militant sein, ohne ein einziges Mal eine Person geschlagen oder ein Auto entglast zu haben. Aber du bist bereit dazu, es im Zweifelsfall zu tun. Der Organisierungsgrad hängt dabei von der Anzahl der Personen ab, die beteiligt sein. Auf Demos oder anderen Aktionen sind Bezugsgruppen Standard, die in der Regel zwischen zwei (dann als Tandem bezeichnet) und sechs oder sieben Personen umfassen. Bei Demos muss zudem eine Ordner*innenstruktur gestellt werden, Lautischutz, Scouts, erste Reihe, Bannerleute und dergleichen. Demos sollten zudem in Reihen laufen, um gegen Zugriffe von außen besser gewappnet zu sein.
Extremismus
Ein politischer Kampfbegriff, der seit der Erstverwendung im Verfassungschmutzbericht 1973 Einzug in die politische Auseinandersetzung gehalten hat und inzwischen weite Teile des Diskurses der Mehrheitsgesellschaft prägt. Seit den 80ern gibt es Bemühungen, den Begriff nachträglich politikwissenschaftlich zu legitimieren, was bedingt durch seine Inhaltslosigkeit nicht wirklich gelingen kann. Als „extremistisch“ wird dabei alles angesehen, was nicht bestimmte Merkmale der angeblich „richtigen“ Mitte erfüllt. Hierbei wird postuliert, dass es eine Mitte gäbe – in Deutschland ist das die BRD mit dem Grundgesetz als Verfassung. Welche politischen Forderungen einzelne Ideologien jetzt haben und wie sie sich eine ideale Zukunft ausmalen, ist der Extremismustheorie egal. So werden dann ein deutsches Weltreich mit Unterjochung aller minderen Rassen, ein islamistischer Gottesstaat, eine stalinistische Diktatur und die befreite Gesellschaft alle in einen Topf geworfen und gelten als „extremistisch“. Der Extremismusbegriff wird inzwischen so undifferenziert verwendet, dass es nur ein „gut“ (nicht extremistisch) und ein schlecht (extremistisch) gibt. Inhalte zählen dabei nicht mehr, weshalb es eben ein politischer Kampfbegriff ist. Besonders anschaulich äußert sich die Extremismustheorie in den allseits bekannten Formulierungen „links und rechts -beides scheiße“, „ich bin weder links noch rechts“ und dem Klassiker „Linke und Rechte in einen Sack und draufhauen, du erwischst immer den Richtigen.“
Und wie geht das jetzt alles zusammen?
Jetzt wird es schwierig, da Viele keinen Bock auf Differenzierung haben. Du kannst ganz direkt gegen Neonazis aktiv sein, aber kein Interesse an autonomen Strukturen oder dem Ende des Kapitalismus haben. Du kannst autonom im Häuserkampf aktiv sein, aber kein Interesse oder keine Zeit für Aktionen gegen Faschos haben. Und du kannst auf antifaschistische und/oder autonome Demos gehen und nicht im Schwarzen Block mitlaufen. Natürlich es große Überschneidungen zwischen Antifaschismus und Autonomen, vor allem im Bereich der militanten oder autonomen Antifa. No shit Sherlock. Eine Sache wie in Hamburg mit den Gegendemos und Protesten ist aber eindeutig dem linksautonomen Bereich zuzuordnen, da es hier nicht direkt gegen Faschos ging, sondern ums große Ganze, sprich den Kapitalismus. Hätten wir das jetzt auch noch mal geklärt.
G20 – eine Nachbetrachtung
Demobericht Halle 11.07. – Kick them out – gegen die IB
In Halle ist mit der „Kontra Kultur“ die momentan eigenständigste IB-Gruppe ansässig. Im Gegensatz zu vielen anderen Regionalstrukturen hat sie sich ein eigenes Profil geschaffen und ist nicht so sehr auf Kadersupport von außerhalb angewiesen. Die Nähe zum IfS von Götz Kubitschek in Schnellroda (etwa 50 Kilometer) und seiner rechten Stiftung „Ein Prozent“ resultieren in einer konstanten und direkten Zusammenarbeit. Als neuestes Projekt hat sich die Kontra Kultur mithilfe einiger Sponsoren (darunter natürlich „Ein Prozent“) ein Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße 16 gekauft. Damit will die IB sich mit Immobilien eine dauerhafte Präsenz schaffen und komplett unter ihrer Kontrolle stehende Stützpunkte schaffen. Quasi rechte autonome Zentren.
Kick them out – Nazizentren dicht machen!
Dagegen wurde gestern am Dienstag in Halle demonstriert. Aufgerufen wurde zu einer antifaschistischen Demonstration, die am Steintor beginnen sollte. Parallel dazu hatte der Neonazi Sven Liebich in Halle zu einer Demo aufgerufen und auch die IB karrte Kader aus dem deutschsprachigen Einflussgebiet an, um nicht ganz unterzugehen. So kam unter anderem Luca Kerbl aus der Steiermark. Gemeinsame Anreisen zur Demo wurden aus Dresden und Leipzig organisiert. Die große Frage war, wie viele Personen dem Aufruf folgen würden – vor allem angesichts des G20-Protests und der massiven Negativberichterstattung über „Linksextremisten“ und „die Antifa“.
Um 19 Uhr zog die Demo schließlich los – selbst nach Polizeiangaben mit 700 Leuten! Es ging durch die historische Innenstadt von Halle, als erstes auf den Campus der Martin-Luther-Universität in Halle. Dort ist die Burschenschaft “Halle-Leobener Germania” ansässig – welche enge Kontakte zur IB pflegt. Ebenso wie in Dresden und Berlin stützt sich die IB hier direkt auf vorhandene Strukturen und Kader der Burschenschaften zum Aufbau und zur Rekrutierung. Außerdem soll so eine gewisse gesellschaftliche Verankerung erreicht werden. Und bei der Kundgebung auf Campus war das erste Mal richtig zu erkennen, wie viele Personen vor Ort waren. Anschließend zog die Demo zum IB-Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße 16. Dort wurde sie von einem Häufchen Identitärer und sie unterstützenden Personen hinter der Polizeiabsperrung erwartet. Geben wir ihnen 50 Leute, die zudem teilweise aus Österreich angereist waren. Eine große Mobilisierung bekommt die IB auf lokaler Ebene also definitiv nicht hin.
Eindrücke und Fazit
Insgesamt kann die Demo eigentlich nur positiv hervorgehoben werden. Ab dem ersten Meter war sie bemerkenswert laut und entschlossen. Mit Ausnahmen der Kundgebungen gab es kaum 30 Sekunden, an denen keine Slogans gerufen wurden – sowohl vorne als auch hinten. Die Leute hatten offensichtlich Bock. Auch die 700-800 Teilnehmenden sind eine positive Überraschung. Nach der Berichterstattung über Hamburg zeigt dies, dass lokale Strukturen sich unabhängig von solchen Megaereignissen eigenständig vor Ort verankern und von dort mobilisieren können. Die Demo bestand nicht nur aus harten Antifas in schwarz, im hinteren Teil lief ein bunter Querschnitt der Gesellschaft mit. Halle hat offensichtlich keinen Bock auf die IB.
Die Polizei stoppte die Demo ein paar Mal und stresste wohl wegen aufgespannter Regenschirme, in den Seitenstraßen waren zum Teil vollvermummte und -behelmte Riotcops zu sehen – unnötig. Den Organisator*innen muss hier auch noch mal ein Lob für die gute Organisation ausgesprochen werden, neben der Demo wurden kontinuierlich Handzettel an die Passant*innen verteilt und über die IB aufgeklärt. So muss das laufen. Auch positiv vermerkt werden muss, dass Sören Kohlhuber die Demo begleitete. Trotz des Shitstorms, des ganzen Stresses um den G20-Gipfel und der Distanzierung einiger Zeitungen von ihm war er in Halle am Start.
Bekannte Gesichter
Götz Kubitschek und Frau Kositza plus ein Kind, Mario Müller, Alex Malenki, Luca Kerbl, Sven Liebich, Sven Ebert
Bild unten von Thomas Schade: https://www.flickr.com/photos/j_tschade/sets/72157683349939264/with/35696980072/
Handy auf der Demo-muss das sein?
Im Vorfeld zu den G20-Protesten wird auch viel über den Umgang mit den sozialen Medien diskutiert. Was soll an Fotos auf Twitter landen? Ist es sinnvoll die komplette Demo auf Facebook zu stellen? Und die allerwichtigste Frage: Wie genau mach ich das, um meine Mitaktivist*innen nicht zu gefährden?
Grundsätzlich gilt: das Smartphone ist eine Krake. Alles, was veröffentlicht wird, wird auch von der Gegenseite gesichtet. Die Polizei weiß schon seit langem wie sie damit umgehen muss. Nicht umsonst wird bei Durchsuchungen regelmäßig auch das Handy migenommen.
Also auch die Bilder, die niemals jemand zu Gesicht bekommen sollte, können dann gesichtet werden. So werden der Polizei Informationen gegeben, die zur weiteren Strafverfolgung genutzt werden können.
Ja, die Polizei filmt bereits alles mit. Aber durch die Fotos und Videos, die – ob freiwillig oder unfreiwillig – ans Licht kommen, wird den Repressionsbehörden die Arbeit erleichtert. So können sie umfangreiche Ermittlungen anstellen und eure Fotos helfen ihnen dabei andere Aktivist*innen hinter Gitter zu bringen.
Dafür müssen wir uns schützen. Die einfachste Möglichkeit wäre es natürlich das Smartphone zu Hause zu lassen. So haben die Behörden erst gar keine Chance gegen euch oder andere Ermittlungen anzustellen aufgrund eures Smartphones. Ganz zu schweigen von dem, was Anti-Antifa-Aktivist*innen mit solchen Fotos anstellen können.
Viele wollen das nicht. In der Tat kann ja auch ein Smartphone sinnvoll sein, um z.B. Polizeigewalt zu dokumentieren. Natürlich will auch niemand verbieten ein paar Demofotos zu schießen. Dabei sollten aber auch ein paar Grundregeln beachtet werden: nicht alles ist es wert fotografiert oder gar veröffentlicht zu werden.
Fotos, die veröffentlicht werden sollen, sollten grundsätzlich verpixelt werden. Ohne Ausnahme. Dafür gibt es einfache Programme wie Camera Obscura oder Pixelot. Damit werden die Meta-Daten des Bildes oder Videos gelöscht und durch einfache Klicks können Gesichter darauf unkenntlich gemacht werden. Diese Programme können kostenlos im App-Store runtergeladen werden. Etwas komplizierter aber dafür umfangreicher in den Funktionen ist PicsArt, funktioniert aber ähnlich.
Wir wollen dafür sensibilisieren wie man vernünftig mit dem Smartphone umgeht. Jede*r sollte sich darüber Gedanken machen. In dem modernen Leben nimmt es für viele einen großen Platz ein. Eine Demo oder gar die Großproteste in Hamburg sind kein Platz für Selfies oder Selbstdarstellung. Schützt euch und jede*n anderen!
Alternative Freiräume erhalten – ein Grundstein linker Kultur
In letzter Zeit ist immer wieder von Hausbesetzungen zu lesen von Linken. Egal ob in Bochum, Köln, Berlin oder Bonn – überall werden leerstehende Gebäude neuen Zwecken zugeführt
Bereits in den 70er kam es zu ersten Hausbesetzungen in Deutschland. Besonders in großen urbanen Städten Hamburg und Berlin wurden diese Hausbesetzungen durchgeführt, um Menschen in prekären Situationen ein Dach über dem Kopf zu gewähren. Egal ob obdachlose, mittellose oder einkommensschwache Personen/Familien – für sie wurde Wohnraum besetzt.
Natürlich fanden die Eigentümer*innen dies nicht toll. Teilweise kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei als diese versuchte die Gebäude zu räumen. Doch die alten Gebäude sind immer noch besetzt. Wie kann das sein? Nach zähen Verhandlungen wurden viele dieser illegalen Besetzungen legalisiert. Ein Glück für viele, die dort eine Heimat finden – als Aktivist*innen, als alternativer Lebensraum oder gar als Raum für künstlerisches Schaffen.
Dies hat auch zum Teil zu einem Umdenken in der Bevölkerung geführt. Wo früher Hausbesetzer*innen eher argwöhnisch betrachtet wurden, kriegen sie jetzt Unterstützung von Nachbar*innen oder anderen. Dies liegt auch daran, dass viele der alten Projekte als Erfolg gelten, auch wenn die wenigsten noch als Hausbesetzungsprojekte geführt werden.
Auch heutzutage sind viele dieser linken Wohnprojekte immer noch wichtig. Wir sehen immer noch einen massiven Leerstand in großen Städten. Während der Flüchtlingswelle 2015 mussten Geflüchtete in Turnhallen übernachten, Obdachlose schlafen in Parks im Winter und einkommensschwache Familien müssen menschenunwürdig leben. Auch andere können dort erblühen: alternative Lebensräume für Künstler*innen, Musiker*innen. Alternative Wohnprojekte können dort implementiert werden.
Um all dies umzusetzen bedarf es aber weiterer Wohnräume. Diese sind ja vorhanden. Sie müssen nur genommen werden. Die Tradition der Hausbesetzung ist eine Errungenschaft, die positive Auswirkungen hat – für alle. Doch es muss nicht nur neuer Wohnraum der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden – auch die aktuellen Projekte müssen erhalten werden. Egal ob als alternativer Lebensraum für Jugendliche oder Wohnraum für Bedürftige. Squat the World!
Die AfD-Chatprotokolle – keine wirkliche Überraschung
Vor ein paar Tagen wurden auf Indymedia Chatprotokolle aus einer intern WhatsApp-Gruppe der AfD Sachsen-Anhalt um Landeschef Andre Poggenburg geleaked. Im Original nachzulesen hier: https://linksunten.indymedia.org/de/system/files/data/2017/06/3098700935.txt Die grundlegende Echtheit wurde inzwischen bestätigt, unter anderem von Poggenburg selber. Der Leak wird noch ausgewertet, es finden sich aber diverse Schmankerl. Von Todesstrafe für Kinderschänder und Drogendealer über politische Säuberungen im Journalismus nach der Machtergreifung bis hin zu „Deutschland den Deutschen“ und einer möglichen Erweiterung der Grenzen war alles zu finden. Neben Poggenburg sind diverse AfD-Funktionäre, mögliche Bundestagskandidat*innen und auch Angestellte der Bundespolizei in der Gruppe aktiv (gewesen).
Nichts Neues
Das mediale Echo ist inzwischen gewaltig, auf sämtlichen Kanälen wird darüber berichtet. Und in der Tat, diese Protokolle sind ein dicker Fang. Daran darf kein Zweifel bestehen, auch wenn ein früher Kommentar auf Indy den einzigen Nutzen in den Telefonnummern sah. Aber was wird denn hier tatsächlich dokumentiert? Für Menschen, die sich mit der Materie (also der AfD) auseinandersetzen und ein bisschen Ahnung von Faschismus bzw. politischer Theorie im Allgemeinen haben, nichts Neues.
Seit Jahren wird über den Rechtsrutsch der AfD berichtet, die faschistoiden beziehungsweise offen faschistischen Tendenzen wurden immer stärker und sind gut dokumentiert. Auf allen Ebenen der AfD bis hinauf in den Bundesvorstand gibt es waschechte Faschist*innen. Seien es nun Personen wie Höcke oder Nerstheimer, dank der AfD sitzen Faschos in deutschen Parlamenten und werden in den Bundestag einziehen, wenn sich die AfD nicht noch weiter zerlegt. Kontakte zu gewaltbereiten Neonazis sind auch dokumentiert, Sei es zur IB oder als Saalschutz/Security bei z.B. Poggenburg oder Bystron.
Ob nun auf Facebook der Wehrmacht gehuldigt wird, die jüdische Weltverschwörung geteilt werden muss oder im Landtag von Linken als „Wucherung am deutschen Volkskörper“ die Rede ist (schon wieder Poggenburg), wir haben es mit faschistischem Gedankengut zu tun. Und das nicht nur mal hier und da, sondern konstant und wie gesagt auf allen Ebenen. Ob im Ortsverband Wanne-Eickel oder von Höcke persönlich – Faschismus iz da. Die AfD ist noch keine vollkommen faschistische Partei. Die Faschist*innen haben aber das Ruder in der Hand.
No shit Sherlock
Und was machen Faschos? Faschodinge natürlich. Und wie verhalten sie sich, wenn sie sich relativ ungestört wähnen? Wie Faschos eben. Und was für Forderungen werden sie dann haben? Faschoforderungen natürlich. Die Protokolle sind also weder großartig überraschend noch irgendwie besonders – wenn sie im Kontext des Faschismus innerhalb der AfD gedacht werden. Für unbedarfte Bürger*innen mag sich das alles sehr erschreckend anhören, dabei ist das exakt das, was Faschos eben so denken und von sich geben. Wir reden hier schließlich von einer menschenverachtenden totalitären Ideologie, deren Anhänger*innen sich in der Regel auf einer Art heiliger Mission für das eigenen Volk sehen, welches vor dem Untergang bewahrt werden müsse.
Nur weil Onkel Bernd ein guter Sportlehrer war, macht ihn das nicht zwangsläufig zu einem guten Menschen. Die NS-Zeit hat gezeigt, dass das absolute Grauen sich hervorragend mit Benehmen und Anstand im gesellschaftlichen Kontext verbinden lässt. Wenn jetzt also AfD-Mitglieder die Todesstrafe fordern, mal richtig in Deutschland aufräumen wollen oder von der Machtübernahme träumen, dann ist das eben ganz genau das, was faschistisches Denken ausmacht. No shit Sherlock
Und das ist gut so
Jetzt haben wir aber diese ganzen Chatprotokolle. Was bringt uns das jetzt? Es bringt den Nachweis für das, was wir (und viele andere) immer wieder propagiert haben: Die AfD geht intern viel weiter als das, was ihr Programm hergibt. Keine andere große Partei dürfte eine so große Diskrepanz zwischen internen Forderungen und Wünschen sowie dem Wahlprogramm haben. Einige Teile der Linkspartei vielleicht mal ausgenommen. Oft kam in Auseinandersetzungen das Argument, dass die AfD das so gar nicht in ihrem Programm zu stehen habe. Für die Erwiderung, dass große Teile der Partei insgeheim viel weiter als das Programm gehen und knallhart faschistisch seien, gibt es jetzt DEN Beleg.
Die breite Öffentlichkeit und der politische Diskurs kommen jetzt nicht mehr darum, sich mit dem faschistischen Kern der AfD zu beschäftigen. Bundesweit dürften direkt im Anschluss diverse Chatgruppen gelöscht worden sein, um mögliche weitere Leaks zu verhindern. Aber es nützt alles nichts, die Protokolle sind. Und mit ihnen der Nachweis, wie zumindest weite Teile der Partei ticken und was ein Landeschef so alles durchgehen lässt oder selber von sich gibt. Keine Überraschung, aber jetzt nachgewiesen. Und das ist gut so.
Lest! Mehr! Schrott!
Immer mal wieder werden bestimmte Artikel/Filme/Clips/Songs durch bestimmte Kreise gejagt. Entweder zur allgemeinen Belustigung, Empörung oder Distanzierung. Das Phänomen ist nicht neu und auch nicht außergewöhnlich, es trifft auf so ziemlich alle Gruppen zu, die sich als solche von anderen unterscheiden lassen bzw. eine eigene Szene bilden. Gestern war auf Twitter und Facebook eine Kolumne aus dem Missy Mag fällig. Deborah Antmann hat sie verfasst, Jüdischer Feminismus 101 heißt sie. Die Aufreger sind schnell gefunden: Germanys Next Topmodel gar nicht mal so übel (wie das aus feministischer Praxis heraus zu vertreten sei, vor allem in Anbetracht der Objektifizierung, kompletten Ausschlachtung und Demontage der Teilnehmer*innen sowie den Gesundheitsidealen und -risiken, die propagiert werden, dürfte interessant werden), die unsäglichen Sprechortverweise, das Negieren eines „Universalfeminismus“ und damit das implizite Rütteln an einer überall nachprüfbaren Gleichstellung aller Menschen anhand objektiver Maßstäbe und natürlich vor allem dieser Satz hier:
„Dabei möchte ich das gar nicht, denn: Religion (solange sie nicht christlich ist) ist Widerstand! Eine Religion auszuüben, die nicht Teil christlicher Dominanzkultur ist, in die Synagoge oder Moschee oder oder oder zu gehen, ist strukturbedingt PER SE ein widerständiger und emanzipatorischer Akt.“
Ist doch egal
Aber genau das soll hier nicht das Thema sein. Daran empören, belustigen und arbeiten sich andere ab. Zum einen ist die Kolumne tatsächlich in jüdischer Tradition geschrieben und präsentiert daher eher einen Stream of Conciousness (Chaver Moshe Weintraub approves to that one), zum anderen ist es eben eine Kolumne. Es ist kein Leitartikel, keine Examensarbeit und keine Studie – sondern ein Meinungsbeitrag. So wie der Text hier auch einer ist. Im Englischen wird das auch gerne Mal als Opinion Piece bezeichnet, wenn dabei eine bestimmte Haltung oder Position zu einem Thema vertreten wird.
Grundsätzlich gibt es in Zeitungen und Zeitschriften viel Platz, der gefüllt werden will. Auch ohne Werbung. Wer einen Blog betreibt oder eine FB-Seite, kann das nachvollziehen. Wenn ständig Content selber erarbeitet werden muss, sieht man so ein Zeitung (vor allem eine Tageszeitung) mit anderen Augen. Und deshalb gibt es dann auch unterschiedliche Arten von Beiträgen in den Zeitungen. Damit es spannend bleibt und es auch für die Schreibenden interessanter wird, nicht immer nur eine Art von Beitrag machen zu müssen.
Und machen wir uns nichts vor: Natürlich kommt da ne Menge Schrott bei rum. Termindruck, schlechter Tag, Kreativloch, zu viele Artikel, miserable Schreibe und fehlende journalistische Fähigkeiten – die Liste ist lang und die Zahl schlechter Artikel immens. Auch in deinem Schreibmedium der Wahl gibt es Grütze zu lesen.
Raus aus der Filterblase!
Und mit Filterblase ist hier nicht nur der Algorithmus des sozialen Netzwerkes und der Suchmaschine der Wahl gemeint. Hier ist auch das Ausbrechen aus dem selbstgewählten Medienkokon gemeint. Wir neigen dazu, uns mit Menschen und Meinungen zu umgeben, die uns nahe sind. Was ja auch völlig ok ist. Nur führt das dann auch manchmal dazu, dass bestimmte Bereiche völlig unzugänglich sind. Die ganze Zeit über die AfD-Wähler*innen herziehen, alle Informationen aber ausschließlich aus Facebookkommentarspalten gezogen zu haben, ist halt etwas an der möglichen Realität vorbei. Wer wissen will, warum Leute AfD wählen, muss mit den Leuten sprechen.
Und aus diesem Grund hier die klare Empfehlung: Lest! Mehr! Schrott! Raus aus der bequem eingerichteten Welt des medialen Zuflusses und hinein in das ungestüme Wasser aus fremden und konträren Meinungen. Dazu zählt dann auch das Lesen von Medien wie Sezession, Junge Freiheit, Cicero, Bahamas, FAZ, Junge Welt, Kölner Stadtanzeiger, Missy Mag und eventuell sogar mal Boulevard *schauder*. Warum? Moshe Weintraub sagte im Gespräch über den Missy Mag-Artikel folgendes:
„Ich finde 90% der Opinion Dinger in der Haaretz furchtbar und lese sie trotzdem, da sie mich dazu bringen Dinge zu hinterfragen – meine Meinung bestimme am Ende ich.Die Meinungen mögen einem nicht passen, aber so lange sie nicht menschenverachtend sind, sind es Meinungen.“
Als Erinnerung: Wir reden hier von einer Kolumne, also einem Meinungsbeitrag, keinem Science Paper. Hier wird also schon per journalistischer Form festgelegt, dass es sich um eine Meinung handelt, nicht um die Wahrheit. Diese Meinung muss ich nicht teilen. Aber ich kann mir ganz viele verschiedene Meinungen anhören bzw. durchlesen und dann schauen, welche für mich Sinn ergibt. Vielleicht kann ja sogar der Argumentation in einem rechten Blatt etwas abgewonnen werden. Und wenn es nur das Verständnis ist, wie diese Logik funktioniert und wo sie fehl geht. Nur weil ich etwas lese, muss es noch lange nicht meine Meinung sein. Wenn ich aber immer nur das lese, was mir sowieso schon gefällt und zusagt, werde ich andere interessante Perspektiven gar nicht erst wahrnehmen.
Und daher noch mal der Appell: Lest! Mehr! Schrott! Diese Kolumne hier habt ihr ja auch durchgestanden.
Brandanschläge auf die Bahn – pro und contra
LS = Laura Stern argumentiert pro, ES = Erich Schwarz contra
Die Identitäre Bewegung – eine Bestandsaufnahme zur Demo am 17.06.2017
Die IB wollte es in Berlin noch einmal wissen. Nach der Blockade der schwach besuchten ersten Demo genau ein Jahr zavor sollte die Hauptstadt der BRD dieses Mal eine Machtdemonstration werden. Je nach Sichtweise standen die Anzeichen dafür auch ganz gut – ändern aber nichts an der Vollkatastrophe, die der 17.06.2017 für die IB darstellt. Weitere Informationen zur IB gibt es in unserem Interview mit Mensch Merz: https://rambazamba.blackblogs.org/2017/06/12/ueber-die-identitaere-bewegung-mensch-merz-im-interview/
Strukturentwicklung im letzten Jahr
Die IB wollte letztes Jahr einen Demo-Doppelschlag führen. Erst Wien, sechs später dann Berlin. In Wien fanden sich tatsächlich 800 bis 1000 Leute ein, kamen aber dank antifaschistischer Blockade nur 400 Meter weit. Berlin war ungleich schwächer besucht (etwa 120 Leute) und wurde ebenfalls blockiert, nach dem die IB schweigend durch menschenleeres Gebiet gezogen war. Die Strukturen und der Bekanntheitsgrad in Deutschland waren zu unterentwickelt, um neben der Hauptdemo in Wien vernünftig zu mobilisieren. Seit dem hat sich einiges getan.
In Halle hat sich mit der Kontra Kultur um Mario Müller eine relativ starke und unabhängige faschistische und gewalttätige Gruppe etabliert, welche personelle und logistische Unterstützung bei mehr oder weniger allen Aktionen in Deutschland liefert. Im Frühjahr gab es großes Outing von Identitären im Raum Hamburg/Schleswig-Holstein, in Dresden bestehen offensichtlich Verbindungen zur Burschenschaft Salamandria. Zum Aufbau von Strukturen arbeitet die IB eng mit Götz Kubitschek und seiner Initiative Ein Prozent zusammen. Diese sammelt Spenden und agiert zeitweise fast wie eine „Braune Hilfe“. In der Steiermark hat sich zudem in Österreich eine starke und eigenständige Regionalgruppe etabliert und stellt die Hegemonie der Wiener Gruppe in Frage.
Des weiteren wird ganz offensiv der Aufbau von Immobilienstrukturen forciert. In Wien und Graz gibt es eigene Büros für Schulungen, Workshops, Arbeiten und als Treffpunkt, in Rostock soll ebenfalls ein Büro eröffnet werden und in Halle will Kubitschek der Kontra Kultur ein ganzes Haus ermöglichen. Die IB setzt also auf Gebäude und Räumlichkeiten, die von Kaderwechseln unberührt bleiben. Die Aktionen in den letzten zwölf Monaten zeigen zudem für Deutschland eine starke regionale Fokussierung auf die neuen Bundesländer auf. Bis auf einen Bannerdrop am Kölner Hauptbahnhof im Zuge des Jahrestags der Sylvesternacht lassen sich keine größeren Aktionen verzeichnen. Daraus lässt sich schließen, dass der Aufbau von aktionsfähigen oder -bereiten Strukturen in den alten Bundesländern langsamer verläuft als in den neuen Bundesländern.
Harmlose Aktionen mit großem Echo
Die Frequenz von größeren Aktionen ist vor allem in Deutschland stark gestiegen. Wurden zu Beginn hauptsächlich Kleinstaktionen wie das Verteilen von Pfefferspray oder Sticker sowie Reisen zu bestimmten Orten auf den eigenen Kanälen (hauptsächlich Facebook) geteilt, steht die IB spätestens seit den Aktionen in Graz (Parteizentrale der Grünen) und Wien (Stürmung einer Theateraufführung) verstärkt im medialen Fokus. In Deutschland brachte sie der Bannerdrop auf dem Brandenburger Tor bundesweit in mehr oder weniger alle Medien. Größere Aktionen seit dem: Banner auf dem Balkon der Parteizentrale der Grünen, die #ibsterblockade vor der CDU-Zentrale, Bannerdrop von der Gedächtniskirche (kaum Echo da wenig Außenwirkung), die komische Stasisache vor dem Justizministerium (alle Berlin), das Banner auf der Businstallation in Dresden, Bannerdrop von der türkischen Botschaft in Wien, Crowdfunding für die App Patriot Peer und zuletzt die Aktion im Mittelmeer.
Was all diese Aktionen ausmacht, ist ihr eigentlich harmloser Charakter. Sich mit einem Banner irgendwo hinstellen, Pyros abfackeln und dabei Fotos machen kann jede*r und ist vor Ort schnell gemacht. Außerdem gehört das seit Jahren zum Basisaktivismus im antifaschistischen Bereich. Die Aufmerksamkeit beruht hauptsächlich auf zwei Faktoren. Zum einen verkauft sich die IB selber als zeitgemäße Jugendbewegung und verköpert nach außen hin nicht das Klischeebild „Neonazi“, welches viele Menschen immer noch untrennbar mit radikal Rechten verbinden. Zudem ist das Corporate Disign der IB schlicht und effektiv. Zum anderen liegt es an den teilweise symbolträchtigen Orten, an denen die Aktionen stattfinden. Bannerdrops vom Brandenburger Tor oder der türkischen Botschaft zeigen einerseits eklatante Sicherheitsprobleme an teilweise sensiblen Stellen auf, bedürfen auf der anderen Seite vernünftiger Planung. Auch die Hebebühne, mit der die IB das Transparent in Dresden an den beiden Bussen angebracht hat, muss irgendwie organisiert und bezahlt werden.
Eine Aktion wie die im Mittelmeer ist eigentlich lächerlich und harmlos ohne Ende, erreicht durch die mediale Rezeption aber erst ihre volle Wirkung. Dieses Spiel spielt die IB ziemlich gut und schafft es immer wieder, sich in die Medien zu bringen. Damit wirkt sie nach außen einerseits größer als sie tatsächlich ist, produziert auf der anderen Seite aber auch wenig negative Nachrichten im Sinne von körperlicher Gewalt. Das dies nur die Außendarstellung ist und nicht der Realität entspricht, zeigt vor allem die Kontra Kultur in Halle. In den letzten Wochen gab es dort mehrere Angriffe von IBlern, teilweise mit Waffen.
Warum Berlin
In Sachen Aktionen ist Berlin in Deutschland eindeutig der Schwerpunkt. Nirgendwo fanden mehr größere Sachen statt. Dafür dürfte es einige Gründe geben: Berlin hat mit 3,5 Millionen Einwohnern und vielen Studis eine große urbane Zielgruppe für die IB und vor allem im Umfeld der Freien Universität Berlin einige Burschenschaften, aus denen sie rekrutieren kann und deren Strukturen genutzt werden können. Nicht umsonst gab es im Vorfeld der Demo am und auf dem Gelände der FU Sticker- und Plakatieraktionen. Außerdem parkten um die Demo zum Beispiel bei der Gothia-Burschenschaft diverse Autos von außerhalb.
Berlin ist zudem Bundeshauptstadt und besitzt viele historisch aufgeladene Orte und Gebäude, Ministerien und Sitze/Zentralen von Parteien, Stiftungen und Organisationen. Hier lässt sich also einiges mit Aktionen bearbeiten und ist attraktiv für eine Demo. Der Faktor „Im Herzen der Haupstadt“ darf auch nicht außer Acht gelassen werden, ist das für viele Faschist*innen tatsächlich ein wichtiger Punkt. Berlin ist zudem von den umliegenden Strukturen in Ostdeutschland relativ gut zu erreichen so müssen die Leute aus Halle, Hamburg oder Rostock nicht extra nach Wien fahren.
Ein weiterer wichtiger Punkt dürfte allerdings die dünne Personaldecke der IB sein. In Österreich werden zur Zeit die App Patriot Peer und die nächste Aktion im Mittelmeer geplant. Nebenbei noch eine Großdemo planen und durchführen dürfte die Kader dort überstrapazieren. Also wird die Demo an Berlin abgegeben, die mit Hilfe der anderen Strukturen in der Region dieses Projekt stemmen und sich so beweisen sollen.
Die Mobilisierung
Die IB hat von sich alles aufgefahren, was sie auffahren konnte. Auf sämtlichen Kanälen wurde massivst dafür geworben, in Berlin wurde erstmalig von der IB in mehreren Stadtteilen plakatiert. Auch andere Gruppen haben zur Teilnahme aufgerufen, zum Beispiel „Wir für Deutschland“ von Enrico Stubbe, die IB hat sich allerdings teilweise davon distanziert. Der Tenor war das übliche Gebrabbel von identitärer Jugend Europas, Patriotismus, Heimat und dem vermeintlichen Kampf als letzte Verteidiger gegen die Islamisierung.
Auf antifaschistischer Seite wurde dieses Mal überregional mobilisiert. Aus Hamburg und Leipzig gab es eine gemeinsame Anreise, in Berlin organisierte das BBgR den offiziellen Gegenprotest und hat als Marschroute die Blockade der IB-Demo vorgegeben. „Identitäre? Blockieren!“ war der Mobislogan. Und die Mobi zog spektrumsübergreifend, selbst der grüne Bundestagsabgeordnete Mutlu aus dem Wedding rief offen zum Blockieren auf. Die Strategie aus bürgerlicher und antifaschistischer Strategie hat voll gegriffen.
Die IB hatte als Startpunkt den S-Bhf Gesundbrunnen angemeldet – ein taktischer Fehler. Denn von dort zum Hauptbahnhof führt erst mal nur eine Straße, die Brunnenstraße. Der Weg durch den Wedding wurde durch die Gegendemo mit Startpunkt Leopoldplatz verhindert. In der Nähe vom Nordbahnhof sollten sich die offiziellen Routen kreuzen. Aus dem Antifaspektrum wurde in der Woche vor der Demo dann massiv zur Brunnenstraße mobilisiert. Denn dank des Bahndammes, auf dem der Bahnhof Gesundbrunnen liegt, und des direkt dahinter in Demolaufrichtung beginnenden Humboldthain-Parks kann die IB nicht einfach mal so umgeleitet werden. Eine Blockade möglichst früh würde die IB am Gesundbrunnen halten oder irgendwo auf der Brunnenstraße festsetzen. Von der offiziellen Gegendemo, welche zwei Stunden vor der IB-Demo starten sollte, wäre zudem Unterstützung und Zufluss von hinten bei ersten Blockaden möglich.
#dankeantifa
Und auch hier kann eigentlich nur ein Erfolg auf ganzer Linie vermeldet werden. Während die Gegendemo parallel in relativer Nähe zur IB-Route durch Wedding und Mitte zog, gab es erste Blockadeversuche, an der Ecke Stralsunder Straße blockierte ein Finger mit 150-200 Leuten und konnte nicht eben mal so geräumt werden. Obwohl die Polizei versuchte mit großflächigen Hamburger Gittern die Route freizuhalten, konnte natürlich unmöglich die komplette Route gesperrt werden. Die Brunnenstraße wurde an dieser Stelle dann auch in drei Richtungen blockiert, die offizielle Route konnte nicht gelaufen werden. Im Laufe der Zeit wurden weitere Blockaden auf möglichen Ausweichrouten und auf der Hauptstrecke gesetzt, insgesamt beteiligten sich mehrere hundert Menschen.
Die IB startete gegen 15 Uhr mit etwa 600 bis 700 Personen und lief knappe 800 Meter bis zum U-Bahnhof Voltastraße. Weiter sollte es auch nicht gehen, dank der Blockaden wurde die Demo nach zwei Stunden Stillstand beendet. Die Polizei hatte kurz zuvor mit ersten Räumungen angefangen, allerdings relativ harmlos. Wurden zu Beginn erste Blockadeversuche noch mit Pfeffer bearbeitet, setzte sich sich vermutlich die Erkenntnis durch, dass hunderte Personen nicht mal eben so geräumt werden können. Zudem wurde der Gegenprotest von einem weiten Spektrum getragen und es blockierten nicht nur Leute in schwarz. Berlin hatte ganz offensichtlich keine Lust auf die IB. Zum Ende der Demo gab es dann noch ein bisschen Capture the Flag und einige IB-Fahnen wechselten die Seite.
Die IB-Seite der Demo
Die IB selber spricht offiziell von 850 Teilnehmer*innen ihrer Demo. Diese Zahl ist wie immer mit Vorsicht zu genießen, wird standardmäßig bei sich hoch- und bei den anderen runtergerechnet. Realistische Angaben liegen bei 600 bis 700 Leuten, die die IB mobilisieren konnte. Damit wurden die 120 vom Jahr davor übertroffen, die 800 bis 1000 aus Wien aber auch nicht erreicht. Die Teilnehmenden kamen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, so postete die IB Schwaben ein Gruppenbild mit etwa 15 Personen, die auf dem Weg nach Berlin seien. Unter den Teilnehmer*innen sind vor allem Bachmann und Däbritz von Pegida hervorzuheben, die wohl auch den Lauti organisiert haben. Die Kontakte der letzten Monate materialisieren sich also in einer handfesten Unterstützung.
In der ersten Reihe fanden sich Kader aus Halle, Berlin und Wien wieder. Das Publikum spiegelte aber mitnichten das Bild, dass die IB gerne hätte. So fanden sich diverse ältere Personen aus, aus Österreich wurde sogar Sandrea gesichtet. Die älteren Semester wurden allerdings auf die hinteren Plätze verwiesen, um nicht direkt vorne das Image zu stören. Weibliche Personen wurden auch prominent vorne positioniert, um den auffälligen Männerüberschuss zu kaschieren.
Alle Selbstdarstellung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die IB sich hauptsächlich aus dem klassischen Faschospektrum rekrutiert und nicht die harmlos coole Seite der Heimatliebe darstellt. Klare Männerdominanz, faschistische Tattoos und Slogans, der Unterschied zu einer NPD-Demo ist auf vielen Bildern nur durch die Fahnen und weniger Hooloutfits auszumachen. Die Stimmung auf der Demo wird als immer aggressiver beschrieben, je länger die Blockade ging. Anwohner*innen vor Ort zeigten laut und deutlich ihre Ablehnung der IB, zurück kamen aggressive Pöbeleien und Rufe nach Abschiebung und dergleichen. Später versuchte die IB dann auch noch durch die Polizeiketten zu gelangen und es kam zu einigen Ausschreitungen. Die Polizei setzte Pfeffer ein. Nach offizieller Auflösung der IB durch Robert Timm versuchte die Demo zurück Richtung Gesundbrunnen auszubrechen, wurden aber größtenteils von den Cops gekesselt.
IB-Darstellung vs Realität – Fazit
Die Demo ist für die IB eigentlich ein Desaster auf fast allen Ebenen. Als Pluspunkt kann sie eigentlich nur für sich verbuchen, mit 600-700 Leuten relativ vernünftig in Berlin mobilisiert zu haben. Wirklich viel bleibt davon aber nicht übrig, wenn die teilweise internationale Anreise eingerechnet wird und dies die Hauptdemo darstellt. Die IB selber spricht von 850 Personen auf ihrer Demo und liegt damit über den realistischen 600-700. Der Punkt ist allerdings geschenkt, Zahlentricks gibt es auf fast allen Demos. Wichtiger ist, dass selbst nach eigener Angabe das eigene Ziel von über 1000 Leuten verfehlt wurde. Auch wird verschwiegen, dass weniger Menschen als in Wien erschienen sind. Stattdessen wird der Zuwachs zur letztjährigen Demo in Berlin herausgestellt – die aber nicht Hauptdemo war. In Posts auf der FB-Seite schreibt die IB zudem: „Die heutige Demonstration der Identitären Bewegung war trotz diverser Blockaden ein voller Erfolg.“ und „Generell können wir diese Demo als Erfolg verbuchen, denn sie konnte trotz einiger Blockaden von Linken erfolgreich durchgeführt und alle Redebeiträge abgehalten werden.“
Eine Demo wird eigentlich nur dann erfolgreich durchgeführt, wenn sie die komplette Route laufen kann und nicht nach 800 Metern stecken bleibt. Auch das alle Redebeiträge gehalten wurden – welch patriotischer Erfolg! Alles andere wäre angesichts der zwei Stunden in der Blockade auch ein Wunder gewesen. Auch andere Aussagen verwundern. So soll die Polizei einmal nicht geräumt haben (was sie nach etwa 90 Minuten in der Blockade dann doch tat), dann wieder zu sanft. Auch soll die Zivilgesellschaft keine vernünftige Mobilisierung mehr hinbekommen und sich zudem stark auf migrantische Personen stützten (so what?), während bei der IB aus ganz Europa junge Patriot*innen angereist wären. „Während man es über die üblichen Netzwerke der sogenannten „Zivilgesellschaft“ augenscheinlich nicht mehr schafft Menschen für politische Belange zu interessieren, reisten junge Identitäre auf eigene Kosten quer durch den Kontinent, um sich mit Gleichgesinnten in Berlin zu treffen.“
Die IB schafft es also nach eigener Aussage nicht, mehr Leute als die angeblich schwache Zivilgesellschaft zu mobilisieren – obwohl aus ganz Europa angereist wurde. Auch wird hier auf bundesweite Gegenmobilisierung hingewiesen, obwohl selber auch überall geworben wurde. Wenn also bei vermeintlich gleicher Mobilisierung die IB bedeutend weniger Leute mobilisieren konnte, obwohl aus sämtlichen Strukturen angereist wurde, sagt dies doch alles über die „Stärke“ der IB aus. Mehr ist einfach nicht drin. Auch wird immer wieder auf die jungen Leute verwiesen, die ein starkes Zeichen gesetzt hätten. Ein bedeutender Teil war aber deutlich über 30 und mitnichten jung. Auch folgenden Satz kann man vermutlich nur mit IB-Logik verstehen: „Die Linksextremisten konnten zwar blockieren, sind aber letztlich doch gescheitert.“
Die IB versucht verzweifelt aus ihrer durchschnittlichen Mobilisierung und einen Totalblockade irgendwie einen Erfolg zu machen. Die eigene Aggression wird komplett verschwiegen. Dabei hat diese Demonstration vor allem gezeigt: Trotz einem riesigen medialen Hype und einer vermeintlichen Abgrenzung zu Faschist*innen ist die IB einerseits definitiv keine Bewegung, andererseits eben doch klassisch faschistisch unterwegs. Ihre Versprechen konnte sie nicht einhalten und Berlin wird neben der Blockade in Wien eines der großen Debakel dieser Gruppierung bleiben. Da hilft auch alle Selbstdarstellung nichts.
Über die Identitäre Bewegung – Mensch Merz im Interview
Am 17.06.2017 will die Identitäre Bewegung in Berlin ihre Hauptdemonstration durchführen. Beginn soll 14 Uhr am S-Bhf Gesundbrunnen sein, der Gegenprotest startet ab 12 Uhr am Leopoldplatz und will die IB blockieren. Organisiert wird der Gegenprotest vom Berliner Bündnis gegen Rechts, weitere Infos dazu findet ihr hier: https://berlingegenrechts.de/
Aus diesem Anlass haben wir ein Interview mit Mensch Merz geführt, eine Gruppe, welche sich auf die IB spezialisiert hat.
Religionskritik vs. Gläubigenbashing
Zum linken Selbstverständnis gehört auch immer Religionskritik. Von Kant über Marx bis zu Adorno haben alle die Religionen an sich kritisiert. Was davon zu unterscheiden ist, ist das stumpfe Pauschalisieren der Gläubigen, wie es auch gerne von Rechten getan wird.
Jede Religion hat einen Herrschaftsanspruch inne. Sie fühlt sich als einzige dazu berufen die Wahrheit zu verkündigen. In der Vergangenheit gab es bereits dazu blutige Schlachten und Auseinandersetzungen. Sie stritten sich also darum, wessen nicht-beweisbare Gottheit realer war. Darüber übersahen sie dann auch ganz gerne mal die Gemeinsamkeiten z.B. bei den abrahamitischen Religionen.
Jede Religion unterdrückt wegen des ihnen immanenten Wahrheitsanspruches Gegenstimmen. So war es im Mittelalter in der christlichen Welt, wo die Wissenschaft nur okay war solange sie nicht dem Weltbild der Kirche widersprach und die Hexenverfolgung aufgrund der sexistischen Einstellung der Kirchenoberhäupter erst ermöglicht wurde. Heutzutage sind in fundamentalistisch islamistischen Staaten die Frauenrechte eingeschränkt und Homosexuelle werden verfolgt und getötet. Religionen werden immer weiter Schaden anrichten. In Indien sorgt das Kastensystem nach wie vor Diskriminierungen. Der strafende Gott des alten Testaments, der zwar Inzucht, Zwangsheirat und Vielehe befürwortet aber wegen der Verbrechen der Menschheit eine große Sintflut kommen lässt.
Nicht nur in den oben beschriebenen Religionen kommt so etwas vor. Auch in dem vom Westen als „harmlos“ wahrgenommen Buddhismus gibt es Terroristen. Religionen als solche wollen nun mal ihre Sichtweise durchsetzen, bei besonders Fanatischen greifen sie dann halt auch zur Gewalt gegen Unschuldige. In Syrien richtet der IS Homosexuelle hin und in Amerika bringen christlich motivierte Pro-Life-Aktivist*innen Sprengsätze an Abtreibungskliniken an. Die Menschheit ist grausam und durch Religionen verstärkt sich der Hass nochmal.
Religionen sind daher grundsätzlich antiemanzipatorisch. Zwar geben sich Religionen oder zumindest Teilbündnisse davon wie beim Islam tolerant, versuchen aber nur so ihren eigenen Status Quo zu wahren. Bestandserhaltung statt Missionierung ist derzeit halt angesagt. Daher sind auch große Teile der Linken neutral gegenüber den Gläubigen, solange sie nicht fanatisch und/oder missionarisch unterwegs sind. Der Religion in ihrer institutionalisierten Form sind sie jedoch skeptisch gegenüber eingestellt.
Das langfristige Ziel von Linken kann nur die „Erziehung zur Mündigkeit“ sein. Dies beinhaltet auch die Loslösung von allen Religionen und die Übernahme eines wissenschaftlich-dialektischen Weltbilds. Nicht umsonst heißt es „Kein Gott, Kein Staat“. Früher funktionierte die Religion als moralischer Leitfaden und zur Erklärung der Welt, die damals nicht verstanden wurde. Letzteres hat die Wissenschaft bereits getan und sie wird auch weiterhin der Welt und dem Universum ihre letzten Geheimnisse nehmen. Für ersteres hat man noch nie eine Gottheit gebraucht, für die autoritäre Durchsetzung dessen schon. An dieser Stelle haben jedoch bereits längst andere Theoretiker*innen angesetzt und eine vernunftsbasierte moralische Alternative geschaffen. Dafür wird keine „Lichtgestalt“ mehr benötigt.
Die befreite Gesellschaft ist das Ziel. Dafür braucht es keinen Allah, keinen Buddha, keinen Jehova. Religion hem
Erlebnisbericht zu Rock am Ring und der Terrorwarnung
von Tom Lewis
Das Thema wurde im Netz ja von vorne bis hinten ordentlich diskutiert und alles und jede/r sah sich gezwungen seinen/ihren Senf dazu zu geben. Was dabei zu wenig gehört wurde: Die Leute, die dabei waren Dabei sollte man gerade denen zuhören, um ein gutes Bild zu bekommen.
Nun trifft es sich, dass ich selbst dabei war. Schön weit vorne bei den Broilers an der Hauptstage, als die Veranstaltung unterbrochen werden musste.
Zum Ablauf
Auch wenn sich der Veranstalter Lieberberg offenbar sehr darüber aufgeregt hat, dass die Polizei das Gelände räumen lassen wollte, fand ich persönlich dass das richtig war. Wie ich heute (nach Tagen ohne Internet) gelesen habe, gab es eine reelle Bedrohung und Festnahmen.
Auch die Security auf dem Gelände hat sich gut verhalten und alle ganz ruhig nach draußen geleitet. Die Securities waren aber eh verdammt cool drauf. An der Stelle also mal ein Lob an diese Leute!
Die Räumung selbst war dann absolut ruhig. Nach dem ersten Schock wandten sich alle langsam Richtung Ausgänge (bzw. zum nächsten Bierzelt; könnte ja das letzte Bier sein) und verließen das Gelände. Die meisten Leute waren enttäuscht. Wirklich jemanden mit Angst im Gesicht habe ich kaum gesehen. Viele sangen dabei und es sah nicht aus, als hätten wir gerade eine Terrorwarnung bekommen. Eher als sei gerade ein Konzert zu Ende gegangen.
An dieser Stelle muss ich jetzt auch die Band Broilers loben, denn die haben das Ganze einfach nur souverän gemeistert. Der Sänger Sammy wurde zweimal Backstage gerufen und die Band spielte instrumental weiter. Ich gehe also davon aus, dass die Veranstalter ihm bereits vorher Bescheid gegeben haben. Das letzte Lied, das vor dem Abbruch gespielt wurde, war dann ein langsames Lied, in dem es darum geht, wie wir derer gedenken, die von uns gegangen sind (Broilers – „Ihr da oben)“. Das war kein Zufall und es war gut ausgesucht.
Wir waren also schon, was die Stimmung angeht ruhiger, als wenn man vorher einen Song gespielt hätte, zu dem man nen ordentlichen Moshpit eröffnet hätte. Diese Gelassenheit verflog auch nicht, als wieder alle auf den Zeltplätzen ankamen. Dort wurde weitergefeiert und Lauter Grüppchen zogen mit eilig gebastelten „Saufen gegen Terror“ Schildern umher.
Die Berichterstattung
Als ich mir dann am nächsten Morgen mühsam einen Platz mit Internetverbindung gesucht hatte, las ich dann u.a. die Artikel von der Welt und vom Focus. Schlechte Quellenwahl für solche Themen. In den Kommentaren wütete „das Folk“™ und ich habe nach kurzem counter-pöbeln mein Handy wieder ausgemacht. Konnte mir den rechten Auflauf nicht geben und habe mich meinem Frühstücksbier gewidmet.
Die mediale Berichterstattung insgesamt, auch jetzt noch einmal nachträglich betrachtet, fand ich persönlich viel zu reißerisch. Wenn man sich den Welt Artikel und die Schlagzeile dazu durchliest, vermutet man eine Massenpanik. Das Ganze wurde dann schön hochgeschaukelt und scheinbar haben sich wieder alle den Mund fusselig geredet, während wir am Ring einfach gechillt weiter gefeiert haben.
Natürlich muss darüber berichtet werden. Aber man hätte das ganze auch ohne reißerische Titel machen können. Hier appelliere ich an journalistische Sorgfaltspflicht. Wir auf den Zeltplätzen waren einfach mal weitaus ruhiger und gelassener, als alle, die an ihren Computern saßen und da irgendeinen Müll in die Tastatur gekloppt haben.
Wie gesagt, die meisten waren einfach enttäuscht. Vor allem weil Rammstein nicht spielen konnte, viele jedoch genau für diese Band überhaupt gekommen sind.
Die Zeit danach
Was macht man nach einem Terroralarm?
Es muss weitergehen. Immer. Und genau das ist passiert. Wir saßen morgens auf dem Zeltplatz und haben auf die Nachricht gewartet, dass es weitergeht. Die Broilers wurden dann Samstag Abend nochmal für eine Stunde ins Programm eingeschoben und am Sonntag spielte auch Marteria, dessen Show ebenfalls ausfiel, für eine Stunde. Und das obwohl er Abends dann, vier Stunden später, bei Rock im Park aufgetreten ist. Respekt also an alle, die das möglich gemacht haben, dass wenigstens diese beiden noch auftreten konnten.
Auch hier wieder spezielles Lob an die Broilers. Am Tag nach dem Abbruch haben zwar viele Künstler etwas dazu gesagt (Ingo von den Donots und Campino von den Toten Hosen z.B.) und dabei fand ich das, was Sammy von den Broilers zu sagen hatte verdammt gut formuliert und sehr wichtig:(https://www.youtube.com/watch?v=yQJIsoCXANw ab 03:38)
Heute habe ich mich dann mit allen möglichen Leuten auseinandergesetzt, die nicht dabei waren, aber meinten das ganze für ihren rassistischen Dreck instrumentalisieren zu müssen. Schlauer bin ich nun, nach Diskussionen mit AfDlern nun nicht. Nur Kopfschmerzen habe ich. Ich kann es einfach nicht lassen denen zu widersprechen. Auch wenn es mühsam ist, muss es doch sein…
AfD Politiker tritt bei Pulse of Europe auf
Der Mainzer AfD Politiker Sebastian Münzenmaier hat auf seiner Seite ein Video seiner Rede bei einer Veranstaltung von Pulse of Europe. Das Video betitelt er mit „Ja zu Europa, nein zu dieser EU“.
Zwar hat sich PoE bereits dazu geäußert und sich von dieser Veranstaltung distanziert (siehe Bild 2), allerdings bestätigt dieser Vorfall genau die Befürchtungen, die wir bezüglich PoE hatten.
Die Organisation hat sich als offen für alle positioniert und hoffte damit alle Menschen in der EU zu erreichen. Dass sich Rechte diese Gelegenheit nicht auslassen, um solche Veranstaltungen für sich auszunutzen, war absolut vorhersehbar. Besonders zynisch wird die Sache aber, da auf der selben Veranstaltung Tupac Orellana von der Linkspartei das Reden während des offenen Mikrofons versagt wurde. Damit ist die selbstproklamierte Neutralität definitiv nicht mehr gegeben und die Veranstaltung in Mainz als rechtsgerichtet bezeichnet werden.
Jetzt distanzieren sie sich davon, aber so, wie es bei PoE momentan geregelt ist, wird sich so etwas noch wiederholen. Entweder man bekennt sich klar zu einem „offenen Konzept“ und trägt dann auch die Verantwortung, wenn Rechte bei einem auftreten, oder man stellt klare Spielregeln auf und schafft somit gar nicht erst die Gelegenheit für AfDler sich einzuschleichen.
Es bleibt dabei – #pulseofottos
Animal Rights Day
Heute ist weltweiter Animal Rights Day. Eine gute Gelegenheit, einmal ein paar Worte über unseren Umgang mit Tieren zu verlieren. Und ganz schamlos Tierbabys zu bringen.
Klassenmampf – niemand muss Tiere essen
So banal es klingen mag, aber das ist nun mal die Wahrheit. Beim heutigen Entwicklungsstand der Menschheit gibt es faktisch genügend Nahrungsmittel für alle. Und es gibt genügend Alternativen zu Tierprodukten. Das Problem ist hier wieder einmal die Frage der Verteilung. Auch innerhalb der Industriestaaten und der Lebensmittelproduktion. Ein großer Anteil der Getreideproduktion in Europa wird für die Tiermast aufgewendet, ein Kilogramm Fleisch hat einen viel größeren Energie- und Flächenaufwand als ein Kilogramm Getreide. Natürlich gibt es Hunger auf der Welt. Aber vor allem in Ländern wie Deutschland gibt es keinen Grund, nicht auf Fleisch und andere Tierprodukte zu verzichten. Es gibt genügend Alternativen. Eine gerechte und faire Verteilung von Nahrungsmitteln weltweit sollte ein natürliches Anliegen im Kampf gegen den globalen Kapitalismus darstellen. Zudem dienen der massive Fleischkonsum und eine auf Umsatzsteigerung abzielende Fleischindustrie in den Entwicklungsländern auch als Vorbild in der Lebensweise und führen durch übermäßige Tierhaltung zu Problemen wie der Desertifikation.
Mittels Subventionen werden die Preise für Nahrungsmittel und vor allem Fleisch künstlich niedrig gehalten. Auf den ersten Blick eigentlich ok, führt aber langfristig zu einer Entkopplung des eigentlichen Produktions- und Verkaufswertes von Fleisch und anderen Nahrungsmitteln von dem, was wir im Laden bezahlen. Resultat davon ist unter anderem, dass Landwirte ohne diese Subventionen nicht überlebensfähig sind – und Fleisch spottbillig. Dabei werden neben den direkten Kosten auch die sogenannten Tertiärkosten wie Umweltverschmutzung, CO2-Emmissionen und dergleichen nicht auf das Produkt umgeschlagen. Und die industrielle Massentierhaltung in Käfigen und Ställen ist einer der Klimakiller Nummer 1. Würden alle Tiere so artgerecht wie möglich auf freien Flächen gehalten, könnte nicht so viel Fleisch wie heute produziert werden und wir hätten mehr freie Weideflächen, was gleichzeitig der Biodiversität zugute käme. Außerdem müsste nicht so viel Treibstoff für die Futterproduktion verbraucht werden. Ein Kampf für eine bessere Tierhaltung ist hier auch gleichzeitig ein Kampf gegen den Klimawandel und für den Artenschutz. Eine nachhaltige Subventionspolitik würde also dafür sorgen, dass Massenstallhaltung benachteiligt wird und vegetarische und vegane Erzeugnisse bevorteilt würden.
Eine Frage der Ethik
Der Einsatz für Tierrechte beschränkt sich natürlich nicht nur auf die Fleischproduktion. Tiere werden teilweise auch in der Milchproduktion gequält, für die Stopfleber werden Gänse künstlich zwangsüberfressen und zu Fettlebern gezwungen – diese Tierquälerei ist in Frankreich zum Kulturgut erklärt worden. Immer noch werden Elefanten, Nashörner, Tiger und andere Tiere für Trophäen, ihre Hörner oder andere Körperteile erschossen und stehen vor der Ausrottung. Beim Zirkus werden Wildtiere durch die Landen gekarrt und eingesperrt, bei der Ausbildung auch gerne gezüchtigt. Artgerecht ist anders.
Die Hauptfrage, die sich bei all dem stellt: Mit welchem Recht stellt sich der Mensch immer noch autoritär über Tiere? Wir haben einen technologischen Entwicklungsstand erreicht, der uns allen eigentlich ein tierproduktfreies Leben ermöglicht. Weltweit. Wieso müssen wir also noch darauf beharren, fühlende Lebewesen zu töten oder zu knechten? Es geht hier nicht darum, Leuten ihren Lebenswandel oder ihre Ernährung vorzuschreiben. Aber diese Fragen sollten wir uns alle stellen. Denn wir arbeiten an einer besseren Zukunft für alle. Bei vielen ist es einfach nur die eigene Bequemlichkeit, die eine Nahrungsumstellung und den Verzicht auf tierische Produkte verhindert. Das kann aber doch kein Grund sein, sich nicht mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Und der Kampf für Tierrechte hat mitnichten nur etwas mit Ernährung zu tun.
Ein paar Worte zur RAF
„Ohne dass wir das deutsche Volk vom Faschismus freisprechen – denn die Leute haben ja wirklich nicht gewusst, was in den Konzentrationslagern vorging -, können wir es nicht für unseren revolutionären Kampf mobilisieren.“ – Ulrike Meinhof, 1972 (1)
Der Beginn
Am 14. Mai 1970 wurde Andreas Baader mit Waffengewalt aus dem Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen befreit, es gab einen Schwerverletzten. Dies gilt gemeinhin als Beginn der RAF als solcher und ihrem terroristischem Kampf als selbstbetitelte Stadtguerilla. Die RAF ist neben dem NSU ein Unikat in der jüngeren deutschen Geschichte, hielt sie doch über zwei Jahrzehnte den Staats- und Polizeiapparat auf Trab, zeichnet sich für 33 Tote verantwortlich und war in ihrer tatsächlichen Wirkmacht einerseits realpolitisch überschätzt, andererseits gab es großen Rückhalt in Teilen der Gesellschaft und eine unglaubliche Medienresonanz – bis heute. Über drei Generationen und dutzende Mitglieder geben Aktionen und Ideologie der RAF ein Spotlight auf eine der eher dunkleren Phasen der radikalen deutschen Linken.
Die Ursprünge der RAF liegen in der antiautoritären Protestwelle der 60er, welche durch verschiedene Ereignisse immer weiter in Richtung bewaffneter Widerstand radikalisiert wurde. Zu nennen wären neben vielen anderen die Ermordung von Benno Ohnesorg, das Attentat auf Rudi Dutschke, der Vietnamkrieg, der Sechs-Tage-Krieg und die Spiegelaffäre. Aus dem Spektrum der APO (außerparlamentarische Opposition) bildete sich nicht nur das, was später mal die Grünen werden würden. Es entstand auch eine heute fast unüberblickbare Ursuppe aus den sogenannten K-Gruppen, die sich auf Lenins Theorie des Imperialismus bezogen und in Mao auch gerne die Vollendung dieser Ideen sahen und ihn teilweise kanonisch eingeordnet haben. Die realen Begebenheiten im Ostblock und in China waren kaum bekannt und die Stimmungslage wurde durch sowjetische Agitation beeinflusst. Aus dieser Suppe rekrutierten sich dann nicht nur militante, sondern zum bewaffneten Kampf bereite Gruppierungen, wie zum Beispiel die Revolutionären Zellen, die Bewegung 2. Juni und eben die RAF.
Dunkle Zeiten
Warum ist die Zeit von Mitte der 60er bis in die 80er hinein ein düstere Episode der radikalen Linken in Deutschland? Weil sie mit ganz viel ideologischem Schwachsinn verbunden ist – der zu diversen Anschlägen, Attentaten und Toten geführt hat. Viele Linke in Westdeutschland solidarisierten sich in zynischer Weise und Unwissenheit mit der Sowjetunion, Mao, den Vietcong und sogar den Roten Khmer. Die Gründe dafür sind vielfältig, hängen mit der Theorie des leninschen Imperialismus und der Dimitroff-These zusammen, einer falschen Analyse des Faschismus und einem dogmatischen Denken. Auch die einzelnen Mitglieder der RAF starten mit verständlichen Kritikpunkten ihre Reise ins ideologische Abseits. Die Nichtaufarbeitung der NS-Zeit kotzt sie an, in der BRD wurden Kontinuitäten gerne weggeschwiegen oder unter den Teppich gekehrt, die Arbeiterklasse war immer noch unterdrückt.
Der Vietnamkrieg ließ in Westdeutschland den Antiamerikanismus wieder erstarken, dieses Mal zur Verteidigung der kommunistischen Vietcong und auch bedingt durch die Verbrechen der US-Streitkräfte sowie das Vorgehen gegen Kuba und anderswo in der Welt. Die USA waren die selbsterklärte Speerspitze des Antikommunismus. Gut, die Sowjetunion war auch nicht kommunistisch und nicht mal sozialistisch und das menschenverachtendere System nach innen, aber solche Details sind im Kampf der großen Ideologien unwichtig. Israel wurde mit dem Sechs-Tage-Krieg dieser Lesart nach selber zum Besatzer und Imperialisten (und hatte den unbedingten Support der verhassten Amerikaner) und verlor damit die Sympathien weiter Teile der radikalen Linken.
In der Folge wird Israel ohne Umschweife als faschistischer Staat bezeichnet und die RAF selber kommt zu dem Schluss, beim Attentat palästinensischer Terroristen bei den Olympischen Spielen in München 1972, die israelische Regierung hätte die „Sportler verheizt wie die Nazis die Juden – Brennmaterial für die imperialistische Ausrottungspolitik.“ (2) Der Angriff auf die Sportler, ausgeführt von der Gruppe „Schwarzen September“, wurde positiv aufgenommen, schlecht war mal wieder Israel. Der allgemeine Duktus aus dieser Zeit hat sich bis heute in gewissen antiimperialistischen Kreisen nicht geändert, nur die Schlagworte werden dem Zeitgeist folgend etwas angepasst:
„Die Zeitschriften der K-Gruppen sprechen in ihrer Berichterstattung eine eindeutige Sprache: So schreibt die „Rote Fahne“ der KPD/AO unter der Überschrift „Zionisten: Die Nazis unserer Tage“, daß die zionistischen Machthaber mit faschistischen Mitteln Palästina „araberfrei“ machen. Die „Rote Fahne“ des „Kommunistischen Arbeiterbundes Deutschlands“ (KABD) spricht von München als Alibi um den „Ausrottungsfeldzug bis zum zionistischen Endsieg zu führen.“ Der „Rote Morgen“ der KPD/ML sieht Israel als „ein einziges KZ für Araber“ und der „Arbeiterkampf“ des KB sieht die Vergeltungsangriffe Israels auf palästinensische Guerillalager nach der Geiselnahme von München nach dem Vorbild der Nazis ausgeführt.“ (3)
You are getting it wrong
Wie die Gruppierungen der damaligen Zeit zu solchen Schlussfolgerungen gekommen sind? So sah die RAF zum Beispiel den Nationalsozialismus als Spielart des Imperialismus, der sich erst jetzt in seiner endgültigen Form zeige. Imperialismus sei also der wahre Faschismus – und jeder Kampf gegen ihn also antifaschistisch. Damit passen dann auch tote israelische Sportler*innen problemfrei mit vermeintlichem Antifaschismus zusammen. Die RAF dazu selber: „„Die Aktion des Schwarzen September war antifaschistisch. Sie hat den Zusammenhang zwischen dem alten NS-Faschismus und dem entfalteten Imperialismus als dem erst durch und durch faschistischen System hergestellt.“ (4) Es ist dementsprechend auch nicht weiter überraschend, dass sich Mitglieder der RAF von solchen palästinensischen Terroristen ausbilden ließen, die gerne Israel vernichten wollten. Die Zusammenarbeit deutscher Linker mit dem palästinensischen Terror gipfelte in der Geiselnahme am ugandischen Flughafen in Entebbe, als Deutsche der Revolutionären Zellen und Palästinenser die Geiseln explizit in Juden und Nichtjuden trennten – und die Nichtjuden freiließen – sowie der Entführung einer Passagiermaschine in Mogadischu zur Freipressung der RAF-Führungsriege in Stammheim durch Palästinenser.
Die RAF hatte den Nationalsozialismus also in das eigene antiimperialistische Weltbild eingebaut und sah ihn nur als Vorstufe zu dem, was in den 70ern nach antiimperialistischer Lesart so alles passierte. Hier liegt eine gänzlich falsche Faschismusanalyse zugrunde, die weder den strukturellen Aufbau der faschistischen Staaten (Führerprinzip, Ein-Parteiendiktatur, Totalitarismus) berücksichtigt, noch den völkischen Kern der Ideologie von Verschmelzung von Staat und Volk zur übermystifizierten „heiligen Nation“ (die Palingese nach Griffin). Auch die Einzigartigkeit der Shoa wird regelmäßig relativiert, z.B. wenn sich RAF-Häftlinge selber in eine Reihe mit ermordeten Juden und Jüdinnen stellen: „Unsere Isolation jetzt und das Konzentrationslager demnächst […] kommt raus auf: Vernichtungslager – Reformtreblinka – Reformbuchenwald – die „Endlösung“. So sieht’s aus.“ (5) Damit sollen nicht die Haftbedingungen in Stammheim verharmlost werden, es geht um die vorgenommene Gleichsetzung mit den Opfern der Shoa.
Weiter werden die Mittel der staatlichen Repression als faschistisch ausgemacht, die Repression von kapitalistischen Staaten sei der eigentliche Faschismus: „So wird die politische Situation in der Bundesrepublik der Siebziger-Jahre oft vermittels NS-Analogien beschrieben. Dabei wird der NS-Faschismus theoretisch auf eine präventive Bekämpfung der Linken verkürzt und die Beteiligung großer Teile der deutschen Bevölkerung bestritten. Gerade die RAF benutzt den Faschismusvorwurf gegen den Staat inflationär. So gebraucht das „Kommando Thomas Weisbecker“ der RAF in der nur einige wenige Sätze langen Anschlagserklärung zu den Bombenanschlägen in München und Augsburg im Mai 1972 vier explizite NS-Vergleiche. Wie anderen K-Gruppen auch, sieht das RAF Kommando die analysierte Faschisierung des Staates als von oben betriebene Reaktion auf die Klassenauseinandersetzungen und verortet ihre Aktionen als expliziten Widerstand dagegen.“ (6) Also nix mit völkisch und Judenhass als elementare Bestandteile der NS-Ideologie, diese sind nur Nebenprodukte in den Augen der RAF.
Mythos und heute
Was die RAF bis heute als linken Mythos in einigen Teilen des Spektrums in wohliger Idealisierung als positiven Bezugspunkt erscheinen lässt, ist weniger die inhaltliche Analyse ihrer Texte und Standpunkte, es ist vielmehr das projezierte Rebellentum. Die RAF sah sich selber als Speerspitze der revolutionären Aktion und setzte die damaligen medialen Mittel bewundernswert zu ihrem Nutzen ein. Im Gegensatz zu den Revolutionären Zellen stellten sich Akteure der RAF bewusst in die Öffentlichkeit, Andreas Baader wird z.B. als egomanischer Frauenheld mit Geltungsdrang charakterisiert. Alle drei Generationen der RAF rekrutierten sich vorrangig aus der Suppe, in der auch die K-Gruppen mitschwammen, die dezentrale Struktur erschwerte die Festnahme der Mitglieder. Zudem genoss sie in studentischen und linken Kreisen eine Menge Rückhalt. Typische WG-Gespräche in den 70ern drehten sich auch gerne um die Frage, was denn nun zu tun sei, wenn ein RAF-Mitglied vor der Tür steht und Unterschlupf braucht. Wie weit wäre die WG bereit zu helfen?
Außerdem spricht das Angreifen von Einzelpersonen und symbolischen Orten und Institutionen jene Personen an, die von einem bewaffneten Umsturz der bestehenden Verhältnisse träumen. Und das am besten so früh wie möglich. Revolutionsromantik halt, von der RAF relativ erfolgreich vorgelebt. Der verkürzten Analyse, dass diese Anschläge irgendwas von Dauer bringen würden, waren schon die Anarchist*innen am Ende des 19. Jahrhunderts mit der „Propaganda der Tat“ erlegen – und wandten sich mangels Erfolg davon wieder ab. Rückblickend betrachtet hat die RAF nicht viel bis gar nichts bewegt. 1977 wurden die Gesetze im deutschen Herbst verschärft, Politik und Polizei haben sich etwa 25 Jahre intensiv mit linken Terrorist*innen beschäftigen müssen und die Verfolgung Linker blieb eine Kernaufgabe aller staatlichen Behörden. Darüber wurden rechte Umtriebe gerne mal übersehen, suchten die Nazis doch nicht so publikumswirksam die Öffentlichkeit mit Attentaten, Anschlägen und Entführungen. Auch zeigt die RAF exemplarisch viele ideologische Verirrungen auf, die durch ideologisches Kreisgewichse und überintellektuelle Herangehensweise bei gleichzeitiger Anpassung der Realität an die eigene Weltsicht entstehen – bis hin zur Negierung der Realität. Auch mit handfestem Antifaschismus hatte es die RAF nicht so. Ganz in der Tradition von Dimitroff sei das Kapital der Faschismus, warum sich also mit echten Neonazis wie der Wehrsportgruppe Hoffmann beschäftigen? Als große Antifaschist*innen im heutigen Sinne ist die RAF nicht bekannt, es wurde lieber gegen „das System“ gekämpft.
Aus Sicht der 60er lässt sich diese Zeit besser einordnen. Massendemonstrationen auf der ganzen Welt, linke Utopien gegen die bürgerliche Gesellschaft waren en vogue und es gab ein großes Protestpotential. Viele Personen waren zum bewaffneten Widerstand bereit, in Russland hatte mit den Bolschewiki eine kleine Gruppe die Macht übernommen und sich danach in der Machtposition gehalten, weltweit gab es linke Bewegungen, Revolutionen und Kämpfe. Man konnte sich als Teil dieser Bewegung sehen und eventuell sogar die Revolution in Deutschland auslösen. Die Masse müsste nur einer revolutionären Avantgarde folgen. Also sind wir diese Avantgarde. Dabei verrannte sich ein ganzes Spektrum in einem ideologischen Irrgarten – trotz Frankfurter Schule, Gulag und Shoa. Die RAF ist das perfekte Lehrmaterial für eine Gruppe von Leuten, die wie z.B. Meinhof aus den richtigen Gründen anfangen und sich dann unterwegs komplett verirren und Täterschutz am deutschen Volk und Opfer-Täter-Umkehr am Staat Israel praktizieren und dank falscher Faschismusanalyse am völlig falschen Ende rauskommen.
Quellen:
(1) Ulrike Meinhof, als Zeugin der Verteidigung im Prozess gegen Horst Mahler, am 14.12.1972: „Auschwitz heißt, dass sechs Millionen Juden ermordet und auf die Müllkippe Europas gekarrt wurden als das, als was man sie ausgab – als Geldjuden. Der Antisemitismus war seinem Wesen nach antikapitalistisch. Mit der Vernichtung von sechs Millionen Juden wurde die Sehnsucht der Deutschen nach Freiheit von Geld und Ausbeutung mit ermordet… Ohne dass wir das deutsche Volk vom Faschismus freisprechen – denn die Leute haben ja wirklich nicht gewusst, was in den Konzentrationslagern vorging – können wir es nicht für unseren revolutionären Kampf mobilisieren.“
(2) Rote Armee Fraktion, Die Aktion des „Schwarzen September“ in München. Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes, in: ID Archiv 1997. S. 173
(3) Jens Benicke, Leninisten mit Knarren – War die Rote Armee Fraktion nur eine bewaffnete K-Gruppe?, Vortrag im Jour fixe der Initiative Sozialistisches Forum am 30. April 2008, S. 8 http://www.ca-ira.net/isf/beitraege/pdf/benicke-leninisten.pdf
(4) Rote Armee Fraktion, Die Aktion des „Schwarzen September“ in München. Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes, in: ID Archiv 1997. S. 167
(5) Gefangene aus der RAF, Hungerstreikerklärung vom 8. Mai 1973, in: ID Archiv 1997, S. 189.
(6) Jens Benicke, Leninisten mit Knarren – War die Rote Armee Fraktion nur eine bewaffnete K-Gruppe?, Vortrag im Jour fixe der Initiative Sozialistisches Forum am 30. April 2008, S. 6
Aktivismus, Gewalt und Trauma – ein Interview
Interview mit Moshe Weintraub über Antifa, Gewalterfahrung und Trauma. Moshe Weintraub hat in Psychologie promoviert, ist Antifaschist und offensichtlich ein Tarnname. Das Interview führte Laura Stern. Für weitere Informationen oder Hilfe in eurer Nähe schaut bei Out of Action vorbei. Die sind genau darauf spezialisiert und in Berlin, Dresden, Hamburg, Köln, Leipzig und West (Duisburg über Wuppertal bis Dortmund) ansässig: https://outofaction.blackblogs.org/
MW=Moshe Weintraub AKA=Antifa Kampfausbildung
AKA: Nicht nur, aber auch im antifaschistischen Aktivismus, sind Menschen mit Gewalt konfrontiert. Wir sind auf Demos unterwegs, erleben Polizeigewalt, körperliche Auseinandersetzungen mit Faschos, dazu dann noch „übliche“ rassistische, sexistische, homophobe usw. Gewalt. Ganz grundsätzlich: Wie wirkt sich diese Gewalt auf die Psyche aus und gibt es unterschiedliche Arten, wie es sich auswirkt?
MW: Gewalt hat immer eine Auswirkung auf die Psyche und diese Auswirkungen können sehr vielseitig aussehen. Jede Person reagiert unterschiedlich auf Gewalt und auch auf Gewalt in unterschiedlichen Situationen. Wichtig ist zu verstehen, dass eine Reaktion der Psyche auf Gewalt ganz normal ist und nicht automatisch gleichzusetzen ist mit einer Anpassungsstörung oder Belastungsstörung, einer so genannten Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Was sehr häufig vorkommt nach Gewalterfahrung ist eine innere Unruhe und eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die Umgebung wenige Stunden oder am Folgetag nach der Erfahrung. Dies ist eine ganz normale Reaktion des Körpers und auch eine sinnvolle, da sie uns in einer feindseligen Umgebung sensibel gegenüber weiteren Angriffen machen soll. Wichtig ist, dass man der Psyche oder genauer dem Gehirn hier einfach die Zeit lässt, damit erst einmal umzugehen.
Es gab mal Ansätze bei Rettungskräften eines so genannten Debriefings. Die Idee war, dass die Personen nach traumatischen Erfahrungen zeitnah danach über die Erfahrung berichten sollten um so die emotionale Verarbeitung zu erleichtern. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass diese Idee, die intuitiv viele haben, keine gute war. Denn wenn die Erfahrungen zu schnell intensiv besprochen werden, erhöht dies sogar die Chance einer PTBS.
AKA: Wie eben ja schon selbst angesprochen, haben viele entweder die Idee oder das Bedürfnis, darüber schnell zu sprechen. Entweder, um sich die Erlebnisse von der Seele zu reden, oder um einer (angenommenen) Verdrängung vorzubeugen. Warum ist das kontraproduktiv und von welchem Zeitraum reden wir?
MW: Das liegt daran, dass quasi die psychische Widerstandsleistung des Gehirns direkt danach nicht voll da ist, aber eine Konfrontation mit dem erlebten „erzwungen“ wird. Das Gehirn muss aber erst wieder die Chance haben sich zu erholen vom Stress der Erfahrung.
Das heißt natürlich nicht, dass man Gespräche über solche Erfahrungen komplett vermeiden sollte. Man sollte nur erst einmal dem Gehirn die Chance geben, selber zu arbeiten. Merkt man dann, dass z.B. die Unruhe nach ein paar Tagen, normalerweise zwei bis drei Tage, nicht aufhört, dann empfiehlt sich natürlich sich Hilfe zu suchen und Unterstützung einzufordern.
Solche Hilfe kann entweder von Bezugspersonen kommen, oder aber z.B. durch Out of Action Gruppen (https://outofaction.blackblogs.org) oder andere psychologische Hilfsangebote.
Wichtig ist aber, dass wir an dieser Stelle auch noch nicht von einer PTBS sprechen. Eine Gewalterfahrung ist ein traumatisches Erlebnis, aber nicht zwangsläufig eine PTBS. Dies ist ein wichtiger Punkt.
Die Erfahrung von Gewalt ist immer schlimm, aber nicht immer folgt eine PTBS. Eine PTBS hat klare Symptome, sollte nicht selbst diagnostiziert werden und vor allem gehört sie in die Hände von professioneller Hilfe.
Eine PTBS ist gekennzeichnet durch eine klassische Triade aus Symptomen: Erhöhter Wachsamkeit/Schreckhaftigkeit, Vermeidung von Reizen, die an die Erfahrung erinnern oder damit verbunden sind und so genannte Intrusionen, also z.B. Flashbacks an die Situation selbst, bei denen die Person das Gefühl hat wieder in der Situation zu sein.
AKA: Ist denn eine traumatische Erfahrung immer mit einem Trauma verbunden und ist eine PTBS jetzt das, was gemeinläufig als“Trauma“ gesehen wird?
MW: Ein Trauma (griechisch für Wunde) ist eine Situation in der das eigene Leben oder die Unversehrtheit bedroht wurde oder man dies bei anderen miterlebt hat. Es gibt auch noch ein sekundäres Trauma, z.B. bei Menschen die viel in der Behandlung von Menschen mit PTBS arbeiten. Der Begriff Trauma wurde und wird leider häufig falsch verwendet. Vor allem in der klassischen Psychoanalyse wurden häufig Dinge als Trauma beschrieben, z.B. ein „Geburtstrauma“, die nach zeitgemäßer Definition kein Trauma sind. Deswegen ist es wichtig sich über den Begriff klar zu werden.
Eine Gewalterfahrung ist an sich ein Trauma. Dieses Trauma wird eine Reaktion hervorrufen, muss jedoch nicht zu einer klinischen Diagnose im Sinne einer PTBS führen.
AKA: Gibt es denn grundsätzlich grundverschiedene Arten von Taumata?
MW: Es gibt unterschiedliche Auslöser. Man kann das etwas kategorisieren – es gibt Traumata durch natürliche Geschehnisse, wie z.B. Erdbeben oder durch Menschen verursachte, wie z.B. Gewalt. Weiterhin gibt es einmalig auftretende – Erdbeben oder Überfall – oder langfristige Ereignisse – Folgesituationen durch Naturkatastrophen oder Gefangenschaft mit Gewalterfahrung. Die höchste Chance, dass ein Trauma zu einer Traumastörung, also einer PTBS führt ist durch Mensch langfristig, wobei hier auch in extremsten Situationen nur ca. 30-40% der Betroffenen eine Störung erleiden – wir reden hier also von Wahrscheinlichkeiten.
Dies heißt nicht, dass diese Personen schwächer sind, oder die Erfahrung der anderen Personen weniger traumatisch, sondern nur, dass das Gehirn des Menschen eben viele Wahrscheinlichkeiten hat.
AKA: Linke Aktivist*innen sind durch den Aktivismus erhöht dem Risiko von Traumata ausgesetzt. Wie ist denn deiner Meinung nach der Umgang damit innerhalb des linken Spektrums? Wir verstehen uns ja als solidarisch und stehen für einander ein. Wird das Thema offen und konstruktiv angegangen?
MW: Da lässt sich keine Allausage machen – du wirst Menschen finden, die damit offen und solidarisch umgehen, und andere, die Scham damit verbinden, wenn sie merken, dass nach Gewalterfahrung etwas nicht so ist wie sonst. Das Spektrum ist hier genauso heterogen wie die Gesellschaft.
Wichtig ist, dass man betroffenen Personen Raum lässt, um mit ihren Erfahrungen umzugehen, und Ressourcen bereitstellt, damit diese für sich sorgen können und das das Thema offen angesprochen werden kann, aber den Personen nicht aufgezwängt wird. Bezugspersonen oder -gruppen sollten hier über Möglichkeiten reden, aber auch ihre Grenzen. Welche Möglichkeiten und Ressourcen sind vorhanden, wie kann man sich Wissen aneignen und wo muss professionelle Hilfe geholt werden.
AKA: Ab welchem Punkt ist den professionelle Hilfe angebracht? Wie kann das grob festgemacht werden?
MW: Wenn man merkt, dass sich der Körper nicht mehr beruhigt, oder die oben beschriebenen Symptome, vor allem die Intrusionen wie Flashbacks auftauchen. Dies passiert, wenn es auftritt, häufig erst ein paar Wochen nach der Erfahrung.
Es ist also wichtig als ersten Schritt nach der Erfahrung erst einmal dem Gehirn etwas Zeit zu geben und für sich zu sorgen – dem eigenen Körper also erst einmal die Chance zur Erholung zu geben. Der nächste Schritt ist sich eventuell Unterstützung zu suchen, das Erlebte zu verarbeiten und für einen zu klären, was eine solche Erfahrung für einen bedeutet. Die Zeit zwischen den beiden Schritten kann sehr individuell sein, deswegen kann man hier keine Lösung nennen, die für jede Person oder jede Situation gilt.
Hilft all dies nicht und die Symptome bleiben oder kommen sogar wieder, dann sollte professionelle Hilfe aufgesucht werden.
AKA: Gibt es denn eine Gewöhnung an Gewalterfahrung und eine Schwächung der damit verbundenen Traumatisierung?
MW: Nein, schaut man sich z.B. Traumastörungen bei Soldat*innen an, so steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Störung, je häufiger diese Personen im Kriegseinsatz war.
Jede Person hat auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten eine andere Widerstandsfähigkeit, je nach aktuellen Ressourcen und somit ist es eine Wahrscheinlichkeitsfrage.
AKA: Um mal vom Thema „Trauma“ wegzugehen: Wie ist denn der Umgang mit psychischen Erkrankungen innerhalb der (radikalen) Linken? Einerseits erfordert Militanz natürlich körperliche und geistige Bedingungen, die nicht alle erfüllen. Zum Beispiel sind die Kleinen und Zierlichen für die erste Reihe eher weniger geeignet. Andererseits sind wir für alle da und vor allem soll Aktivismus auch für alle möglich sein.
MW: Da muss jede Person seine eigene Grenze festlegen, genauso wie bei körperlichen Dingen auch. Da lässt sich keine Regel geben.
An sich ist hier auch das Thema, das der Umgang mit psychischen Störungen oder Syndromen sehr individuell ist. Es gibt hier, wie oben erwähnt, Menschen die damit offen umgehen und andere, die sich mit dem Thema einfach gar nicht beschäftigen und auch kein Auge dafür haben. Auch Linke sind Teil einer Gesellschaft und in ihrem Umgang, ihrer Einstellung und ihrem Wissen zu psychischen Störungen ähnlich heterogen wie die Gesellschaft aus der sie kommen.
Natürlich wird man hier auch Personen finden, die sich völlig ignorant zeigen oder denken, dass Personen nicht „hart“ genug sind für bestimmte Formen von Aktivismus. Man muss eingestehen, dass man auch Teil einer gesellschaftlichen Prägung ist. Wie in vielen anderen Punkten beginnt Gesellschaftsveränderungen hier bei einem selbst, also mit den Fragen, welche Einstellung und welches Wissen habe ich eigentlich zu dem Thema und wie gehe ich damit um, wenn dieses Thema in meiner näheren Umgebung auftritt.
AKA: Schönes Schlusswort, vielen Dank.